Olma-Chef geht auf die Baustelle und packt an
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Wahlkampf mal anders:Olma-Chef geht auf die Baustelle und packt an

Olma-Direktor auf Baustelle
Paganinis Wahlkampf ist richtig dreckig

Für den Nationalratswahlkampf tauscht Olma-Direktor Nicolo Paganini die Bratwurst mit der Schaufel. Auf Wunsch der Bürger arbeitete der St. Galler auf einer Baustelle: Inmitten von Lärm, Autos – und von Menschen, die fast nicht im Parlament vertreten sind.
Publiziert: 24.08.2019 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2019 um 13:57 Uhr
Tobias Bruggmann

Nicolo Paganini (53) steigt die Leiter hoch, zieht Helm und Brille ab und wischt sich als erstes den Schweiss ab. «Es ist heiss», stöhnt der CVP-Nationalrat. «Nur 19 Grad», korrigiert seine Tochter sofort. Sie hält jede Minute des Baustellenbesuchs mit dem Smartphone fest — nicht für das Familienalbum, sondern für verschiedene Social-Media-Kanäle.

Denn es ist Wahlkampf. Paganini will wieder nach Bern. Dafür führte ihn seine Wahlkampftour schon in die Gassenküche, auf einen Recyclinghof und jetzt zum Strassenbau. «Ich masse mir nicht an, hier die Produktivität zu steigern, ich will in eine andere Lebenswelt eintauchen», sagt der Mann, der sonst eher mit Landwirten und Bratwürsten zu tun hat – Paganini ist Olma-Direktor.

Nur vier Handwerker im Parlament

Die Baustelle ist eine Lebenswelt, die Paganini sonst nur zu sehen bekommt, wenn das Bundeshaus renoviert wird. Denn Bauarbeiter sind in Bundesbern untervertreten, genauso wie viele andere Berufsgruppen. Grösstenteils Juristen, Unternehmer und Berufspolitiker sitzen im Parlament. Handwerker gibt es nur vier, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt.

CVP-Nationalrat Nicolo Paganini besucht im Zuge seiner Wahlkampfaktion «Nicolo probierts» eine Baustelle.
Foto: Tobias Bruggmann
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Er fände es zwar gut, wenn es mehr Handwerker im Parlament gäbe, sagt Paganini. «Am Schluss setzen aber die Wählerinnen und Wähler das Parlament zusammen.» Dennoch wäre es ihm wichtig, dass das Parlament die Gesellschaft abbildet. «Wenn auch nicht auf das Prozent genau.»

Der Beruf spielt keine Rolle

Ein Grund für die Untervertretung der Bauarbeiter sei der Arbeitsrhythmus im Parlament, heisst es auf der wissenschaftlichen Plattform DeFacto, die von mehreren Schweizer Hochschulen getragen wird. «Das Amt auf nationaler Ebene ist mit einem normalen Angestelltenverhältnis kaum mehr zu vereinbaren», steht da. Man müsse zeitlich und örtlich ungebunden arbeiten können.

Ob jemand Jurist oder Bauarbeiter auf dem Wahlzettel zu stehen hat, habe wenig Einfluss auf die Wahlchancen, heisst es auf DeFacto. «Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wirft eine Liste unverändert in die Urne.»

Staubige Schuhe

Nationalrat Paganini wird auf der Baustelle gleich gefordert: Er muss den Boden mit Steinen belegen. Danach werden schwere Rohre mit dem Kran hochgehoben und im Boden versenkt. Paganini packt sofort mit an — auch wenn nicht alles auf Anhieb gelingt: Sein Holzmeter zerbricht. «Der wird mir jetzt vom Lohn abgezogen», witzelt er.

Die Spuren des Arbeitstages zeigen sich an seinen Stiefeln, die mit jeder Minute staubiger werden. Kein Problem für Paganini. Oder doch? Er gesteht, sein Tick sei es, gerne saubere Schuhe zu tragen. Aber: «Das sind Stiefel, die dürfen dreckig werden. Ins Bundeshaus würde ich damit aber nicht.»

Listenplätze kosten Geld

Ein weiterer Grund für die ungleiche Berufsverteilung im Parlament ist das Finanzielle: Bereits ein Listenplatz für die Nationalratswahlen kostet in vielen Fällen Geld. Viel Geld. Bis zu 15'000 Franken muss man zum Beispiel auf den Tisch legen, wenn man für die BDP im Kanton Graubünden kandidiert. Wird ein jemand gewählt, kostet ihn das extra.

Hinzu kommen die Aufwendungen für den Wahlkampf. Paganini rechnet mit 80'000 bis 90'000 Franken – obwohl er vom Status als Bisheriger profitieren kann. «Man muss schon viel machen. Ich bezahle aber nicht alles aus eigener Tasche. Wichtig ist, über ein gutes Beziehungsnetz Spenden sammeln zu können.»

«Jeder fängt mal klein an»

Der Nachmittag geht langsam zu Ende und damit auch der Arbeitstag von Nicolo Paganini. «Das gibt bestimmt einen Muskelkater», befürchtet der 53-Jährige. Doch von den Arbeitern gibt es Lob. «Jeder fängt mal klein an», sagt der Strassenbauer Pascal Bruderer (26). «Er war aber erstaunlich gut für jemanden, der sonst immer im Büro ist und zum ersten Mal auf dem Bau war.»

Für Paganini hat sich der Einsatz gelohnt. «Man bekommt ein anderes Verständnis. Manche Autofahrer sind ungeduldig und nerven sich über das lange Rotlicht ...» Sofort ergänzt die Tochter: «Autofahrer wie du!»

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Für die Ständeratswahlen sind die Kantone zuständig. Bei den Nationalratswahlen arbeiten Bund, Kantone und Gemeinden eng zusammen.

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