Folterkommission kritisiert Umgang bei Rückführungen
Vom Notfallbett direkt in den Ausschaffungsflieger

Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter kritisiert Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden, die stationärer behandelt werden. Auch die Interessen von Kindern würden bei Ausschaffungen oft vernachlässigt oder vergessen.
Publiziert: 09.07.2024 um 15:51 Uhr
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Aktualisiert: 09.07.2024 um 15:55 Uhr
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Céline ZahnoPraktikantin Politik

Er wurde mit Schmerzen in die Notfallstation eines Spitals eingeliefert. Der Transport in eine psychiatrische Klinik war schon organisiert, denn das Spital schätzte ihn als möglicherweise suizidal ein. Aber dann wurde er ausgeschafft. Vom Notfall auf direktem Weg in den Ausschaffungsflieger.

Der Mann war ein Asylsuchender mit Ausschaffungsbescheid. Die Polizei transportierte ihn gefesselt zum Flughafen. Er war in sehr schlechtem psychischen Zustand, für die polizeilichen Begleitpersonen und das medizinische Personal war er nicht ansprechbar. 

Diesen Fall beobachtete die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF). In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht schildert sie das Vorgehen der Kantonspolizei und des Spitals in dem Fall.

Die nationale Folterkommission kritisiert einzelne Ausschaffungen von Personen, die stationär behandelt wurden.
Foto: Keystone
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Mangelnde Rücksicht auf Kinder

Ausserdem kritisiert die Kommission, dass Personen immer wieder aus stationären Kliniken geholt und ausgeschafft wurden. Dabei gab es mindestens drei Fälle, in denen die Personen präventiv gefesselt wurden. Etwa wegen einer Schizophrenie-Diagnose, obwohl sich der Betroffene kooperativ zeigte. Das sei unverhältnismässig und stigmatisierend, so der Bericht.

Dabei handelt es sich offenbar um vereinzelte Fälle – insgesamt sei der Umgang mit Personen während der Rückführung professionell und respektvoll. Die Kommission hat vergangenes Jahr die Rückführungen von insgesamt 45 Familien mit 105 Kindern beobachtet. 

Allerdings würden vor allem die Interessen von Kindern öfter vernachlässigt oder ganz vergessen. Berichtet wird etwa von Fesselungen der Eltern vor den Kindern, oder dass einmal sogar ein minderjähriges Kind selbst gefesselt wurde. Gemäss der EU-Rückführungsrichtlinie sind Zwangsmassnahmen gegenüber Kindern nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig.

Getrennte Familien

Ausserdem käme es während der Rückführung immer wieder zu Trennungen von Familien. Sie werden etwa in verschiedenen Bussen zum Flughafen oder sogar in verschiedenen Flugzeugen in ein Drittland gebracht. Das sei weder nachvollziehbar noch verhältnismässig, so die Experten.

Weiter müssten Kinder oftmals übersetzen und bewaffnete Einsatzkräfte kämen in direkten Kontakt zu Kindern. Laut der Kommission ist das nicht nachvollziehbar. Unicef empfiehlt auch, dass Begleitpersonen während der Rückführung zivile Kleidung tragen. 

Schulung gefordert

Die NKVF fordert deshalb, die polizeilichen Begleitpersonen besser über die Rechte von Kindern und Familien zu schulen. 

Ausserdem stellt die Kommission fest, dass es keine Vorgaben gibt, wie Ausschaffungen aus stationären Kliniken oder Spitälern durchzuführen sind. Sie mahnt darum, sicherzustellen, dass Personen erst medizinisch beurteilt werden und allenfalls von medizinischen Fachpersonen begleitet werden.

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