Kriegsgeschäfte-Initiative
Die schwierige Rechnung mit dem Kriegsmaterial

Ende November stimmen wir darüber ab, ob Geld aus unserer Altersvorsorge auch in die Rüstungsindustrie fliessen darf – dagegen will die Kriegsgeschäfts-Initiative vorgehen. Deren Auswirkungen ist allerdings undurchsichtig.
Publiziert: 14.11.2020 um 10:50 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2020 um 14:56 Uhr
Gianna Blum

Neben dem erbitterten Streit um die Konzern-Initiative geht die zweite Abstimmungsvorlage fast unter: die Kriegsgeschäfts-Initiative. Diese will, dass AHV, Pensionskassen und Nationalbank ihr Geld nicht mehr in Rüstungsfirmen anlegen dürfen. Zwar bekommt das Anliegen von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und jungen Grünen weniger Aufmerksamkeit – weniger moralisch aufgeladen ist sie aber keineswegs. Denn die Altersvorsorge der Schweizerinnen und Schweizer wird genutzt, um weltweit Rüstungsmaterial zu finanzieren – so der Vorwurf der Initianten.

Gigantische Summen bei den Pensionskassen

Die Schweizer Pensionskassen verwalten gigantische Summen. Laut neuesten, provisorischen Schätzungen des Bundes für 2019 insgesamt gar bis zu einer Billion. Über 1500 Pensionskassen verwalten Gelder von fast 4,3 Millionen aktiv Versicherten.

Laut einer Swisscanto-Studie sind etwa ein Drittel der Pensionskassen-Anlagen in Aktien investiert, ähnlich wichtig sind Immobilien. Das kann allerdings je nach Vorsorgestiftung variieren – bei der Swiss-Life-Gruppe sind es nach eigenen Angaben etwa 7 Prozent in Aktien, während fast 60 Prozent in Staatsanleihen gehen. In welche Firmen genau investiert wird, gibt keine Pensionskasse bekannt – aus Wettbewerbsgründen.

Die Kriegsgeschäfte-Initiative will, dass es den Pensionskassen, der AHV und der Nationalbank verboten wird, in Rüstungsfirmen zu investieren.
Foto: keystone-sda.ch
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Wie viel Geld letztlich in die Rüstungsindustrie fliesst, ist unklar – die einen rechnen mit 3, andere mit bis zu 12 Milliarden Franken. Erst recht unklar ist, wie stark die Pensionskassen in ihren Anlagestrategien umschwenken müssten, sollte die Initiative durchkommen. Hanspeter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbands Asip, verweist auf eine Aussage von Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60): «Konkrete Zahlen bezüglich Auswirkungen gibt es aufgrund der vielfältigen Branchenlösungen nicht.»

Axa: «Problemlos umsetzbar»

Viele Pensionskassen schliessen schon jetzt diverse Anlagen aus, etwa in Tabak- oder Rohstofffirmen. Zum Beispiel die Axa, einer der grösseren Schweizer Pensionskassen: Die Umsetzung der Initiative wäre «problemlos machbar», heisst es dort. Eine genaue Zahl der betroffenen Aktien nennt die Sprecherin nicht – doch bei einem ein Ja zur Initiative erwarte man «keinen signifikanten Einfluss auf unser Portfolio». Andere halten sich da eher zurück. Bei der Migros-Pensionskasse ist etwa von einem «deutlich höheren Aufwand» die Rede – insbesondere was die Überwachung betrifft. Und Swiss Life lässt ausrichten, man kommentiere Anlagepositionen grundsätzlich nicht.

Auch bei der Publica, der Pensionskasse des Bundes, wäre die Umsetzung machbar, wie Leiter Portfoliomanagement Patrick Uelfeti sagt. Von rund 8000 Titeln müssten etwa 150 ausgeschlossen werden – etwa 2 bis 3 Prozent des Volumens. «Für eine grosse Pensionskasse wie die Publica ist die Umsetzung aber einfacher», sagt Uelfeti. Denn die Publica kann sich ihr Portfolio selbst zusammenstellen. Kleinere Kassen seien aber auf standardisierte Produkte angewiesen, wie etwa Publikumsfonds oder Indexanlagen (EFT). Dort bestimmte Firmen auszuschliessen, ist komplizierter – und mit Gebühren behaftet.

Allerdings sind Indexanlagen – also Fonds, welche die Entwicklung eines Marktindexes möglichst genau abbilden – laut Swisscanto die Ausnahme: Knapp ein Drittel der Pensionskassen-Aktien wurden 2019 demnach so investiert.

Ein Knackpunkt ist auch die fünf-Prozent-Regel: Bei einem Ja zur Initiative wären Kredite und Investitionen in alle Firmen verboten, die mehr als fünf Prozent des Umsatzes mit Kriegsmaterial machen. Doch dieser Wert kann von Jahr zu Jahr schwanken – das heisst, dass die Liste der «verbotenen Firmen» ebenfalls immer wieder angepasst werden müsste. Allerdings setzen diverse städtische Pensionskassen die Initiative schon heute ganz oder teilweise um – zuletzt etwa die Pensionskasse Lausanne.

Nationalbank sieht Unabhängigkeit in Gefahr

Etwas anders liegt der Fall bei der SNB. Diese ist zwar keineswegs offener darüber, wo sie denn genau investiert. Doch in den USA existiert eine Meldepflicht für Investoren aus dem Ausland – und die Liste der SNB-Investitionen ist in diesem Register lang. Beim Kriegsmaterial mischen die Vereinigten Staaten weltweit oben mit: Laut einer Studie des Stockholmer Friedensinstitut SIPRI sind 22 von den 50 grössten Kriegsmaterialherstellern weltweit in den USA stationiert. Aktuell hält die SNB in 14 dieser Firmen Aktien, darunter etwa der Rüstungskonzern Raytheon oder Honeywell International, eine Firma die unter anderem Bauteile von Atomwaffen produziert.

Die SNB selbst schätzt, bei einem Ja zur Initiative etwa 300 Firmen ausschliessen zu müssen – etwa 11 Prozent des Portfolios. Das mache Diversifikation schwierig. Vor allem pocht die Nationalbank darauf, dass die Initiative einen Eingriff in ihre Unabhängigkeit darstellen würden.

Unklare Lage bei der AHV

Gar keine Einschätzung ist punkto AHV zu bekommen, beziehungsweise bei Compenswiss. Sie verwaltet den Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO. Man habe sich mit dem Thema befasst, heisst es dort – die Auswirkungen abzuschätzen sei aber nicht möglich. «Aus dem Text der Initiative geht noch nicht klar hervor, welche Unternehmen ausgeschlossen werden sollen», heisst es. Denn wer als Kriegsmaterialproduzent gelte, sei schwierig zu definieren. Compenswiss rechnet damit, dass Investoren deshalb auf «ressourcenintensive Recherchen durch externe Spezialisten» angewiesen wären.

Klar ist Compenswiss nur in einem Punkt: «Zum jetzigen Zeitpunkt können wir sagen, dass wir kein börsenkotiertes Schweizer Unternehmen identifiziert haben, das im Falle einer Annahme der Initiative auszuschliessen wäre.»

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