Sommaruga kontert Maurers Offshore-Verständnis
Bundesräte zanken um Steueroptimierung

Das Verständnis von Finanzminister Ueli Maurer für Steuerkonstrukte der Reichen ging um die Welt. Wenn Simonetta Sommaruga jetzt kontert, werden seit langem erstmals ideologische Brüche im Bundesrat sichtbar.
Publiziert: 18.04.2016 um 20:35 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:00 Uhr
Das Verständnis von Finanzminister Ueli Maurer für Steuerkonstrukte der Reichen ging um die Welt.
1/2

Erstmals seit langem markieren zwei Bundesräte direkt und ohne Zurückhaltung ihre ideologische Haltung. Anlass für die öffentliche Diskussion: Wie sollen die «Panama Papiers», durch die via diverse Medien in vielen Teilen der Welt Steuerhinterziehung durch Reiche und Prominente offen gelegt wurde, bewertet werden?

Die Einschätzungen von Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP), die sich in einem grossen Interview mit dem SonntagsBlick auch zu den «Panama Papers» äusserte, sind deutlich: «Ich bin kein missgünstiger Mensch. Aber ich ärgere mich über jeden Reichen, der seine Steuern nicht in der Schweiz zahlt.» Sie sei enttäuscht, dass man trotz Finanzkrisen keinen Kulturwandel feststellen könne – im Gegenteil. Sommaruga: «Die Finanzmarktaufsicht Finma hat kürzlich festgestellt, dass das Risiko der Geldwäscherei zugenommen hat. Und zwar geht es um schwere Korruptionsfälle. Und das finde ich höchst beunruhigend.» Ein Konter, der es in sich hat!

Schon kurz nach der Veröffentlichung der «Panama Papiers» hatte der neue Finanzminister der Schweiz klargestellt, er hab kein Problem, wenn Reiche, um Steuern zu sparen, in Panama Scheinfirmen gründen. So etwa kann man die Position zusammenfassen, die Bundesrat Ueli Maurer (SVP) in einem Interview mit BLICK preisgab. «Man muss diese Möglichkeiten schaffen», sagte Maurer zu Offshore-Geschäften. «Die reichen Leute bezahlen viel mehr Steuern als ich. Ich bin nicht reich – und ohne Reiche müsste ich mehr Steuern bezahlen. Wir dürfen uns nicht als Obermoralisierer der Welt aufspielen.» Heute Hätte man in der Schweiz eine Regulierungsdichte erreicht, die definitiv reiche. Maurer: «Wer kriminelle Energie hat, findet so oder so immer eine Lücke.» Die Aussagen überraschten derart, dass sie weltweit Erwähnungen fanden, so etwa bei der internationalen Nachrichtenagentur «Reuters». Offenbar sind die Aussagen auch nicht im Sinne von Sommaruga.

Ein Ja zur Milchkuh-Initiative führe noch dieses Jahr zu einem Bundesdefizit, warnt der Finanzminister.
Foto: Monika Flueckiger

Seine Haltung bekräftige Maurer auch an der Frühjahrestagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, auch kurz die «Panama Papers» zur Sprache gekommen seien. Maurer hielt dazu fest, der Bundesrat sei der Meinung, dass die Schweiz in Sachen Steuertransparenz eine gute Gesetzgebung habe.

Im Gegensatz zu Maurer will Sommaruga als zuständige Justizministerin Antworten auf Fragen, welche die «Panama Papiers» aufwerfen: «Wenn die Geldwäscherei zunimmt, haben wir aber ein Reputationsrisiko. Man muss gut analysieren, inwiefern der Schweizer Finanzplatz für Geldwäscherei genutzt wird. Ob Handlungsbedarf besteht, kann ich noch nicht sagen. Aber Sie können sicher sein, dass wir das genau prüfen.»

Angesprochen auf die Aussagen von Maurer, wonach man die Möglichkeit solcher Offshore-Geschäfte für Superreiche schaffen müsse, nutzte Sommaruga für eine einfache Klarstellung: «Hat er das genau so gesagt? Wie dem auch sei: So überraschend wäre es ja nicht, wenn Bundesrat Maurer und ich in solchen Fragen nicht ganz genau die gleiche Meinung hätten.»Wenn Sommaruga die Differenz zu Maurer so deutlich hervorhebt, ist das doch überraschend. Bisher waren sich viele Beobachter einig, dass der Bundesrat auch mit einem zweiten SVP-Vertreter weiter harmonisch politisieren werde.

Oder wie es jüngst alt Bundesrat Moritz Leuenberger im BLICK-Interview ausdrückte: «Die Parteizugehörigkeit wird von aussen masslos überschätzt. Im Bundesrat ist sie kaum von Bedeutung. Viel wichtiger ist, ob jemand aus der deutsch- oder der französischsprachigen Schweiz kommt. Ob Frau oder Mann und die Art, wie man ein Problem anpackt.» 

Mit dem öffentlichen Zwist, der auf deutliche ideologische Dissonanzen im seit Anfang Jahr neuformierten Bundesrat hindeutet, dürfte die Aussage von Leuenberger vorerst ein wenig relativiert sein.

Lesen Sie das ausführliche Interview mit Simonetta Sommaruga: Hier geht es zum Artikel.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?