«Die Lage hat sich überhaupt nicht beruhigt»
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Bankengewerkschafterin zur CS:«Die Lage hat sich überhaupt nicht beruhigt»

Natalia Ferrara kämpft für Credit-Suisse-Personal und will nach Bern
Sie lehrt Ermotti das Fürchten

Das Credit-Suisse-Beben hat Natalia Ferrara ins nationale Rampenlicht gerückt. Die Tessinerin ist Geschäftsführerin des Bankenpersonalverbands und setzt die CS-Mitarbeitenden in den Fokus der Krise.
Publiziert: 31.03.2023 um 18:20 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Natalia Ferrara hat nur wenig geschlafen, seit das Credit-Suisse-Beben die Schweiz erschüttert hat. Als Geschäftsführerin des Bankenpersonalverbands steht die 40-Jährige mitten im Sturm. Sie hat sich in unzähligen Gesprächen die Sorgen der Bankangestellten angehört, Kontakte mit Politikern geknüpft – und vor allem für die Anliegen der CS- und UBS-Mitarbeitenden geworben.

«Es ist unglaublich: Tagelang wird über Milliarden gesprochen, aber nicht über die Menschen, die um ihren Arbeitsplatz zittern», wettert sie. «Die Mitarbeiter müssen endlich in den Mittelpunkt gestellt werden.»

FDP-Politikerin im Tessin

Ferrara tönt in diesen Tagen wie eine in der Wolle gefärbte Linke. Eine Gewerkschafterin, die auf die Barrikaden geht. Dass sie in einer italienischen Arbeiterfamilie aufgewachsen ist, passt ins Bild. Bloss: Ferrara politisiert für den Freisinn. Seit 2015 sitzt sie für die FDP im Tessiner Kantonsparlament.

Natalia Ferrara setzt sich als Geschäftsführerin des Bankenpersonalverbands für die CS-Mitarbeitenden ein.
Foto: Philippe Rossier
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«Das ist kein Widerspruch!», wehrt sie sich. «Es geht um Gerechtigkeit. Zur Wirtschaftsfreiheit gehört Verantwortung.» Gerechtigkeit war für sie schon ein wichtiges Thema, als sie als Staatsanwältin für Wirtschafts- und Finanzdelikte sowie für die internationale Rechtshilfe zuständig war, bevor sie 2016 zum Bankenpersonalverband wechselte.

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Ferrara geht es aber auch um eine starke Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Angestellten. «Dann braucht es weniger Regeln durch den Staat.»

Attacken von der Lega

Im Tessin gehört die FDP-Grossrätin zur politischen Prominenz. Von der Lega-Zeitung «Il mattino della domenica» wird sie immer wieder attackiert. Dazu gehören auch persönliche Angriffe – etwa, weil sie als Grossrätin schweizerisch-italienische Doppelbürgerin geblieben ist. «Ich bin stolz auf meine Eltern und stolz auf meine doppelte Staatsangehörigkeit», sagt Ferrara bestimmt. «So wie viel andere Menschen in diesem Land auch.»

Politisch zählt Ferrara zum sozialliberalen Flügel der Tessiner FDP. So steht sie etwa aufgrund der speziellen Grenzgängersituation für eine Erhöhung des kantonalen Mindestlohns ein. Ebenso für mehr Kita-Plätze, denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für die zweifache Mutter – ihre Kinder sind zwei Jahre und sechs Monate alt – ein wichtiges Anliegen. Sie macht sich stark dafür, dass auch Kaderleute mehr Teilzeit arbeiten können.

Und schon vor der Corona-Pandemie hat sie sich für mehr Homeoffice eingesetzt. «Mein Fokus dreht sich um Arbeit, Arbeit, Arbeit – ich will gute Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen.»

Sondermassnahmen für CS-Personal

Das gilt auch in der jetzigen Krise. Die CS-Übernahme durch die UBS könnte Tausende Stellen kosten. Für die Angestellten fordert Ferrara einen Rettungsschirm. Dazu gehören ein Kündigungsstopp bis Ende Jahr, ein ausgebauter Sozialplan, Unterstützung bei der Stellensuche, keine Entlassungen von über 55-Jährigen oder Frühpensionierungen. Der alte und neue UBS-Chef Sergio Ermotti (62) wird sich warm anziehen müssen.

Umso mehr ärgert sich Ferrara darüber, dass die Mitarbeiter-Perspektive an der ausserordentlichen Session Mitte April kaum ein Thema zu sein scheint. «Man kann doch nicht mit Notrecht und staatlichen Garantien eine Bank retten, ohne an die Angestellten zu denken», ärgert sie sich.

«Es braucht nun Sondermassnahmen», sagt sie. «Der Verpflichtungskredit muss an Bedingungen geknüpft werden, damit möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben.» So könne eine Restrukturierung etwa über einen längeren Zeitraum gestreckt werden, um den Mitarbeitenden mehr Zeit zu geben und die Folgen auch für die Allgemeinheit abzufedern. «Die grosse Mehrheit des Bankpersonals sind ganz normale Angestellte», sagt Ferrara, «und keine abgehobenen Banker mit riesigen Löhnen und Boni, wie es in der Öffentlichkeit oft heisst.»

Kommt der Sprung nach Bern?

Das Banken-Beben hat die Tessinerin ins nationale Rampenlicht gerückt. Dass sie, die in Basel Jus studiert hat, sehr gut Deutsch spricht, ist dabei ein Vorteil. Gut möglich, dass sie auch schon bald auf der nationalen Politbühne eine Rolle spielen wird. 2019 schaffte sie es bei den Nationalratswahlen auf den ersten Ersatzplatz auf der FDP-Liste. Bei den Wahlen im Herbst dürfte sie einen neuen Anlauf wagen.

Dann vielleicht sogar als Bisherige. Wird nämlich die Tessiner SP-Ständerätin Marina Carobbio Guscetti (56) am Sonntag in die Kantonsregierung gewählt, ist eine Ersatzwahl fällig. Sollte einer der Tessiner FDP-Nationalräte den freien Sitz erobern, würde Ferrara in den Nationalrat nachrutschen.

Mit «Glück»-Tattoo

Vielleicht hilft ihr dabei ja auch das Tattoo auf ihrem Unterschenkel: das chinesische Symbol für «Glück». «Ich mag Tattoos», sagt sie lachend. Und fügt ernst hinzu: «Glück brauchen wir nun vor allem für die Situation rund um die Credit Suisse – dafür geben wir unser Bestes.»

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