Ukraine-Krieg habe VBS und Armee «keineswegs überrascht»
Amherds Selbstlob sorgt für Stirnrunzeln

Verteidigungsministerin Viola Amherd will von der Kritik der parlamentarischen Aufsicht nichts wissen. Der Ukraine-Krieg habe sie nicht überrascht, behauptet sie. Das kommt im Parlament nicht gut an.
Publiziert: 07.05.2022 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2022 um 12:09 Uhr

Der Auftritt von Bundespräsident Ignazio Cassis (61) war symbolisch für eine orientierungslos wirkende Landesregierung: Am ersten Tag des Ukraine-Kriegs trat der Aussenminister vor die Medien und verlas eine Erklärung. Schon nach wenigen Minuten verschwand er wieder und überliess es seinen überforderten Beamten, die Sanktionspolitik des Bundesrats zu erklären. Zurück blieben mehr Fragen als Antworten. Komplette Hilflosigkeit!

«Wenn der Bundesrat auf den Ukraine-Krieg vorbereitet gewesen sein will und dennoch ein solches Verhalten und eine solche Kommunikation an den Tag legt, will ich nicht dabei sein, wenn er unvorbereitet von einer Krise getroffen wird», kommentiert SP-Nationalrätin Franziska Roth (56). «Die Regierung wirkte überfordert.»

Aus Fehlern nichts gelernt

Zu diesem Schluss war vor kurzem auch die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments gekommen. Der Bundesrat sei von der Krise völlig unvorbereitet getroffen worden. Die scharfe Kritik ging vorab an den Sicherheitsausschuss mit Aussenminister Cassis, Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) und Verteidigungsministerin Viola Amherd (59).

Viola Amherd an der SVP-Tagung: Ihr VBS sei von der russischen Invasion keineswegs überrascht gewesen, betonte die Verteidigungsministerin.
Foto: Twitter/Violapamherd
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Das Sicherheitsmanagement sei offensichtlich völlig ungenügend. Aus dem Kosovo-Krieg 1999, der Cyberattacke auf die Ruag 2016, der Crypto-Affäre oder der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan seien zu wenig Lehren gezogen worden.

Amherd will nicht schuld sein

Das wollte Mitte-Bundesrätin Amherd nicht auf sich sitzen lassen. Der Ukraine-Krieg habe das Verteidigungsdepartement (VBS) und die Armee «keineswegs überrascht», auch wenn das teilweise behauptet werde, hatte sie am Donnerstagabend an einem SVP-Anlass erklärt.

Ihr VBS habe schon im sicherheitspolitischen Bericht im November darauf hingewiesen, dass Russland «zunehmend konfrontativ» auftrete «und auch einen bewaffneten Konflikt in Europa provozieren könnte», wehrte sich Amherd gegen Kritik der parlamentarischen Aufsicht. Nur: «Praktisch niemand hat diese Feststellung zur Kenntnis genommen.»

Rechtfertigungen kommen nicht gut an

Im Parlament sorgt das für Stirnrunzeln. «Noch kurz vor Kriegsbeginn hat Armeechef Thomas Süssli in der Sendung ‹NZZ Standpunkte› erklärt, es sei unwahrscheinlich, dass Russland in der Ukraine einmarschiert», kontert SVP-Ständerat Alex Kuprecht (64). «Ich würde Viola Amherd wärmstens empfehlen, sich die Sendung einmal anzusehen.»

Ganz offensichtlich sei das VBS auf den Ukraine-Krieg in dieser Form eben doch nicht vorbereitet gewesen. Genauso wenig wie der Nachrichtendienst, der nun länger führungslos gewesen sei. «Das alles steht im Widerspruch zu den Aussagen von Bundesrätin Amherd», findet Kuprecht.

Auf SP-Sicherheitspolitikerin Roth macht Bundesrätin Amherd einen beleidigten Eindruck. «Das wirkt nicht gerade staatsmännisch», sagt sie. «Statt den GPDel-Bericht ernst zu nehmen und Lehren daraus zu ziehen, versucht man nun, sich zu rechtfertigen.» (dba)

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