Schweizer Parlament versagt
Alt Nationalrat kritisiert ineffiziente Aufsicht

Alt Nationalrat Rudolf Joder kritisiert die ineffiziente Aufsicht des Parlaments über den Bundesrat. In seiner Dissertation fordert er Reformen, um die Kontrolle zu verbessern und das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen wiederherzustellen.
Publiziert: 17.08.2024 um 12:05 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2024 um 16:55 Uhr
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Sein Fazit ist vernichtend: «Ungenügend.» – «Ineffizient.» – «Oft wirkungslos.» So urteilt Rudolf Joder (74) darüber, wie unsere Parlamentarierinnen und Parlamentarier den Bundesrat und die Verwaltung überwachen. Er muss es wissen. Joder sass selbst 16 Jahre lang für die SVP im Nationalrat und präsidierte die Geschäftsprüfungskommission GPK von 2013 bis 2015. Jetzt hat er in einer Dissertation an der Universität Zürich die Arbeit seiner alten und neuen Kollegen untersucht – und lässt fast kein gutes Haar daran.

Joder kritisiert, dass die Bundesversammlung ihren verfassungsmässigen Auftrag, den Bundesrat und die Verwaltung zu kontrollieren, nicht ausreichend erfüllt. Diese Aufgabe wird hauptsächlich durch die Geschäftsprüfungskommissionen und Finanzkommissionen (FK) von National- und Ständerat ausgeübt.

Dringender Handlungsbedarf bei der Post

Joder nennt drei Beispiele, die die Schwächen der parlamentarischen Oberaufsicht verdeutlichen: Nach dem Postauto-Skandal seien kaum wirksame Massnahmen ergriffen worden. Die Corona-Leaks-Affäre um Bundesrat Alain Berset (52) und den Ringier-Verlag sei im Sand verlaufen. Und die Ergebnisse der Inspektion zum Credit-Suisse-Debakel würden erst viel zu spät veröffentlicht werden. «Diese Fälle zeigen, dass das Parlament oft nur mit Empörung und Kritik reagiert, statt notwendige Korrekturen zeitnah zu beschliessen», so Joder.

«Ineffizient» und «ungenügend»: Alt SVP-Nationalrat Rudolf Joder kritisiert, wie unsere Parlamentarier den Bundesrat und die Verwaltung überwachen.
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Ein besonderer Fokus der Dissertation liegt zudem auf der Kontrolle der Post, die 1998 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert wurde. Auch hier sieht der alt Nationalrat erheblichen Handlungsbedarf: «Das Parlament lässt wichtige Grundsatzfragen zur Post seit Jahren unbeantwortet.» Besonders kritisiert er die unklare Abgrenzung zur Privatwirtschaft und die fehlende Anpassung der postalischen Grundversorgung an aktuelle Bedürfnisse. Auch die Frage der Privatisierung von Postfinance bleibe ungelöst.

Vorschläge zur Verbesserung der Aufsicht

Als Hauptursache für die ineffiziente Aufsicht nennt Joder die langen Untersuchungszeiten der GPK. «Eine leistungsfähige Oberaufsicht fördert das Vertrauen der Bürger, schafft Transparenz und kann Mängel beseitigen.»

Um dies zu erreichen, fordert er, das Sekretariat der GPK personell und organisatorisch deutlich zu stärken. Auch eine intensivere Kooperation zwischen den GPK von National- und Ständerat sowie den Kommissionen sei dringend nötig. «Das könnte die Wechselwirkung zwischen Gesetzgebung und Oberaufsicht verbessern», sagt Joder.

«Mit meinen Verbesserungsvorschlägen möchte ich eine Debatte anstossen und die parlamentarische Kontrolle in der Schweiz nachhaltig stärken. Es ist Zeit, dass das Parlament aus seinem Tiefschlaf geweckt und deutlich an seinen Auftrag erinnert wird.» Die präsentierten Anstösse zielten darum darauf ab, Effizienz und Wirkung der Oberaufsicht zu erhöhen und so das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen wieder zu festigen.

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