Linke, Grüne und Gewerkschaften starten Referendum
Auftakt zum Kampf um AHV

«Hände weg von unseren Renten!» So lautet das Motto der Referendumsführer gegen die AHV-Reform. Es markiert der Auftakt im Kampf an der Urne um die Ausrichtung der Altersvorsorge.
Publiziert: 04.01.2022 um 11:15 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2022 um 13:20 Uhr
Ruedi Studer

«Hände weg von unseren Renten!» Rund 15'000 Menschen demonstrierten unter diesem Motto Ende September in Bern gegen bürgerlichen Rentenpläne. Genützt hat es nichts. Die Bürgerlichen brachten die AHV-Reform in der Wintersession durch. Frauen sollen künftig bis 65 Jahren arbeiten. Auch der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) drückten die Bürgerlichen im Nationalrat ihren Stempel auf.

Nach der Demo im Herbst gehen Linke, Grüne und Gewerkschaften erneut auf die Strasse. Diesmal zum Unterschriftensammeln. Bis am 7. April haben sie Zeit, die benötigten 50'000 Unterschriften zusammenzubringen. Eine Formsache. Hinter dem Referendum steht ein breites Bündnis, das «erbitterten Widerstand» gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters leisten wird, wie es am Dienstag an einer Medienkonferenz zum Auftakt der Sammelkampagne klar machte.

AHV-Rente reicht nicht zum Leben

«Niemand kann heute in der Schweiz nur von der AHV-Rente leben», betonte Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (53, VD) an der Medienkonferenz. Eine AHV-Einzelrente beträgt zwar bis zu 2390 Franken monatlich. Doch die Realität sieht für viele anders aus: Die mittlere AHV-Rente betrug 2019 für Frauen gerade mal 1770 Franken.

Im September demonstrierten in Bern rund 15'000 Menschen gegen die bürgerlichen Renten-Pläne. Ein höheres Frauenrentenalter kommt für sie nicht in Frage.
Foto: keystone-sda.ch
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«Billige Propaganda zulasten eines Sozialwerks»
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Kritik an AHV-Referendum:«Billige Propaganda zulasten eines Sozialwerks»

Auch die Pensionskasse hilft oft wenig: «Noch immer erhält fast ein Drittel der Frauen gar keine Rente aus der 2. Säule. Und sofern sie eine Pensionskasse haben, ist sie nur etwa halb so hoch wie die Pensionskassen-Rente der Männer», so Maillard. Die mittlere Pensionskassen-Rente der Frauen lag 2019 bei 1160 Franken pro Monat. «Diese Renten sind zu tief, eine Verschlechterung ist deshalb inakzeptabel.»

Rentenlücke von 37 Prozent

Kämpferisch zeigte sich auch Travailsuisse-Präsidentin und Grünen-Nationalrätin Léonore Porchet (32, GE). Sie machte auf die in vielen Bereichen noch immer bestehende Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern aufmerksam, die sich auch auf die Renten auswirke. So zeigen Zahlen des Bundes eine Rentenlücke von 37 Prozent zwischen den Geschlechtern. Das sind rund 20'000 Franken pro Jahr. Kommt hinzu, dass jede zehnte Rentnerin auf Ergänzungsleistungen angewiesen ist.

«Für viele Frauen ist der Ruhestand gleichbedeutend mit Armut», sagte Porchet. Es dürfe nicht sein, dass die zentrale Massnahme einer Reform der Altersvorsorge darin bestehe, das Rentenalter der Frauen zu erhöhen, obwohl die massive Rentenungleichheit zulasten der Frauen weiterbestehe.

«Die Erhöhung des Rentenalters für Frauen ist inakzeptabel», so die Gewerkschafterin. «Dieses Referendum ist also eine Gelegenheit für die Bevölkerung, daran zu erinnern, dass nur der solidarische Weg für unser Rentensystem in Frage kommt. Es ist auch eine Gelegenheit für Frauen und Männer, sich gegen die verschiedenen Bestrebungen zu wehren, das Rentenalter für alle zu erhöhen.»

Kaskade von Renten-Abstimmungen

Das AHV-Referendum markiert den Auftakt zu einer ganzen Kaskade von Renten-Abstimmungen in den kommenden Jahren:

AHV-Abstimmung als Gradmesser

Die AHV-Abstimmung im September wird ein erster Gradmesser in der laufenden Renten-Schlacht sein. Das ist auch den Gewerkschaften klar. Die Altersvorsorge befinde sich an einem Scheideweg, so Maillard. Der Kampf gegen die jetzige AHV-Reform sei erst der Anfang einer grösseren Auseinandersetzung.

«Der Gewerkschaftsbund wird deshalb 2022 mit einer klaren Opposition und einem entschlossenen Engagement für eine starke AHV und gegen jeden Rentenabbau kämpfen», betonte der SP-Nationalrat. «Denn in der Schweiz hat es genug Geld für anständige Renten – nicht nur für die Top-Verdiener.»


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