Nach AHV-Milliarden-Verrechner
Die grössten Zahlen-Pleiten des Bundes

Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich kräftig verkalkuliert: Der AHV geht es besser als bisher angenommen. Der Fehler stösst bei der Politik auf Unverständnis bis Empörung. Es ist aber bei weitem nicht die einzige Pleite der Verrechner vom Dienst.
Publiziert: 06.08.2024 um 17:05 Uhr
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Aktualisiert: 06.08.2024 um 17:40 Uhr

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) sorgt für Kopfschütteln: Seit Jahren hat es sich bei den Prognosen für die AHV-Finanzierung verrechnet – und damit möglicherweise sogar Volksabstimmungen verfälscht. Fakt ist: Der AHV geht es besser als bisher angenommen. Es ist eine der gröberen Pannen, die den Zahlenakrobaten des Bundes in den letzten Jahren passiert ist – aber bei weitem nicht die einzige. Blick zeigt die grössten Pleiten bei den eidgenössischen Erbsenzählern.

Parlamentswahlen

Zur Peinlich-Pleite ist es schon im letzten Herbst gekommen. Nach den Parlamentswahlen im Oktober hatte das Bundesamt für Statistik (BFS) die Parteistärken falsch berechnet. Die Mitte-Partei hatte bereits frohlockt, musste dann aber zur Kenntnis nehmen, dass sie doch nicht drittstärkste Partei geworden ist, sondern immer noch 0,2 Prozentpunkte hinter der FDP liegt. Sogar das Amt selber sprach damals von der bisher «grössten Panne».

Heiratsstrafe

Peinlich wurde es für den Bund auch 2016. Knapp hatte das Stimmvolk eine Initiative der damaligen CVP zur steuerlichen Heiratsstrafe abgelehnt. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass im Abstimmungsbüchlein falsch informiert worden war: Statt wie darin aufgeführt 80'000 waren deren 450'000 von der Heiratsstrafe betroffen. Das Bundesgericht hob den Volksentscheid deshalb später auf.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) musste eine Bombe platzen lassen: Fehler in den Berechnungen der AHV-Finanzperspektiven!
Foto: keystone-sda.ch
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Ausschaffungen

Ein wahres Zahlen-Chaos gab es mit der Statistik über die Ausschaffungen von kriminellen Ausländern. Erst hatten 2018 die Zahlen des BFS nicht mit den Zahlen der Kantone übereingestimmt – weil das Amt auch Delikte miteinbezogen hatte, die gar nicht zu den Katalogtaten gehören, die eine zwingende Ausschaffung zur Folge haben. Zwei Jahre später, als man die richtigen Zahlen publizierte, kam es wieder zu Fehlern. Gerade die Initianten der Ausschaffungs-Initiative von der SVP waren erbost und forderten Konsequenzen.

Unternehmenssteuerreform II

Grob verschätzt hatte sich der Bund auch bei der Unternehmenssteuerreform II, der die Stimmbevölkerung 2008 ganz knapp zugestimmt hatte. Im Abstimmungsbüchlein hatte der Bundesrat mit Steuerausfällen von 83 Millionen Franken beim Bund und rund 850 Millionen bei den Kantonen gerechnet. Später zeigte sich, dass die Ausfälle viel höher waren – innert zehn Jahren etwa 6 Milliarden Franken, wie der Bundesrat später zugeben musste.

Neat-Abstimmung

Drastische Folgen für unsere direkte Demokratie hätte der Fehler von 1992 haben können. Das BFS verzählte sich bei der Unterschriftenprüfung für das Neat-Referendum. Die Folge: Die Bundeskanzlei gab bekannt, das Referendum sei nicht zustande gekommen. Doch das stimmte nicht, wie eine Nachzählung auf Druck des Referendumskomitees ergab. Der Fehler führte zu einer Administrativuntersuchung, einer Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft – und zu mehr Arbeit für die Bundeskanzlei: Denn seither muss sie die Unterschriften zählen.

Teuerungszahlen

Im Jahr 2000 machten die Verrechner vom Dienst uns das Leben viel zu teuer: Weil das BFS beim Heizöl die Menge statt den Preis als Basis zur Berechnung der Teuerung herangezogen hatte, wies das Amt die Teuerung über Monate viel zu hoch aus. Auch das blieb nicht ohne Folgen: Die übertriebene Teuerung beeinflusste die Lohnverhandlungen in vielen Branchen und stellte sogar die Geldpolitik der Nationalbank auf den Prüfstand.

Jugendherbergen

Nur ein Jahr später gaben die Bundesbeamten die Logiernächte in den Jugendherbergen falsch an. Statt eines Rückgangs von über zehn Prozent im Januar 2001 – wie vom BFS errechnet –, konnten sich die Jugis in Tat und Wahrheit über eine Zunahme von mehr als elf Prozent freuen. Das BFS gestand den Fehler ein – eine falsche Formel im Rechnungsprogramm sei schuld gewesen.

Schusswaffen

2011 handelte sich das Amt mit seinen Rechenkünsten gar den Vorwurf ein, politisch Einfluss zu nehmen: Kurz vor der Abstimmung über die Waffenschutz-Initiative behauptete es, die Zahl der Suizide mit Schusswaffen sei gesunken und Armeewaffen seien nur bei 17 Prozent der Selbstmorde verwendet worden. Experten zweifelten die Zahlen rasch an. Auch, weil das BFS zwischen Faustfeuerwaffen und Pistolen unterschied – faktisch die gleiche Art Waffe.

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