In der Fifa-Affäre droht schon die nächste Pleite
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Schon erste Verfahrensfehler?In der Fifa-Affäre droht schon die nächste Pleite

Lauber ist weg, aber die Probleme bleiben
In der Fifa-Affäre droht schon die nächste Pleite

Die juristische Aufarbeitung des Falls Lauber hat eben erst begonnen. Doch schon jetzt werden Zweifel am Vorgehen des Sonderermittlers laut.
Publiziert: 10.09.2020 um 22:50 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2021 um 19:02 Uhr
Daniel Ballmer und Lea Hartmann

Es ist ein Trauerspiel: Erst nach langem Hin und Her ist Bundesanwalt Michael Lauber (54) Ende August abgetreten. Was er zurücklässt, ist ein Scherbenhaufen. Mehrere der prestigeträchtigen Fifa-Verfahren hat die Bundesanwaltschaft an die Wand gefahren. Der Knatsch um Laubers Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino (50) trug der Schweiz den Ruf einer Bananenrepublik ein.

Nun droht der Schweizer Justiz bereits die nächste Pleite. Denn dem ehemals obersten Ankläger des Landes steht selbst ein Strafverfahren bevor. Gegen Lauber, Infantino und den Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold (45) sind mehrere Anzeigen eingegangen. Die Vorwürfe sind happig: Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Begünstigung beziehungsweise Anstiftung zu diesen Straftaten.

Teilzeit-Richter im Fokus der Weltöffentlichkeit

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat dafür einen ausserordentlichen Staatsanwalt eingesetzt: Stefan Keller (44). Der Teilzeitrichter aus Obwalden steht damit auf einen Schlag im Fokus der Weltöffentlichkeit. Keller hat sich denn auch auf den Fall gestürzt und bereits erste Schritte unternommen. Das Problem: Mit ihrem Übereifer könnten die AB-BA und Keller das gesamte Verfahren gefährden.

Stefan Keller soll prüfen, ob sich der ehemalige Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa-Boss Gianni Infantino strafbar gemacht haben.
Foto: Keystone
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Denn bis heute ist Keller gar nicht offizieller Sonderermittler des Bundes – und damit noch nicht befugt zu ermitteln. Zwar wird er von der Gerichtskommission des Parlaments zur Wahl empfohlen. Die Wahl erfolgt aber erst am 23. September. Bis dahin gibt es auch keinen offiziellen Auftrag für ein Strafverfahren.

«Wir hatten schon genügend Flops»

Mittlerweile sind selbst im Parlament Bedenken aufgekommen. SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (54) will vom Bundesrat wissen, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht. Er selbst hat seine Zweifel. «Es entsteht der Eindruck, als sei Keller schon kräftig am Ermitteln», sagt er. Dies wäre mehr als heikel, schliesslich sei Keller noch nicht gewählt. «Mein Bauchgefühl sagt mir hier: Vorsicht!» Büchel warnt: «Wir hatten in den letzten Jahren rund um die Bundesanwaltschaft genügend Flops. Einen weiteren können wir uns nicht leisten.»

Selbst in der Gerichtskommission gibt es Unsicherheiten. Die Parlamentarier wissen nicht, ob und welche Schritte Keller bisher unternommen hat. «Die Gerichtskommission ist erst für sein Mandat zuständig, wenn er vom Parlament offiziell gewählt ist», stellt Präsident Andrea Caroni (40) klar.

Keller kann nicht warten

Tatsächlich aber soll Keller bereits mehrere heikle Schritte getan haben, die ihm als Verfahrensfehler um die Ohren gehauen werden könnten. So soll der Sonderermittler bereits Anfang August bei der Bundesanwaltschaft um Amtshilfe ersucht haben, um Informationen über Lauber zu erlangen. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte ihn die AB-BA lediglich damit beauftragt, die Anzeigen zu prüfen und zu entscheiden, ob er die Aufhebung von Laubers Immunität empfiehlt. Weiter soll Keller Amtshandlungen aus den Ferien im Ausland getätigt haben, was ebenfalls nicht rechtens sein könnte.

Und das ist noch nicht alles. Gegen Fifa-Boss Infantino hat Keller sogar schon offiziell ein Strafverfahren eröffnet. Aus Sicht der Fifa ist das unzulässig. Er dürfe erst als gewählter ausserordentlicher Bundesanwalt ein Verfahren gegen Lauber eröffnen, sind deren Anwälte überzeugt. Erst im Anschluss könnte dieses auf die Privatperson Infantino ausgeweitet werden.

Indem sie die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Infantino per Medienmitteilung öffentlich gemacht hat, könnte die Aufsichtsbehörde AB-BA zudem laut Fifa eine Amtsgeheimnisverletzung begangen haben.

Fifa prüft rechtliche Schritte

Die Aufsichtsbehörde AB-BA geht auf Fragen von BLICK gar nicht erst ein, leitet diese direkt an Keller weiter. Dieser verweist wiederum an die Gerichtskommission des Parlaments, die bis zur offiziellen Wahl aber eben nicht zuständig sein will. Zu einzelnen Verfahrenshandlungen könne derzeit nichts gesagt werden, erklärt Sonderermittler Keller mit Verweis auf das «laufende Verfahren». Dabei dürfte es dieses ja noch gar nicht geben.

Das Vorgehen des Sonderermittlers wirft jedenfalls Fragen auf. Der Weltfussballverband bringt sich bereits in Stellung. «Keller hat mehrere Amtshandlungen begangen, die einfach nicht gehen und welche die Frage nach seiner Kompetenz aufkommen lassen», sagt ein Fifa-Anwalt. «Wir erwägen natürlich sämtliche juristischen Schritte, um offensichtliche Verfahrensfehler zu rügen.»

Solange Keller nicht gewählt ist, sei die Eröffnung einer Strafuntersuchung nichtig. Damit seien sämtliche Untersuchungshandlungen illegal, zeigt sich die Fifa überzeugt: «Keller müsste nach seiner Wahl ein neues Verfahren eröffnen. Das würde aber nicht gerade zu seiner Glaubwürdigkeit beitragen.» In der Affäre droht die nächste Blamage.

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