Steigendes Armeebudget befeuert Verteilkampf
Bundesräte fetzen sich ums Geld

Sagt der Ständerat Nein zum Armee-Ukraine-Deal und Ja zu höheren Armeeausgaben, steigt der Druck auf den ordentlichen Bundeshaushalt massiv. Schon jetzt streiten sich die Bundesräte um die Armeeausgaben, wie interne Dokumente zeigen.
Publiziert: 03.06.2024 um 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2024 um 08:11 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Der 15-Milliarden-Franken-Deal für die Armee und den Ukraine-Wiederaufbau steht vor dem Absturz. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats wollte das Paket an der Schuldenbremse vorbei über das ausserordentliche Budget finanzieren. Doch im Ständerat droht schon am Montag ein deutliches Nein.

Der Verzicht auf das finanzpolitische Buebetrickli bringt den Bundeshaushalt wegen der Schuldenbremse weiter unter Druck. Dies umso mehr, als die Kommission auf eine raschere Aufstockung der Armeeausgaben drängt. Das Armeebudget soll bereits per 2030 statt erst 2035 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) steigen. Dafür soll der Zahlungsrahmen der Armee von 2025 bis 2028 um weitere 4 Milliarden auf 29,8 Milliarden Franken erhöht werden. Dies, obwohl dem Bund ab 2030 auch so schon ein strukturelles Defizit von rund 4 Milliarden Franken jährlich droht.

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Das höhere Armeebudget befeuert den Streit um die Bundesgelder.
Foto: Keystone
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Das steigende Armeebudget befeuert den Verteilkampf um die Bundesgelder im Bundesrat. Der Streit schwelt dabei schon länger, wie verwaltungsinterne Dokumente belegen, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegen.

Finanzverwaltung übte Kritik

In der Ämterkonsultation vom letzten Herbst zur Armeebotschaft 2024 sticht besonders die Stellungnahme der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) im Finanzdepartement von Karin Keller-Sutter (60) hervor. So drängte sie erfolgreich darauf, dass der Planungsbeschluss mit Investitionen von 32 Milliarden Franken bis 2035 aus der Vorlage gestrichen wird.

«Es ist aus unserer Sicht nicht vertretbar, dem Parlament einen Planungsbeschluss vorzulegen, der so hohe Kosten zur Folge hat und nicht gegenfinanziert ist», monierte die Finanzverwaltung. «Immerhin dürfte es sich um den bei weitem teuersten Planungsbeschluss der Geschichte handeln.»

Erst, nachdem die Gegenfinanzierung geklärt sei – «oder gekoppelt mit einer Vorlage zur Gegenfinanzierung» – könne über den Planungsbeschluss befunden werden.

Widerstand aus SP-Departementen

Dass die Armeeausgaben steigen, ohne zu wissen, woher das Geld dafür kommt, stiess nicht nur den Finanzbeamten sauer auf. Das Innendepartement – damals noch unter Alain Berset (52) – zeigte sich mit dem vorgesehenen Zahlungsrahmen von 25,8 Milliarden Franken von 2025 bis 2028 «nicht einverstanden».

Auch wenn das Wachstum dem Parlamentswillen entspreche, sei man der Meinung, «dass angesichts der aktuellen Haushaltslage derartige hohe Ausgaben nicht ohne Gegenfinanzierung bewältigt werden sollten».

Skeptisch zeigte sich auch das EJPD-Generalsekretariat der damaligen Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (60). «Im Verlaufe des Jahres hat sich gezeigt, dass sich die finanzielle Lage des Bundes weiter verdüstert», warnte es. Die Fiskallücke steige jedes Jahr um einige Hundert Millionen Franken und führe zu einem strukturellen Ungleichgewicht im Haushalt. Damit würden Kürzungen bei den schwach gebundenen Ausgaben «wahrscheinlich unvermeidbar», stellte das Generalsekretariat das Armeeausgaben-Wachstum infrage.

Parmelin besorgt

Doch selbst SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) zeigte sich besorgt. So bekundete sein Generalsekretariat «Mühe» mit der längerfristigen Finanzierung der Armeevorhaben. «Die Finanzierung dieses Wachstums ist bisher nicht gesichert», monierte es.

Und: «Als Departement mit dem grössten Umfang an schwach gebundenen Ausgaben (Landwirtschaft, Bildung und Forschung, Internationale Kooperation) beunruhigt uns diese Perspektive.» Parmelin befürchtet also, dass seine Bereiche unter die Räder kommen.

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Sollten sich die Bundesfinanzen verschlechtern, solle das VBS seine Beschaffungspläne daher anpassen «und so seinen Beitrag zu Entlastung zu leisten», regte er an. Zudem erwartet er Vorschläge zur Finanzierung.

Teures Rechenzentrum

Die Finanzverwaltung fuhr Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) auch bei einem konkreten Projekt in die Parade: Für 483 Millionen Franken will die Mitte-Magistratin ein neues militärisches Rechenzentrum unter dem Decknamen «Kastro II» bauen. Aus Sicherheitsgründen unterirdisch in einer Kaverne.

Die EFV hinterfragte den Neubau kritisch. «Der Bau des anderen militärisch voll geschützten Rechenzentrums Fundament konnte mit einem Budget von 157 Millionen erstellt werden», zieht es den Vergleich. «Es wird nicht klar, weshalb bei Kastro II nicht auf bestehende unterirdische Anlagen zurückgegriffen wird.»

Sparen oder Mehreinnahmen?

Die Auseinandersetzung macht deutlich, dass der Ausgabenhunger der Armee im Bundesrat auf Widerstand stösst – vor allem, wenn wegen des Spardrucks andere Bereiche den Gürtel enger schnallen müssen.

Amherd versucht, den Verteilkampf mit ihrem Einsatz für den 15-Milliarden-Deal zu entschärfen, und steht dem Vernehmen nach auch einer Spezialfinanzierung für die Armee offen gegenüber. Ihre Kontrahentin Keller-Sutter hingegen gibt Sparmassnahmen und Subventionskürzungen den Vorzug. Dafür hat sie eine externe Expertengruppe eingesetzt, die nach den Sommerferien Vorschläge vorlegen soll. Der Finanzstreit schwelt weiter.

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