Rechts-Putsch im Gewerbeverband gescheitert
Plagiator Henrique Schneider ist definitiv weg

Am Mittwoch kam es zum Showdown im Schweizerischen Gewerbeverband. Es ging um die Frage, wer den Laden künftig schmeissen soll. Nach wochenlangen politischem Kräftemessen hat die Gewerbekammer ein Machtwort gesprochen.
Publiziert: 28.06.2023 um 16:18 Uhr
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Aktualisiert: 28.06.2023 um 19:36 Uhr
Henrique Schneider (M.) hatte seinen Posten als neuer Direktor des Schweizer Gewerbeverbands eigentlich schon verloren.
Foto: Keystone
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) hat an seiner ausserordentlichen Sitzung vom Mittwoch entschieden, wie es in seiner Führungsriege weitergeht. Die Mitglieder der Gewerbekammer, dem Parlament des SGV, haben nach den internen Querelen der vergangenen Wochen ein Machtwort gesprochen: Sie mussten den Entscheid des Vorstands, Henrique Schneider (45) als neuen Direktor abzuberufen, bestätigen.

Das Votum fiel deutlich aus: Mit 53 Ja- gegen 13 Nein-Stimmen bei 3 Enthaltungen stellten sich die Mitglieder hinter den Vorstand – und stärkten damit SGV-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (61). Das heisst einerseits: Henrique Schneider wird definitiv nicht Direktor.

Zurück auf Feld eins

Andererseits muss der Gewerbeverband zurück auf Feld eins: Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger von Hans-Ulrich Bigler (65) wird nun wieder von vorne losgehen. Und trotzdem sagt Präsident Regazzi: «Ich bin froh über die Diskussion in der Gewerbekammer und über den konsultativen Beschluss. Das legitimiert auch den Entscheid des Vorstands und stärkt die Glaubwürdigkeit des SGV.»

Er sei müde – aber erleichtert, sagt Regazzi am Mittwochabend zu Blick. «Das Resultat ist viel klarer ausgefallen, als ich erwartet hätte. Ich hoffe, dass wir im SGV vorwärts schauen und die Basis für die Zukunft legen können.»

Man müsse nun eine neue Direktorin, einen neuen Direktor suchen und die Interimslösung aufgleisen. «Zuerst aber müssen wir schauen, dass wir uns mit Herrn Schneider auf eine einvernehmliche Lösung einigen können. Ich habe ihn sofort über das Resultat informiert und er hat es zur Kenntnis genommen.» Man werde sich demnächst treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Über Schneiders weiteres berufliches Schicksal wurde zunächst nichts bekannt, er war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Regazzi das Vertrauen ausgesprochen

Der Schwyzer Mitte-Nationalrat und Bierbrauer Alois Gmür (68) sitzt als Verbandsvertreter der Schweizerischen Getränke-Grossisten ebenfalls in der Gewerbekammer. Auch er freut sich über das eindeutige Votum: «Die Gewerbekammer hat Präsident Regazzi ganz klar das Vertrauen ausgesprochen», sagt er.

Gmür hat bis zur letzten Minute für Regazzi und den Vorstand lobbyiert. Noch am Dienstagabend versendete er gemeinsam mit Heinz Theiler, Schwyzer FDP-Kantonsrat und Präsident des kantonalen Gewerbeverbands, ein Mail an den Vorstand und die Mitglieder der Gewerbekammer.

Darin haben die beiden allen noch einmal ins Gewissen geredet: «Was sich hier abspielt, ist eines Verbandes in unserer Grössenordnung und der damit verbundenen Verantwortung schlicht nicht würdig.» Es ginge nun darum, das zerschlagene Geschirr aufzuräumen und Wege aufzuzeigen, wie diese verfahrene Situation gelöst werden könne. Gmür sagt, das Mail habe offenbar seine Wirkung nicht verfehlt und sicher zum deutlichen Resultat beigetragen.

Machtkampf um politische Ausrichtung

Bis zuletzt tobte ein schmutziger Machtkampf um die künftige politische Ausrichtung des grössten Dachverbands der Schweizer Wirtschaft. Auf der einen Seite stand die Fraktion um Regazzi und den Vorstand. Der Tessiner hat im vermehrt rechtsbürgerlich dominierten Verband zunehmend einen schweren Stand.

Auf der anderen Henrique Schneider. Er hätte am 1. Juli für den abtretenden Direktor Bigler (65) nachrücken sollen. Er wurde vom Rechtsaussenflügel des Verbands getragen. Dieser wollte den Entscheid des Vorstands umstossen.

Ob sich der Verband nun politisch einmitten wird, dazu mag sich Regazzi nicht äussern. «Das ist auch abhängig von der Person, die das Direktorium übernehmen wird. Entscheidend für den Verband sind unsere Strategie und unser Leitbild.»

Bereits im Februar war Schneider als bisheriger stellvertretender Direktor zum neuen Direktor gewählt worden. Doch kurz nach seiner Wahl erhob die «NZZ am Sonntag» Plagiatsvorwürfe gegen Schneider.

Schneider wollte Amt antreten

Der SGV-Vorstand hat daraufhin ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Fazit der Experten: Der Vorwurf des Plagiierens sei berechtigt. Am 9. Juni hat der Vorstand darum die Wahl von Schneider widerrufen.

Doch Schneider wollte das Amt antreten, immerhin sei er ordentlich gewählt worden, lautete seine Argumentation. In einem Schreiben an die Mitglieder der Gewerbekammer schoss er zu Beginn der Woche aus allen Rohren gegen seine Kritiker.

Am Dienstag deckte die «Handelszeitung» zudem auf, dass Schneider Anfang Monat in Grossbritannien zum Kartellrichter einer Beschwerdeinstanz ernannt wurde. Allerdings ist er auch Mitglied der schweizerischen Kartellbehörde, der Wettbewerbskommission (Weko). Seine Funktion im Vereinigten Königreich meldete Schneider erst, als die Weko davon erfahren hatte. Schneiders Kritiker sehen darin einen Interessenkonflikt.

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