Rückverteilung der CO₂-Abgabe
Diesen Bonus bekommen alle – aber niemand merkts

Die CO₂-Abgabe bringt uns jeden Monat Geld. Warum sie trotzdem unbeliebt ist – und was Bundesbern jetzt tut.
Publiziert: 17.06.2024 um 20:07 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2024 um 09:35 Uhr
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Tina Berg
Beobachter

Wie wärs mit einem Rabatt von 64 Franken auf die Krankenkassenprämien? Na klar, da sagt wohl niemand Nein. 

Überraschung: Den Rabatt gibts heute schon. Für jede einzelne Person in der Schweiz. Bei einer vierköpfigen Familie macht das immerhin 256 Franken im Jahr. 

Eigentlich hat der Rabatt oder Bonus nichts mit der Krankenkasse zu tun. Es geht nämlich um die CO₂-Abgabe, mit der man den sparsamen Umgang mit fossilen Brennstoffen wie Heizöl und Gas fördern will. Schon seit 2008 wird diese Abgabe erhoben, und etwa zwei Drittel davon werden an die Bevölkerung und die Wirtschaft rückverteilt. Jede Person erhält den gleichen Betrag, ungeachtet ihres Energieverbrauchs. Mit dem anderen Drittel werden etwa Haussanierungen oder innovative Technologien finanziert. 

Heizöl: Die CO₂-Abgabe soll den sparsamen Umgang mit fossilen Brennstoffen fördern.
Foto: Stefan Bohrer/Keystone
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Die fünf Franken fallen zu wenig auf

Das Ganze läuft über die Krankenkasse, weil es am einfachsten ist. Alle sind obligatorisch krankenversichert, deshalb kann man so mit wenig Aufwand die Rückverteilung organisieren. 

Nur merkt das niemand. 

Auf jeder Police steht zwar so was wie «Verteilung des Ertrags aus Umweltabgabe an die Bevölkerung». Aber der monatliche Betrag von 5 Franken ist zu klein, um wirklich aufzufallen. 

Lenkungsabgaben sind einfach zu bodigen

In der Theorie sind solche Lenkungsabgaben sinnvoll, weil sie klimaschädliches Verhalten nach dem Verursacherprinzip bestrafen. Und weil sie gleichzeitig sozial sind, sofern die Einnahmen rückverteilt werden; Leute mit weniger Einkommen und geringem Konsum können so mehr Geld zurückbekommen, als sie abgeben müssen.

In der Realität sind diese Abgaben aber schwierig einzuführen. Denn solche Systeme seien komplex, und es ist für viele kaum nachvollziehbar, wie sie funktionieren, sagt Isabelle Stadelmann-Steffen, Politikprofessorin an der Uni Bern. «Gegnerinnen und Gegner von solchen Lenkungsabgaben können sich das zunutze machen und solche Vorschläge sehr einfach bodigen.» 

Wäre die Akzeptanz einer CO₂-Abgabe grösser, wenn der persönliche Profit sichtbarer wäre? Um das herauszufinden, führten Stadelmann-Steffen und Kollegen aus den USA eine Befragung durch. Und fanden heraus: Sobald die Teilnehmenden Bescheid wussten, dass sie Geld zurückbekommen, stieg die Akzeptanz wesentlich. In den USA liess sich eine Mehrheit von einer Rückverteilung überzeugen – und zwar bei einer niedrigen wie auch bei einer höheren Steuer. In der Schweiz schaffte das nur die Variante mit niedriger CO₂-Abgabe und Rückverteilung. 

Die Schweiz hat womöglich zu viel diskutiert

Wieso dieser Unterschied? Der Grund sind wohl die unterschiedlichen politischen Debatten. In den USA war eine CO₂-Abgabe auf nationaler Ebene noch kein Thema. In der Schweiz hingegen wurde sie 2021 während der Abstimmungskampagne kontrovers diskutiert. Und die Analyse zeigte, dass die Zustimmung sinkt oder sogar komplett verschwindet, sobald klar ist, dass so eine CO₂-Abgabe politisch umstritten ist – und zwar egal, ob man selber finanziell profitieren würde oder nicht.

«Die politische Information übertrumpft die ökonomische», sagt Stadelmann-Steffen. In den USA über alle politischen Lager hinweg, in der Schweiz vor allem innerhalb der politischen Rechten. 

«Das ist schon erstaunlich»

Dieser krasse Effekt hat die Politikprofessorin überrascht. «Dass selbst unter Laborbedingungen der positive Effekt so komplett verschwindet, ist schon erstaunlich. Ich nehme an, dass die politischen Argumente in der Realität eine noch stärkere Rolle spielen.» 

Ist eine Lenkungsabgabe, zum Beispiel im Verkehr, in der «verpolitisierten» Schweiz also chancenlos? Das glaubt Isabelle Stadelmann-Steffen nicht. Aber es sei vielleicht noch nicht der richtige Moment, dieses Instrument breiter einzuführen. «Mit Subventionen und allenfalls Verboten und Geboten kommt man momentan möglicherweise schneller zum Klimaziel.» 

Direkt auszahlen statt über die Krankenkasse?

Immerhin wollen Parlament und Bundesrat die Rückverteilung der CO₂-Abgabe künftig sichtbarer machen. Im März überwies der Nationalrat dem Bundesrat ein Postulat mit der Forderung, einen Systemwechsel zu prüfen. Die Umweltkommission des Nationalrats schlägt etwa vor, dass man die Abgabe jährlich an die Privathaushalte auszahlt statt monatlich über die Krankenkasse. Der Bundesrat wird innert zweier Jahre mögliche Alternativen für die Rückverteilung prüfen und einen Bericht publizieren. 

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