Mitschuld am CS-Crash?
Finma und SNB teilen gegeneinander aus

Wer trägt Mitschuld am Crash der Credit Suisse? Zwischen der Finma und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) tauchen in der Frage sichtbare Differenzen auf.
Publiziert: 08.01.2024 um 17:13 Uhr
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Holger Alich
Handelszeitung

Im neuen Jahr wird die Aufarbeitung des Credit-Suisse-Zusammenbruchs durch die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) an Fahrt aufnehmen. Sie soll untersuchen, wie die Zusammenarbeit zwischen der Finanzaufsicht (Finma), der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und dem Bund in der CS-Krise gelaufen ist. Beobachterinnen schliessen nicht aus, dass die PUK am Ende personelle Konsequenzen fordern könnte. Entsprechend ist die Nervosität bei den Beteiligten gross.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Vor diesem Hintergrund fällt Bankenaufsichtsexperten auf, wie sich gerade die Aufsicht Finma und die SNB in Interviews und in Stellungnahmen mehr oder weniger verdeckt mit Kritik eindecken. Die deutlichste Salve stammt hierbei von der Notenbank.

Die SNB zeigt auf die Finma

Ein Artikel in der «Sonntagszeitung» vom 17. Dezember beschäftigt sich mit dem Vorwurf, ob die SNB der CS nicht früher und stärker mit Liquidität hätte beispringen müssen, um die Krise noch zu entschärfen. Laut dem Bericht warnte die Finma die SNB schon im Herbst 2021, dass die Kriterien, unter denen die Notenbank einer notleidenden Bank Kredite gibt, zu restriktiv seien. 

Die Rolle von SNB-Chef Thomas Jordan ...
Foto: keystone-sda.ch
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Darauf angesprochen, betont die SNB in dem Bericht, dass «die Credit Suisse das bei der Nationalbank und bei anderen Zentralbanken vorhandene Potenzial für Liquiditätshilfen mit ihrer Vorbereitung bei weitem nicht ausgeschöpft hatte». Dafür trage auch die Aufsicht Verantwortung: «Die Liquiditätsplanung einer Bank für den Krisenfall wird von der Finma überwacht und nicht von der SNB.»

Solch unverhohlene Kritik der Notenbank an der Finma sei schon sehr ungewöhnlich, kommentiert ein Finma-Insider. Ein SNB-Beobachter meint dagegen, dass ein Verweis auf die jeweiligen Zuständigkeiten noch keinen Angriff darstelle. 

Die CS hatte ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft

Auf den Punkt der mangelnden Liquiditätsplanung hatte schon SNB-Direktoriumsmitglied Martin Schlegel bei einem Vortrag am 9. November 2023 in Basel hingewiesen. Darin erklärte er das Konzept des «Lender of Last Resort», also die Rolle der Notenbank als Kreditgeber in der Krise, um Banken zu stabilisieren. Demnach gebe die Notenbank einer Bank nur dann Kredite, wenn das Institut ausreichend Sicherheiten dafür hinterlegen könne. 

«Die Credit Suisse hatte nicht alle infrage kommenden Sicherheiten für eine Übertragung an die Nationalbank oder andere Zentralbanken vorbereitet», erklärte Schlegel laut dem auf der SNB-Seite einsehbaren Redemanuskript. Um einen Crash zu verhindern, sei es dann nötig gewesen, dass die Notenbank die per Notrecht geschaffene Liquiditätshilfe ELA+ gewährte; diese Kredite sind aber nur mit einem Konkursprivileg gesichert und stellen daher einen Tabubruch dar. 

War dieser Sündenfall also nötig, weil die Finma vorher ihren Job nicht gemacht und nicht sichergestellt hatte, dass die CS alle verfügbaren Wertpapiere parat hatte, um diese als Sicherheiten einreichen zu können?

Finma-Präsidentin Marlene Amstad hat bisher auf eine Frontalattacke an die Adresse der SNB verzichtet. Doch die Behörde wehrt sich. Denn im Finma-Bericht zur Aufarbeitung der CS-Krise von Dezember schiebt sie die Verantwortung dezent an die Notenbank zurück: Demnach waren SNB-Vertreter seit Oktober 2022 – also nach der ersten massiven Welle von Abflüssen – bei den täglichen Besprechungen mit den zuständigen Stellen der CS dabei. «Dabei wurden auch weitere Erwartungen und Vorgaben zum Liquiditätsrisikomanagement der CS thematisiert», schreibt die Finma. Sprich, wenn die SNB mit den zur Verfügung stehenden Sicherheiten der CS ein Problem hatte, hätte sie ausreichend Gelegenheit gehabt, das Problem bei den täglichen Briefings zu thematisieren.

Jede Institution schaut nur auf sich selbst

Finma und SNB haben in dieser Frage das Heu also ganz offensichtlich nicht auf derselben Bühne. Dass die Finma die Zusammenarbeit mit der SNB offenbar nicht für optimal hält, lässt sich zudem aus den Interviews herauslesen, welche die Finma-Präsidentin Amstad gegeben hat. Denn stets verweigerte sie eine klare Aussage zu dem Thema. Stattdessen verwies sie darauf, dass es nun Aufgabe der PUK sei, «die Zusammenarbeit der Behörden zu bewerten», wie sie es zum Beispiel Ende Dezember in der «Schweiz am Wochenende» formulierte.

Dagegen hat die vom Bund eingesetzte Expertenkommission eine ganz klare Meinung: Das Zusammenspiel von Bund, SNB und Finma sei verbesserungswürdig. Denn die in einem Memorandum of Understanding organisierte Krisenkooperation der drei Parteien sei «beunruhigend wenig institutionalisiert». So seien die drei Player nicht verpflichtet, ihre autonomen Entscheide zu koordinieren. Es fehle eine gemeiname Verantwortlichkeit. 

Da die SNB nicht dazu gezwungen werden könne, Krisenbanken Geld zu geben, habe die Notenbank damit de facto ein Vetorecht in dieser Frage. Daher sei eine Reformüberlegung, ob die Finma ein Weisungsrecht in Sachen Notliquidität gegenüber der Notenbank bekommen solle – womit die Unabhängigkeit der SNB geritzt wäre. So weit will nicht einmal die Finma in ihren Forderungen gehen. In Sachen CS-Krise dürfte aber nicht nur die Finma, sondern auch die SNB einige unangenehme Fragen von der PUK beantworten müssen. 

Die Finma und die SNB wollten zu dem Thema keinen Kommentar abgeben. 

Mehr zu diesem Thema im Kommentar der «Handelszeitung»: Die Finma selbst hat Reformbedarf. 

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