Regierungsrätin Fehr hässig auf Fussballverband
«Doppelbürger sollen streiken!»

Die Forderung des Generalsekretärs des Schweizer Fussballverbands, dass Nati-Spieler nur den Schweizerpass besitzen sollen, löst in der Politik eine heftige Diskussion aus. SP-Politikerin Jacqueline Fehr schüttelt den Kopf, SVPler Jürg Stahl nickt.
Publiziert: 06.07.2018 um 16:36 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2019 um 14:56 Uhr
Für Regierungsrätin Jacqueline Fehr kann der Fussballverband nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Foto: Keystone
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Pascal Tischhauser, Nico Menzato

Die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr (55) ist aufgebracht: Der Generalsekretär des Schweizer Fussballverbands, Alex Miescher (50), hat im «Tages-Anzeiger» gefordert, dass Doppelbürger ihren zweiten Pass abgeben und nur noch den roten Pass besitzen sollen, wenn sie für unser Nationalteam spielen möchten.

Per Twitter ruft die frühere Nationalrätin die Doppelbürger zum Protest auf - nicht nur im Fussball. «Streikt doch mal! Dann merken vielleicht die Nationalisten im Fussball und anderswo, dass es ohne euch nicht geht», so Fehr.

Und Keck merkt Fehr an: «Übrigens: auch @rogerfederer ist Doppelbürger», schliesslich ist die Mutter des Tennis-Maestros Südafrikanerin.

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«Absolut inakzeptabel»

Auf Facebook doppelt Fehr nach: «Ich schlage vor, dass Miescher und alle anderen Nationalisten sofort eine Erklärung unterzeichnen, die festhält, dass sie sich nie von einer Doppelbürgerin medizinisch behandeln oder pflegen lassen, sich nie von einem Doppelbürger im Restaurant bekochen lassen und dass sie auf alle wissenschaftlichen Fortschritte verzichten, die uns Doppelbürger ermöglicht haben.» 

Gegenüber BLICK wird Fehr noch deutlicher: «Die Aussagen Mieschers sind absolut inakzeptabel.» Sie seien eine schallende Ohrfeige für alle Leute, die sich tagtäglich in unserem Land für unser gutes Leben einsetzen, aber keinen oder neben dem Schweizerpass noch einen zweiten Pass besitzen würden.

«Enormer Schaden angerichtet»

Für Fehr ist klar: «Der Schweizer Fussballverband kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» Er müsse sich entscheiden, ob er künftig den Stimmen der Nationalisten folge, die Mannschaft mit solchen ausgrenzenden Haltungen schwäche und damit an keiner Endrunde von Europa- und Weltmeisterschaften mehr teilnehmen könne. «Oder ob er den Doppelbürgern dankbar ist für ihren Einsatz.»

Sie erwarte eine sehr klare Reaktion des Verbandes, befürchte aber, dass selbst dann bereits ein enormer Schaden angerichtet sei. «Schlimmeres als diese Art von nationalistischem Undank kann man einem Team nicht antun.» 

Ist Petkovic als Nationaltrainer nicht zu 100 Prozent bei der Sache?

Die Regierungsrätin fragt sich: «Kann ein Basler Trainer künftig nicht mehr einen Zürcher Fussballclub trainieren? Oder ist Vladimir Petkovic als Nationaltrainer nicht zu 100 Prozent bei der Sache, nur weil er neben dem Schweizerpass auch noch jenen von Kroatien besitzt?»

Fehr kann sich beim besten Willen nicht erklären kann, «wie Herr Miescher so blind sein kann: Im Sport messen sich Frauen und Männer mit ihren Leistungen. Wir wetteifern mit ihnen und teilen mit den Sportlern die Emotionen, die Freude und die Enttäuschung. Wir schwingen die Schweizerfähnchen und feuern unser Nationalteam an. Dabei geht es – immer auch mit einem Augenzwinkern – um etwas chauvinistische Unterhaltung und nicht um nationalistische Kriegsspiele.»

«Fussballverband schadet dem Fussball und der Schweiz»

Fehr betont, sie äussere sich als Integrationsministerin des grössten Kantons, «eines Kantons, der jährlich 30'000 Menschen erfolgreich integriert». 

Von dort kommt denn auch noch mehr Kritik: Die Migrationsvereinigung Secondas Zürich zeigt dem Fussballverband (SFV) die rote Karte: «Das ist ein grobes Foul gegen die Nati, gegen unsere Kinder und Jugendlichen, die den Fussball lieben, und letztlich auch gegen die Schweiz, die seit Jahrhunderten eine multikulturelle Gesellschaft ist und auch auf eine lange und erfolgreiche Tradition der Integration ganz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zurückblicken kann», lässt sich die Präsidentin Isabel Garcia zitieren.

SVP-Stahl will Doppelbürgerverbot ausweiten

Ganz anders sieht das Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl (50). Der SVP-Nationalrat befürwortet die Idee Mieschers und regt bereits eine Ausweitung des Doppelbürgschafts-Verbot auf andere Sportarten an: «Die Sportler, welche die Schweiz an Weltmeisterschaften, aber auch an Olympischen Spielen vertreten, sollen durch und durch und nur unsere Nation vertreten», sagt er zu BLICK.

Es sei sehr wertvoll, dass diese Diskussion von SFV nun angestossen werde, findet Stahl. Denn wie der Doppeladler-Jubel gezeigt habe, könne die Schweiz mit dieser Thematik nicht umgehen.

«Immer wenn sich ein Sportler gegen die Schweiz entscheidet – im Fussball wie auch kürzlich im Tennis – flammt die Diskussion auf», sagt der Zürcher. Mit dem Verbot einer Doppelbürgschaft hätte man das von Beginn weg geregelt.

CVP verlangt strengere Regeln

«Die angestossene Debatte ist gut. Weil es die Diskussion auch unter den Fans gibt», sagt CVP-Nationalrat Marco Romano (35). Er habe enorm Mühe mit Fällen wie jenem von Rakitic, der zuerst in der Schweizer Junioren-Nati spielte und dann zu Kroatien gewechselt ist. «Die Spieler sollen sich jung entscheiden müssen. Dazu braucht es klare und strenge Regeln», so der Tessiner. 

Nicht aber ein Verbot von Doppelbürgern! Das eigentliche Problem sei nicht die Frage des Passes, sondern wie man sich benehme. «Schuhe mit einer Kosovo-Flagge oder Doppeladler-Jubelszenen müssen vom Fussballverband mit aller Schärfe verboten werden.»

Verbot bei Bundesräten und Diplomaten

Nicht nur wie jetzt im Fussball sind Doppelbürgschaften, die in der Schweiz seit 1992 ohne Einschränkungen erlaubt sind, ein Politikum. Die SVP hat schon mehrfach versucht, die Möglichkeiten von mehreren Pässen zu verbieten.

Letztmals flammte die Debatte so richtig vor den Bundesratswahlen 2017 auf. Weil der heutige Aussenminister Ignazio Cassis (57) seinen italienischen Pass abgab und der andere FDP-Kandidat, Pierre Maudet (40), schweizerisch-französischer Doppelbürger war und blieb. «Als ich mich entschieden habe, mich für die Bundesratswahl zur Verfügung zu stellen, habe ich aber auf die italienische Staatsbürgerschaft verzichtet», erklärte Cassis damals. «Es war für mich persönlich stimmig so.»

«Absolute Schnappsidee», findet Doppelbürger Maudet

Maudet hingegen meint: «Nur einen Pass zu haben, löscht die ausländische Herkunft von jemandem nicht aus. Seine Gefühle bleiben.» Er hält Mieschers Vorschlag für «eine totale und absolute Schnappsidee! Hier wurde eine Diskussion angeregt, die wir nicht brauchen.» Es gebe keine halben Schweizer oder Schweizer zweiter Klasse, «nur weil sie so wie ich noch eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen».

«Man liebt doch Vater und Mutter – es gibt nur die ungeteilte Liebe. Das gilt genauso fürs Vaterland», so Maudet.

Hohe Militaristen einzige Ausnahme

Trotzdem reichten SVP-Politiker Vorstösse ein, die Doppelbürgschaften bei Bundesräten und Parlamentarier verbieten wollten – und blieben damit chancenlos. Nun verlangt SVP-Vizepräsident Marco Chiesa (43), dass Parlamentarier zumindest ihre Nationalitäten im Interessenregister publizieren müssen.

Bis vor Kurzem war es den Diplomaten noch verboten, zwei Pässe zu besitzen. Diese Regelung wurde letztes Jahr aber aufgehoben. Davon profitieren derzeit sieben Botschafter. Doppelbürger dürfen heute einzig keine Kaderfunktion im Militär ausüben.

WM 2018 in Russland

Vom 14. Juni bis 15. Juli findet in Russland die Fussball-Weltmeisterschaft 2018 statt.

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  • Die Spieler aller teilnehmenden Mannschaften im Porträt: Wer wie gut spielt, lesen Sie hier im interaktiven Special.

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