Transport-Unternehmer Daniel Schöni fordert
«Der Gotthard sollte für Autofahrer kosten»

Seine Lastwagen sieht man täglich auf der Autobahn. Doch kaputte Strassen zwingen sie zu Umwegen. Daniel Schöni sagt, wie er mit Wetterextremen umgeht, was ihn an seiner Branche stört – und wieso er eine Gotthard-Gebühr will.
Publiziert: 14.07.2024 um 17:10 Uhr
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Aktualisiert: 16.07.2024 um 09:27 Uhr
Lynn Scheurer
Lynn Scheurer
Schweizer Illustrierte

Seit 22 Jahren steuert Daniel Schöni seine Transportfirma durch turbulente Zeiten. Wortwörtlich – der Aargauer fährt regelmässig selbst. «Nächste Woche gehe ich für ein Hilfswerk mit Holz nach Rom», sagt er. Bei seinen Entscheidungen lässt sich der dreifache Familienvater auch von seinem Glauben leiten. Auf jedem seiner Lastwagen steht «In God We Trust».

Daniel Schöni, beten Sie für gutes Wetter?
Ich bete jeden Tag – allerdings nicht speziell für gutes Wetter.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Die zunehmenden Wetterextreme schaden doch Ihrem Transportunternehmen.
Eingeschränkt befahrbare Strassen wie jetzt die San-Bernardino-Strecke bedeuten Stau und längere Fahrten. Die A13 macht aber nur 14 Prozent des Verkehrs durch die Schweizer Alpen aus. Der Gotthard wäre ein anderes Kaliber – auch das gabs schon. Und auch da wurde trotzdem jedes Regal bestückt, und die Schweizer litten keinen Hunger. Dann fährt man halt über den Simplon, den Grossen Sankt Bernhard oder den San Bernardino.

Daniel Schöni am Hauptsitz seiner Transportfirma in Rothrist AG: «Wenn ich fahre, fühle ich mich wieder wie mit 20.»
Foto: Kurt Reichenbach
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Trotzdem: Für Ihre Chauffeure haben kaputte Strassen konkrete Auswirkungen.
Der Chauffeur fährt je nachdem einen Umweg, aber er arbeitet deswegen nicht länger. Darf er gar nicht. Für unsere Kunden wird der Transport teurer – und das freut bekanntlich niemanden.

Sollen Lastwagen in solchen Situationen auch nachts fahren dürfen, um das auszugleichen?
Eine logische Forderung, die aber aus meiner Sicht nicht umsetzbar ist. Hebt man das Nachtfahrverbot auf, stehen drei Stunden später wütende Urner mit ihren Traktoren auf der Autobahn. Ich verstehe sie, die haben in ihrem engen Tal schon genug Verkehr und Lärm.

Was wäre Ihre Lösung?
Die Passage am Gotthard sollte etwas kosten. Für fast jede Tunnelfahrt durch die Alpen wird in Europa eine Gebühr erhoben. Nur wir Schweizer mit dem teuersten und wertvollsten Loch im Gotthardmassiv bieten es gratis an. Der Mont-Blanc-Tunnel kostet 54,10 Euro. Der Gotthard dürfte meiner Meinung nach noch mehr kosten.

Wieso gibts noch keine Gotthard-Gebühr?
Das Auto ist des Schweizers liebstes Kind, und kein Politiker will die Autofahrer zur Kasse bitten – ausser einigen mutigen Grünen.

Was ist mit den Lastwagen? Müssten die für den Gotthard nicht auch bezahlen?
Wir bezahlen ja mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA 91,2 Rappen für jeden Kilometer – nicht nur am Gotthard. Der Lastwagen deckt seine Kosten selber. Dagegen sind 40 Franken für eine Autobahnvignette lächerlich.

Glauben Sie wirklich, dass eine Gotthard-Maut etwas an den Staus ändern würde?
Die Blechlawinen wird man nur wegbringen, wenn der Individualverkehr teurer wird. Dann wird man sich gründlich überlegen, ob man überall mit dem Auto hinfahren will oder nicht.

Aber auch die Lastwagen verstopfen die Strassen. Warum gehen nicht mehr Güter auf die Bahn?
Die Bahninfrastruktur reicht dafür nicht aus – auch weil der Personenverkehr Vorrang hat. Gleichzeitig sind die Lastwagen dank der LSVA effizienter geworden: Heute sind 500 schwere Lastwagen weniger auf den Strassen unterwegs. Und die verbliebenen befördern 30 Prozent mehr Menge. Aber auch ich rege mich manchmal auf, welch unsinnige Transporte gemacht werden.

Was meinen Sie?
In den Läden haben wir zu jeder Jahreszeit ein Vollsortiment an Früchten und Gemüse. Die Gründung der EU hat eine wahre Transportschlacht auf den Strassen ausgelöst.

Warum?
Freier Warenverkehr, Grenzen und Zölle, die weggefallen sind. In Portugal wird mir ein Kaffee mit Rahm aus Norwegen serviert. Und jedes Jahr verlassen 300 000 Tonnen Altpapier die Schweiz – welche die Papierfabrik im luzernischen Perlen dann wieder importieren muss.

Was bringt Ihre Branche sonst noch unter Druck? Die Fahrer aus Osteuropa?
Ja, aber es gibt bereits noch billigere aus Asien. Eine der grössten europäischen Transportfirmen hat ein Rekrutierungszentrum in Indien aufgemacht. Diese Fahrer trifft man hier bereits an.

Sie stellen auch Fahrer aus Osteuropa an.
Ich kam nicht drum herum. Sonst hätte ich gewisse Bereiche meiner Firma schliessen müssen.

Wie viele Ihrer Fahrer kommen denn aus Osteuropa?
Wir haben eine Niederlassung in der Slowakei mit knapp 100 Chauffeuren. Sie fahren international und zu einem tieferen Gehalt als ein Deutscher oder ein Italiener. Ein trauriges Kapitel, dass Menschen fern ihrer Heimat und ihrer Familien den Billigtransport für einen ganzen Kontinent aufrechterhalten müssen.

Wie geht es Ihrer Firma heute auf einer Skala von 1 bis 10?
Wir haben uns in den letzten 25 Jahren dreimal neu erfunden. Sonst gäbe es uns nicht mehr. Heute müssen wir achtmal mehr Waren bewegen, um dasselbe zu verdienen wie vor 20 Jahren.

Im Reifenlager: Sohn Livio (r.) arbeitet in der Firma und studiert nebenbei Betriebsökonomie.
Foto: Kurt Reichenbach

Lohnt sich dieser Aufwand?
Ich glaube, dass unser Geschäft wieder einfacher wird. Alles ist in Bewegung: die Welt, die Wirtschaft, der Verkehr. Aber es kann halt 30 Jahre dauern, bis es wieder normaler wird.

Noch mal: Wie geht es Ihrer Firma?
Wir sind bei einer Acht.

Wirklich?
Wir haben eine gute Mannschaft, gute Kunden und einen sehr guten Eigenfinanzierungsgrad. Wir sind so rentabel, wie man es in dieser Branche halt sein kann. Geld ist nicht alles, wir dürfen dankbar sein.

Warum fahren Sie selbst noch Lastwagen?
Das ist wohl schwierig zu erklären, wenn man dieses Virus nicht hat.

Probieren Sie es.
Es ist wilder als der Büroalltag. Man trifft Menschen, sieht verschiedene Landschaften, kann seinen Gedanken nachhängen ohne ständige E-Mails, Telefonate oder Sitzungen. Musik an und singen – da fühle ich mich wieder so wie mit 20 als Chauffeur in Vaters Diensten.

Sie sagten, dass Sie heute mehr Lastwagen brauchen, um denselben Gewinn zu erzielen. Das klingt nicht sehr nachhaltig.
Der Konsum hat zugenommen, darum braucht es mehr Lastwagen. Aber der LKW ist in vollem Wandel. Unsere Firma will bis Ende 2025 im nationalen Verkehr CO2-neutral sein.

Wie wollen Sie das machen?
Es stehen 350 Biodiesel-LKWs im Einsatz, auch Wasserstoff wenden wir an. Die ersten vier Elektro-LKWs sind im Verkehr, 25 weitere folgen. In zwei Wochen verabschieden wir uns vom fossilen Diesel an unserer Tankstelle und stellen auf HVO um – ein aus Abfällen synthetisch hergestellter Treibstoff. In den nächsten Jahren werden weitere neue Technologien dazukommen.

Schön und gut, aber Stand heute verpesten Lastwagen die Luft und verstopfen die Strassen.
Neben den 6,5 Millionen Autos in der Schweiz, ja … Wir sind Teil der Wirtschaft. Wer uns den schwarzen Peter zuschieben will, baut bitte sein Gemüse selber an, besorgt sich eine Kuh, schreinert seine Möbel und bringt den Müll mit Velo und Anhänger zur Verbrennung. Wenn wir so leben, dann brauchen wir weder Autos noch LKWs.

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