Mitten in der Corona-Krise
Zürcher starten neuen Anlauf für bedingungsloses Grundeinkommen

Zürich soll zum Versuchslabor für ein bedingungsloses Grundeinkommen werden, fordert eine neue Initiative. Unter den Unterstützern findet sich auch ein Prominenter.
Publiziert: 02.11.2020 um 11:15 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2021 um 17:50 Uhr
Lea Hartmann

Mitten in der Corona-Krise sei nicht die Zeit für Experimente. Mit diesem Argument kämpfte Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) vor einigen Monaten für ein Nein zur Begrenzungs-Initiative der SVP – mit Erfolg.

Genau das Gegenteil behaupten einige Zürcherinnen und Zürcher. «Die Zeit ist reif für Experimente», so die Überzeugung einer Gruppe lokaler SP-, GLP- und FDP-Politikerinnen und -Politiker sowie mehrerer Parteiloser. Sie haben sich zu einem Komitee zusammengeschlossen, das einen neuen Anlauf zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens nimmt.

Im Minimum 500 Personen sollen in der Stadt Zürich während mindestens drei Jahren ein existenzsicherndes Einkommen erhalten, ohne dafür arbeiten zu müssen. Der Betrag sinkt, je mehr jemand verdient. Bezahlt werden soll das Ganze von der Stadt. Der Text für eine entsprechende städtische Volksinitiative steht. In einem ersten Schritt sucht das Komitee nun via Online-Sammelplattform Wecollect 300 Personen, die sich verpflichten, bei der Unterschriftensammlung zu helfen. 3000 Unterschriften sind in der Stadt Zürich für die Lancierung einer Initiative notwendig.

2016 scheiterte eine Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Foto: Keystone
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Dieses Mal solls nur ein Test sein

Bisher sind alle Versuche zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens beziehungsweise Pilotversuche dazu gescheitert. 2016 schmetterte die Stimmbevölkerung eine nationale Volksinitiative mit 77 Prozent Nein-Stimmen ab. Ein Projekt in der Zürcher Gemeinde Rheinau erlitt zwei Jahre später schon in der Crowdfunding-Phase Schiffbruch.

Doch die Befürworter geben nicht auf. In Zürich will man es nun noch einmal versuchen – obwohl die nationale Initiative vor vier Jahren selbst in der linken Stadt keine Chance hatte. Im Unterschied zu jenem Volksbegehren geht es nun aber erst einmal nur darum, ob das Grundeinkommen zeitlich beschränkt getestet werden soll. Der Versuch soll wissenschaftlich begleitet werden.

Knackeboul ist mit an Bord

Zu den Initianten gehören nicht nur Linke, sondern unter anderem auch Nicola Forster (35), Co-Präsident der GLP des Kantons Zürich. Ein weiteres Mitglied des Zürcher Komitees ist Rapper und Moderator David Kohler (38) alias Knackeboul.

Das Komitee glaubt, dass sie mit ihrer Initiative in der Bevölkerung gerade jetzt einen Nerv treffen. «Die Krise zeigt auf, dass finanzielle Sicherheit heute nicht gewährleistet werden kann», sagt Lara Can (22), Mitinitiantin und ehemalige Präsidentin der Stadtzürcher Juso. Doch gerade finanzielle Sicherheit ist aus Sicht der Initianten für ein «angstfreies und erfülltes Leben» zentral.

Sie sagen, mit dem Projekt Fakten schaffen zu wollen. Unter anderem soll beispielsweise geklärt werden, wie hoch ein Grundeinkommen sein sollte und was es bei den Menschen bewirkt. Was, wenn sich zeigen sollte, dass es keine positiven Effekte hat? Can beteuert: «Wir sind vollkommen ergebnisoffen.»


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