Tarife steigen im Schnitt um 18 Prozent
Sind Mini-Versorger schuld am Strompreis-Debakel?

Im kommenden Jahr folgt der nächste Stromhammer. Auch, weil es zu viele EWs gibt? Denn die 600 Netzbetreiber kaufen ihren Strom alle einzeln auf dem Grossmarkt. Fraglich ist, ob alle dafür gerüstet sind.
Publiziert: 06.09.2023 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2023 um 07:12 Uhr
Büttikon AG steht bei den Erhöhungen auf Platz 1.
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber traurige Realität: Ein Rechenfehler zwingt die Gemeinde Büttikon AG, den Strompreis um 158 Prozent zu erhöhen. Leider kein Einzelfall: In diesem Jahr verteuerte sich der Strom massiv – auch, weil einzelne Elektrizitätswerke beim Einkauf gezockt und auf tiefe Preise spekuliert hatten.

Strom einzukaufen, ist kompliziert. Trotzdem muss das ein grosser Teil der über 600 Schweizer Netzbetreiber immer wieder tun. Viele davon sind Kleinbetriebe, sagte Andreas Tresch (33) vom Beratungsunternehmen Enerprice zu Blick. «Know-how und Erfahrung, in volatilen Märkten und Krisenzeiten erfolgreich Strom einzukaufen, fehlt da oft.» Das zeigt sich auch an den aktuellen Zahlen.

«Nicht überall» professionell

Im nächsten Jahr steigen die Strompreise im Mittel um 18 Prozent. Das macht für einen typischen Haushalt mit einer 5-Zimmer-Wohnung rund 222 Franken zusätzlich im Vergleich zu 2023. Dass die Preise erneut steigen, hat laut Elektrizitätskommission Elcom mehrere Gründe. Es gibt beispielsweise neue oder höhere Abgaben.

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Doch auch Elcom-Präsident Werner Luginbühl (65) sagt: «Ich gehe davon aus, dass die Einkäufe nicht überall mit der nötigen Professionalität erfolgt sind.» In diesen Gemeinden könne es nun hohe Preiserhöhungen geben. Luginbühl ist sicher: «Bürgerinnen und Bürger werden entsprechend Druck machen, dass diese Professionalität verbessert wird.» Oder dass Netzbetreiber fusionieren müssen.

Ob die Preise steigen, hänge nicht nur von der Professionalität ab, relativiert Urs Meister, Geschäftsführer des Fachsekretariats der Elcom. Beim Strom gehe es ums Timing. Auch ein weniger gut aufgestelltes EW könne Glück haben und zufällig zu einem tiefen Preis kaufen. Doch insbesondere für kleinere Unternehmen sei es sinnvoll, sich beraten zu lassen.

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Verband wehrt sich

Der Verband der Elektrizitätsversorger weist die indirekten Vorwürfe zurück. Die Versorger würden den Strom «grossmehrheitlich professionell» beschaffen. Doch die Marktpreise seien seit Mitte 2021 stark gestiegen. «Preiserhöhungen liessen sich auch mit einer risikoarmen Beschaffung nicht verhindern», heisst es.

Die kurzfristigen Beschaffungsstrategien hätten ausserdem bis 2021 zu sehr tiefen Preisen geführt. Das heisst: Bei den tiefen Marktpreisen der vergangenen Jahre kam es nicht so drauf an, wie professionell man beim Stromeinkauf unterwegs war.

Das hat sich nun geändert. «Über 600 Netzbetreiber sind eine zu hohe Zahl», findet Energiepolitikerin Priska Wismer-Felder (52). Die Mitte-Nationalrätin glaubt, dass es in den nächsten Jahren zu Zusammenschlüssen kommen wird. «Die Situation auf dem Markt ist hart, es ist immer schwieriger, gute Leute zu finden, die diese Stromeinkäufe professionell managen können.» Mehr staatliche Regeln brauche es nicht: «Auch ein kleiner Betreiber kann gute Einkaufspolitik machen.»

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EWs sollen selbst Energie produzieren

SP-Energiepolitiker Roger Nordmann (50) hält die fehlende Professionalisierung hingegen nur für einen Nebenschauplatz. Das Problem sei ein anderes: «Wenn ein Elektrizitätswerk selbst Energie produziert, bleiben die Kosten stabil. Wer auf dem Markt einkauft, ist während Jahren günstiger gefahren. Doch jetzt zahlt man mehr.» Darum wolle das Parlament nun Anreize schaffen, damit auch kleinere Elektrizitätswerke selbst Strom produzieren. 

Auch SVP-Nationalrätin Monika Rüegger (55) hält nichts von einer stärkeren Zusammenführung der einzelnen Stromversorger. «Es macht durchaus Sinn, dass es regionale Unterschiede gibt.» Denn schuld, sagt sie, seien nicht die Stromversorger. Sondern die «missglückte Energiestrategie», durch die Strom «knapper und immer teurer» werde.

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