Parlamentsaufsicht schaltet sich ein
Zürcher Festplatten-Skandal erreicht das Bundeshaus

Der Zürcher Justizskandal erreicht das Bundeshaus. Die parlamentarische Aufsicht will abklären, inwiefern vom Daten-Leck auch das Justizdepartement und Fedpol betroffen sind. Und Zürcher Politiker verlangen schnelle Aufklärung.
Publiziert: 02.12.2022 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2022 um 09:51 Uhr

Der Skandal um das Zürcher Datenleck zieht weite Kreise – bis ins Bundeshaus. Die für das Justizwesen zuständige Subkommission der Geschäftsprüfungskommission (GPK) wird den Zürcher Justizskandal untersuchen. Das bestätigt deren Präsident Alfred Heer (61) gegenüber Blick.

Man wolle wissen, wie stark vom Datenleck auch das Justizdepartement des Bundes und das Bundesamt für Polizei (Fedpol) betroffen seien, sagt der Zürcher SVP-Nationalrat.

Die Zürcher Justizdirektion hat mutmasslich über Jahre bei der Entsorgung von Computern geschlampt. Festplatten mit unverschlüsselten, höchst sensiblen Daten gelangten ins Zürcher Milieu.

Laptops und Festplatten der Zürcher Justizdirektion landeten im Drogen- und Rotlichtmilieu, weil sie unsachgemäss entsorgt wurden.
Foto: ZVG
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Justizdirektion erklärt sich

Auch in Zürich ist das Bedürfnis nach Aufklärung gross. Am Freitagabend meldete sich die Direktion von SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr (59) mit einer Medienmitteilung zu Wort. Der «Vorfall» habe sich von 2006 bis 2012 ereignet. Noch sei nicht abschliessend klar, welche Datenmenge und welche Art von Daten allenfalls in Umlauf gekommen seien. Die Behörde verweist auf die laufende Strafuntersuchung.

Nachdem die Direktion im November 2020 von dem mutmasslichen Datenleck erfahren habe, habe man unmittelbar Massnahmen eingeleitet. Nebst der Strafuntersuchung wurde eine externe Administrativuntersuchung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse seit Ende März 2021 vorlägen. Was genau die Untersuchung ergeben hat und welche Konsequenzen man daraufhin allenfalls zog, will die Zürcher Justiz weiterhin nicht öffentlich machen.

Ausmass war nicht klar

Ausserdem habe man die GPK des Kantonsrates, die kantonale Datenschutzbeauftragte und die Finanzkontrolle über den Verdacht und die Administrativuntersuchung informiert. Beat Habegger (47), Präsident der kantonsrätlichen GPK bestätigt, dass man von der Justizdirektion die Information erhalten habe, dass es einen Verdacht auf Datenmissbrauch gebe. Er sagt: «Mir war bisher aber nicht bekannt, dass es sich um so sensitive Daten handelt, die in die Hände Dritter gelangten.» Er will der Kommission nun vorschlagen, dass die Angelegenheit nochmals unter die Lupe genommen wird.

«Das ist ganz übel», kommentiert René Isler (63) den Fakt, dass vertrauliche Daten ins Zürcher Milieu gelangten. Der SVP-Kantonsrat, Mitglied der GPK, war bis vor kurzem noch selbst Polizist in Winterthur. Dass offenbar sämtliche Handynummern der Kantonspolizisten nach aussen gelangten, macht ihn fassungslos. «Ich begreife es nicht, dass die Justizdirektion ihre alten Computer angeblich so leichtsinnig jemandem übergibt, ohne Arbeitsvertrag oder Leistungsauftrag. Das würde ja auch privat kein Mensch machen!»

Psychiater wussten von nichts

Isler fordert: «Die Öffentlichkeit muss möglichst rasch informiert werden, ob und was für Daten noch immer im Umlauf sind und was getan wird, um den Umlauf zu stoppen.»

Bisher gar keine Kenntnis vom Datenleck hatten offenbar die Psychiater, deren Gutachten ins Zürcher Milieu gelangten. Mehrere Ärzte, von denen sich psychiatrische Einschätzungen von Beschuldigten in den Unterlagen finden, bestätigen, dass sie darüber nie informiert worden seien.

«Öffentlichkeit muss rasch informiert werden»

Selbst von linker Seite kommt Kritik. Obwohl die heutige Justizdirektion ebenso wie der damals zuständige Regierungsrat Markus Notter (62) der SP angehören. «Sollten sich die Vorwürfe erhärten, scheint sich die damalige Direktion, um es diplomatisch auszudrücken, ungeschickt verhalten zu haben», sagt SP-Kantonsrat Nicola Siegrist (25), Mitglied Justizkommission. Siegrist stellt klar: Schützenswerte Daten dürften nicht in die Hände Dritter gelangen. «Die Staatsanwaltschaft und die Justizdirektion müssen nun Klarheit und Transparenz schaffen.»

Das fordert auch Mitte-Kantonsrat Jean-Philippe Pinto (56). Vor allem will er sicherstellen, dass sich so ein Fall nicht wiederholt und darum die Vergabe solcher Entsorgungsaufträge genauer unter die Lupe nehmen. Es gehe um heikle Aufträge. «Die Gefahr ist, dass eine Firma den günstigsten Weg sucht – mit dem Risiko, dass die Daten irgendwo landen.»

Die Zürcher Justizdirektion betont in diesem Zusammenhang, dass die Entsorgung von Computerhardware seit 2013 nach «professionellen und zertifizierten Prozessen» ablaufe.

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