Mit diesen Leuten muss Susanne Wille die SRG-Initiative bekämpfen
Das Netzwerk der neuen SRG-Direktorin

Die designierte Direktorin muss die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) durch die grösste Herausforderung ihrer Geschichte führen.
Publiziert: 27.06.2024 um 20:47 Uhr
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Marc Kowalsky
Bilanz

Jeweils einstimmig wurde Susanne Wille (50) von den 40 Delegierten und den elf Mitgliedern des Verwaltungsrats als neue SRG-Direktorin gewählt. Seit der Ankündigung im Januar, der angeschlagene Amtsinhaber Gilles Marchand werde zum 1. November seinen Posten räumen, galt die langjährige Moderatorin und heutige Kulturchefin von SRF als haushohe Favoritin auf seine Nachfolge. Weshalb sich im Lauf der letzten Wochen alle kolportierten Gegenkandidaten (u.a. SRF-Chefin Nathalie Wappler, Ringier-Schweiz-Lenkerin Ladina Heimgartner, CH-Media-Chefredaktor Patrik Müller oder SRG-Geschäftsleitungsmitglied Bakel Walden) selber aus dem Rennen nahmen und Wille am Schluss die einzige Kandidatin war.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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In der 93-jährigen Geschichte der SRG ist sie nun die erste Frau an der Spitze. Ihr traut man ehesten zu, in der Bevölkerung die nötige Unterstützung zu sammeln, um die Halbierungsinitiative der SVP abzuwehren. Doch auch wenn das gelingt, wird sie das Kostenmesser ansetzen müssen: Die Fernsehnutzung sinkt kontinuierlich, die Werbeeinnahmen ebenso. 2027 stehen Verhandlungen für die neue Konzession an, und die Digitalisierung geht natürlich auch weiter. Gewaltige Aufgaben also für die sechssprachige Journalistin. Doch in ihrer Karriere hat sie bewiesen: Wo ein(e) Wille ist, ist auch ein Weg.

Die Verbündeten

Im Kampf gegen die 200-Franken-Initiative ist neben SRF-Direktorin Nathalie Wappler SRG-VR-Präsident Jean-Michel Cina intern der wichtigste Verbündete. Auch die ehemalige De-Sede-Chefin Alice Sachowa-Kleisli sitzt im Gremium. Extern kann Wille auf den Support der «Allianz Pro Medienvielfalt» zählen, deren Co-Präsidium gleich 45 Namen umfasst, etwa die Zürcher Ständerätin Tiana Moser (GLP) oder den Bündner Nationalrat Martin Candinas (Die Mitte). Auch die «Operation Libero» unter Stefan Manser-Egli und Sanija Ameti ist auf Willes Seite, ebenso die grösste Schweizer Mediengewerkschaft SSM unter Salvador Atasoy und Rafaël Poncioni.

Susanne Wille, langjährige Moderatorin und heutige Kulturchefin von SRF, wird SRG-Direktorin.
Foto: keystone-sda.ch
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Zu ihrem persönlichen Netzwerk gehören ABB-Schweiz-Chefin Nora Teuwsen, mit der sie im Host Committee des Women’s Summit 2019 in Basel war, ausserdem Simona Scarpaleggia, ehemalige CEO Ikea Schweiz und ebenso wie Wille Teil der Jury für den SEF Women Award, sowie Peter Stähli und Stefan Linder, Gründer des Swiss Economic Forum, das sie mehrmals moderierte.

Die Familie

Wille stammt aus Villmergen AG, ist das mittlere von drei Kindern. Ihr Vater Franz Wille war Lehrer, sass 20 Jahre lang für die CVP im Aargauer Kantonsparlament und leitete die Abteilung Volksschule im Erziehungsdepartement. Die verstorbene Mutter Rosmarie Wille-Egloff war Logopädin. Seit 19 Jahren ist Wille mit Ex-«Tagesschau»-Sprecher Franz Fischlin verheiratet, heute Initiant von YouMedia zur Förderung der Medienkompetenz Jugendlicher. Zusammen haben sie drei Kinder: Enea Lovis (2005), Yannis (2006) und Louna-Maria (2011), hinzu kommen zwei erwachsene Kinder Fischlins aus erster Ehe. Die Familie lebt in Boniswil AG am Hallwilersee, wo Wille das ganze Jahr über schwimmen geht. Zudem joggt und tanzt sie und verschlingt kiloweise Bücher.

Die Karriere

Im Nachhinein sieht es so aus, als hätte Wille ihren Weg an die SRG-Spitze zielstrebig geplant: Mit 17 ging sie nach Kalifornien, um einen Highschool-Abschluss zu machen, ihr Studium (erst Journalismus in Fribourg, dann Geschichte und Anglistik in Zürich) finanzierte sie mit Einsätzen als Flight Attendant bei der Swissair. Der Berufseinstieg als Videojournalistin gelang 1999 beim Regionalsender Tele M1 von Peter Wanner, zwei Jahre später wechselte sie zu SRF als Moderatorin von «10 vor 10» unter Martin Hofer. 2011 wurde sie Bundeshaus-Korrespondentin und arbeitete für die «Rundschau». 2017 kehrte sie zu «10 vor 10» zurück. Zudem war sie – mit gemischtem Erfolg – für den Umbau der News-Organisation zuständig. Gleichzeitig bildete sie sich an der Harvard Business School und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Digitalstrategien und Change Management weiter, später auch am IMD in Lausanne. Im Frühling 2020 beförderte sie SRF-Direktorin Nathalie Wappler zu ihrer Stellvertreterin, zur Kulturchefin und in die Geschäftsleitung. In der Kulturabteilung schob Wille neue Formate an, sowohl im Internet («rec.», «Pulse Check») wie auch im TV («Tschugger», «Davos 1917»). Gleichzeitig musste sie eine Reorganisation und ein Sparprogramm durchziehen.

Der Kulturkreis

Als Kulturchefin von SRF ist Wille in der Kulturszene breit vernetzt. Bestens bekannt ist sie etwa mit Marco Solari, dem früheren Präsidenten des Locarno Film Festival, da sie für die Förderung des Schweizer Films bei SRF zuständig ist. Auch Schriftsteller Klaus Merz oder der Musiker Jan Dettwyler alias Seven gehören zu ihrem Netzwerk. Letzterer besuchte, wie Wille, die Bezirksschule Wohlen. Rapper Marco Bliggensdorfer alias Bligg schrieb 2007 gar einen schmachtenden Song für sie («Susanne»). Wille ist Mitglied in einem Literaturzirkel aus Absolventen der Managementschule IMD. Als sie im Rahmen des Sparprogramms auf SRF 2 Kultur die Sendung «52 beste Bücher» aus dem Programm nahm, protestierte das Who’s who der Schweizer Literaturszene: Autoren wie Martin Suter, Sibylle Berg, Dorothee Elmiger, Christian Kracht, Peter Stamm oder Jonas Lüscher unterzeichneten einen offenen Brief gegen den Entschluss an Willes Chefin Wappler.

Die Gegenspieler

Anders als viele ihrer Journalistenkollegen ist Wille nie angeeckt. Doch nun kommt massiver Gegenwind auf sie zu: Nach dem Scheitern der «No Billag»-Initiative 2018 hat SVP-Nationalrat Thomas Matter eine weitere Initiative gestartet, nun mit dem Versuch, die SRG-Gebühr von 335 auf 200 Franken jährlich zu senken. FDP-Präsident Thierry Burkart liebäugelt mit einer Unterstützung, seine Partei wirft dem Fernsehen vor, linken Thesenjournalismus zu machen und «bösartig, verleumderisch und tendenziös» geworden zu sein. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister erwägt ein Ja zur Initiative. Medienminister Albert Rösti ist mit seinem Senkungsvorschlag auf 300 Franken gemässigter, macht aber auch klar, dass er für die Jammerei von Willes Vorgänger Marchand bezüglich der Sparvorgaben kein Musikgehör habe.

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