Kampf gegen Rahmenabkommen
Gantner & Co bereiten die nächste Phase vor

Die Initiative Kompass/Europa gründet einen Steuerungsausschuss für die Zeit nach dem Rahmenvertrag – aber auch für einen möglichen Abstimmungskampf. Um eigene Lösungen mit der EU zu finden, spannt man mit der Vereinigung Autonomiesuisse zusammen.
Publiziert: 04.04.2021 um 09:43 Uhr
Reza Rafi

Das Hauptquartier im Kampf gegen das Rahmenabkommen mit der EU liegt im zugerischen Baar. Dort ist die Partners Group domiziliert, die Private-Equity-Firma, die Alfred Gantner 1996 mitgegründet hatte und für deren märchenhaften Erfolg er bewundert wird. Gantner hat auch die Gruppe Kompass/Europa initiiert. Das Thema springt den Besucher schon bei der Dorfeinfahrt an: Auf dem Baarer Ortsschild steht «Gemeinde Europas». Garniert mit dem EU-Symbol, dem goldenen Sternenkranz auf blauem Grund.

Seit Gantners Allianz im Herbst die Bühne betrat, halten ihm auch die Kontrahenten zugute, die Debatte befeuert zu haben. Der Impact wurde durch ein Vakuum begünstigt. Das Dossier war in Bundesbern jahrelang blockiert; die Regierung hüllt sich in Schweigen, die Parteispitzen verweisen lieber auf die noch laufenden Gespräche der Diplomaten.

Alle vier bis sechs Wochen will man sich treffen

Diese Kritik, die Degradierung zu destruktiven Nein-Sagern, wie man es einst Christoph Blochers SVP in der EWR-Debatte vorgehalten hatte, lässt Gantner nicht auf sich sitzen. Kompass/Europa will nicht als politische Eintagsfliege in die Geschichte eingehen. «Sollte das Rahmenabkommen tot sein, fängt unsere Arbeit erst an», sagt Gantner zu SonntagsBlick.

«Unsere Arbeit fängt erst an»: Kompass-Gründer Alfred Gantner.
Foto: Gerry Nitsch / 13 Photo
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Seine Worte sind eine Ankündigung. Man ist gekommen, um zu bleiben; man will in der Politik mitmischen, Lösungen einbringen.

Und es tut sich was. Diese Woche hat Kompass/Europa einen Steuerungsausschuss gegründet. Das strategische Organ soll die Kräfte für die Zukunft bündeln. Zum Aufgabenfeld gehören die Mitgliedergewinnung, die politische Lagebeurteilung, die regionale Verankerung und die Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit. Alle vier bis sechs Wochen will man sich treffen. Vor dem europapolitischen Wendepunkt der Schweiz will die Bewegung politik- und kampagnenfähig werden.

Ein Stelldichein der A-Schweiz

Der Ausschuss umfasst bis dato rund zwanzig Persönlichkeiten, vorwiegend Unternehmer und Manager, Köpfe des Werk- und Finanzplatzes. Ein Stelldichein der A-Schweiz, um das Bild von PR-Berater Klaus J. Stöhlker zu bemühen.

Mit von der Partie sind Eric Sarasin aus der Basler Bankendynastie, Investorin Adriana Ospel, Konzertveranstalter André Béchir oder der Genfer Pierre Mirabaud, ehemaliger Präsident der Bankiervereinigung (sein Neffe Yves Mirabaud kämpft auf der Gegenseite, bei Progresuisse).

Ebenfalls dabei sind der Zürcher Event-Pionier Schoscho Rufener, der Luzerner Baumaterial-Unternehmer Marco Sieber – und Talkmaster Kurt Aeschbacher, der mit der Familie Gantner befreundet ist.

Als Präsident des Gremiums tritt Heinrich Fischer auf, ein gewichtiger Industrievertreter; er präsidiert den Verwaltungsrat des Baumaschinenherstellers Hilti.

Am Montag ist es in Baar zu einer ersten Zusammenkunft von rund zehn Ausschussmitgliedern gekommen. Den inneren Kreis von Kompass einigt ein gemeinsames Selbstverständnis: Wer hier mitmacht, kennt sich mit dem Grobstofflichen aus, mit dem Abschliessen von Verträgen und mit gesetzlichen Hürden; man atmet die Marktwirtschaft an der Front, verantwortet Stanzmaschinen, Bauabdichtungen oder Beratungsmodule – im Gegensatz zu all den Akademikern und Berufspolitikern, die aus dem Elfenbeinturm heraus argumentieren würden, so der Tenor.

«Wir müssen uns bei der EU entschuldigen»

Es fallen Sätze, die in eine 1.-August-Rede passen würden. «Die Schweiz muss wieder selbstbewusster werden», sagt Präsident Fischer, «und die Voraussetzung für Selbstbewusstsein ist Selbstbestimmung.» Was sagt er denn zu den Sorgen um den Schweizer Binnenmarktzugang? Oft werde die Kraft der Wirtschaft unterschätzt, kreative Lösungen zu finden, antwortet Fischer. «Wenn aber über Jahre das institutionelle Abkommen als einzig gangbarer Weg vermittelt wird, wird nicht nach Alternativen gesucht.» Doch genau dies müsse geschehen, auch im Bewusstsein, dass es ein Risiko gebe. «Es braucht Risikobereitschaft, um weiterzukommen.»

Und wenn Brüssel auf stur schaltet? Dann müsse die Schweiz eben reagieren – etwa mit der einseitigen Anerkennung von EU-Konformitätsnormen oder mit sektoriellen Übergangsverträgen.

Die Politaktivisten betonen mehrfach, dass sie keine Europahasser sind: «Das ist nicht gegen Europa gerichtet, sondern gegen den Rahmenvertrag. Wir brauchen gute Beziehungen zu Europa», sagt Unternehmerin Myriam Locher. «Wir wollen kein Spaltpilz sein», meint TV-Star Aeschbacher, «sondern ein Brandbeschleuniger der öffentlichen Meinungsbildung. Ich will mithelfen, eine offene Debatte zum Verhältnis Schweiz-Europa zu führen.»

Und Eric Sarasin nennt eine Forderung der Gruppe: «Wir müssen uns bei der EU für den jahrelangen Irrweg entschuldigen und zusammen mit ihr einen neuen Weg finden.»

Von der Souveränitätsfrage und der Rolle des Europäischen Gerichtshofs bei der Streitbeilegung bis in all seine Verästelungen ist hier kaum die Rede. Stattdessen kommt ein allgemeines Unbehagen über neue Regulierungen zum Vorschein, man erzählt von den mühsamen Auflagen für Firmen in Deutschland, noch schlimmer in Frankreich. Das ist es, was so viele Wirtschaftsvertreter mobilisiert: Die Sorge um die Rahmenbedingungen für den Schweizer Standort.

Statt darauf Antworten zu liefern, zimmert der Bundesrat im stillen Kämmerlein eine Exitstrategie, und das Parlament streitet, wer den gordischen Knoten durchtrennen soll. An ein Wunder aus Brüssel, an ein substanzielles Entgegenkommen der Europäischen Union glauben nur noch wenige Unbeirrbare.

Acht Arbeitsgruppen sollen Lösungen finden

Im Steuerungsausschuss von Kompass hält sich die Lust auf einen Abstimmungskampf sowieso in Grenzen – weil dies das Verhältnis zur EU zusätzlich belasten würde. «Aber wenn es dazu kommen sollte, werden wir uns kräftig engagieren», sagt Heinrich Fischer.

Eine politische Partei werde man allerdings nie, beteuert Gründer Alfred Gantner. Viele im Ausschuss sind parteilos, aber nicht alle. Bankenpatron Eric Syz ist bei den Freunden der FDP engagiert; Adriana Ospel, die Witwe des ehemaligen UBS-Präsidenten Marcel Ospel, ist inzwischen von der FDP zur SVP übergetreten.

In Bundesbern will man sachbezogen mitmischen. Dazu wird eine Partnerschaft mit Autonomiesuisse geschmiedet. Die Gruppe um den Aargauer Transportunternehmer Hans-Jörg Bertschi verfolgt praktisch dieselben Ziele. «Autonomiesuisse und Kompass/Europa bereiten eine konstruktive Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Grundlagen für die Zukunft nach dem Rahmenvertrag vor», bestätigt Kompass-Geschäftsführer Philip Erzinger.

In acht Taskforces würden die Themenkreise Elektrizität, Forschung und Bildung, Marktzugangsabkommen, Staatsrecht, Wirtschaftsfreiheit, die Zukunft der Beziehung Europa-Schweiz, weltweite Handelsfreiheit sowie Medtech und Gesundheit erarbeitet. Erzinger betont aber: «Jede der beiden Bewegungen zieht ihre eigenen politischen Folgerungen aus diesen Grundlagen.»

Gantner und seine Mitstreiter haben noch einiges vor – über Europa hinaus. Die Altersvorsorge sei auch so ein Thema, bei dem die Politik nur mit Scheuklappen agiere. Das will er als Nächstes anpacken.

Es tut sich was in der Gemeinde Europas.

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