Keine Sonderkontingente für Pharma und Co.
Seco pfiff Parmelin zurück

Fehlt es in der Schweiz trotz aller Sparanstrengungen an Gas, wird es notfalls kontingentiert. Wirtschaftsminister Guy Parmelin wollte gewissen Branchen mehr Gas zugestehen als andern. Die Warnung vor einer solchen Vorzugsbehandlung kam ausgerechnet aus dem Seco.
Publiziert: 02.10.2022 um 15:21 Uhr
Ruedi Studer

Beim Gas ist die Schweiz fast vollständig vom Ausland abhängig. Weder hat das Land eine eigene Erdgasproduktion noch saisonale Speicheranlagen. Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist Gas knapp – im Winter droht gar eine Gasmangellage.

Schlimmstenfalls wird Gas für sogenannte nicht geschützte Kunden wie Industriebetriebe, Bürogebäude, Freizeitanlagen oder Restaurants kontingentiert. Das heisst: Sie dürfen nur noch einen Anteil ihres bisherigen Verbrauchs nutzen.

Geschützte Kunden hingegen wie Privathaushalte, Altersheime, Spitäler, Polizei, Feuerwehr oder etwa auch Trinkwasserversorgung und die Abfallentsorgung sind von der Kontingentierung ausgenommen. Das hat der Bundesrat jüngst beschlossen.

Wer bekommt wieviel Gas, wenn es zur Kontingentierung kommt?
Foto: Keystone
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Vorzugsbehandlung für Pharma und Co.

Für gewisse Wirtschaftsbranchen plante das Wirtschaftsdepartement von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (62) ursprünglich aber eine Vorzugsbehandlung. Das zeigen die Unterlagen zur verwaltungsinternen Ämterkonsultation, welche Blick vorliegen.

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In einem Papier spricht Parmelin von einer «Priorisierung» der Gaslieferungen für Unternehmen, die «Prozesse in den für die Versorgung lebenswichtigen Bereichen Gesundheit, Ernährung und den zwingend erforderlichen vor- und nachgelagerten Wertschöpfungstufen betreiben».

Namentlich ist in den Dokumenten etwa von Pharmaunternehmen, Verpackungsherstellern oder im Grundnahrungsmittelbereich tätigen Firmen die Rede. Diesen sollte ein um 20 Prozent höheres Gas-Kontingent zugestanden werden.

Seco warnte vor Lobbying

Die Warnung vor einer solchen Sonderlösung kam aus dem eigenen Haus: «Eine entsprechende Vorzugsbehandlung wird unweigerlich zu schwierigen Abgrenzungsproblemen führen», befand das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Als Beispiel nannte es die chemische Industrie, die Vorleistungen für die Pharmabranche erbringe.

«Zudem ist ein starkes Lobbying jeglicher Unternehmen für eine Vorzugsbehandlung zu befürchten.» Es bestehe gar die Gefahr, dass schlussendlich «fast alle Unternehmen» in irgendeiner Form unter die Sonderregelung fallen würden.

Das Seco beantragte deshalb, auf eine Vorzugsbehandlung ganzer Branchen zu verzichten. Stattdessen solle eine Poollösung genügen, über die ungenutzte Kontingente gehandelt werden könnten.

Die Bedenken wurden offenbar erhört. Die Lex Pharma ist aus der Verordnung verschwunden.

Fragen zu Kontingentierungs-Konzept

Für Diskussionsstoff sorgte auch das Kontingentierungs-Konzept, in dem einige Beispiele für die Anlagen von geschützten und nicht geschützten Verbrauchern aufgelistet sind.

So wandte das Verteidigungsdepartement von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (60) ein, dass weder die Armee noch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in einer der beiden Kategorien zu finden sei. Und: «Wozu zählen militärische Anlagen?»

Die Bundeskanzlei wiederum wunderte sich, dass öffentliche und private Schulen dem nicht geschützten Bereich zugeschlagen wurden. Und stellte gar die Frage: «Müssen derartige Einteilungen von Ethikkommissionen abgesegnet werden?»

Die Antwort liefert das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung in einem später publizierten Frage/Antwort-Blatt: «Die Definition der sogenannten geschützten Kunden orientiert sich an einer EU-Regelung», heisst es dort. Denn damit soll «die Kompatibilität mit der EU sichergestellt und der Abschluss von Solidaritätsabkommen erleichtert werden».

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