Um Nordafrikaner abzuschrecken
Baume-Schneider testet den Asylturbo

Kommen Nordafrikaner in die Schweiz, beginnt sofort der Asylprozess. Innert 24 Stunden soll er grösstenteils abgeschlossen sein. Ein entsprechendes Pilotprojekt läuft bereits. Doch an dessen Nutzen gibt es Zweifel.
Publiziert: 22.11.2023 um 08:36 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2023 um 09:17 Uhr

Die SVP kritisiert Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) unablässig: Sie sei mitverantwortlich für das Asylchaos, ja sogar ein Sicherheitsrisiko für unser Land. Wohl auch, um diese Kritik zu kontern, testet die Bundesrätin nun eine härtere Gangart. Gewisse Asylgesuche sollen im Schnellverfahren bearbeitet werden – innert 24 Stunden, schreiben die Tamedia-Zeitungen.

Seit letzter Woche läuft in Zürich ein Pilotversuch bis Ende Februar 2024. Betroffen sind Asylsuchende aus Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien. Kommen sie in die Schweiz, beginnt sofort der Asylprozess. Innerhalb eines Tages sollen sämtliche Arbeitsschritte für einen Asylentscheid durchgeführt werden. Dadurch will Baume-Schneider die Effizienz steigern. Letztlich geht es aber vor allem um Abschreckung.

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider testet ein Asyl-Schnellverfahren.
Foto: keystone-sda.ch
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Denn die Asylsuchenden aus Nordafrika erhalten äusserst selten einen positiven Entscheid – und dennoch stellen sie einen erheblichen Teil aller Gesuche. Mehr als jeder fünfte Antrag stammte 2023 von ihnen, weniger als zwei Prozent erhielten Asyl. Einzige Ausnahme sind Personen aus Libyen. Von ihnen wurden 10 Prozent als Flüchtlinge anerkannt.

Asylsuchende bleiben trotzdem länger

Allerdings bleibt unklar, wie effektiv diese Massnahme ist. Bereits früher gab es schnellere Asylprozesse. Ab 2012 hiessen sie 48-Stunden-Verfahren. Wie viele Personen dadurch abgehalten wurden, kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) gegenüber Tamedia nicht beziffern.

Letztlich hielten sich die Asylsuchenden stets länger als zwei Tage in der Schweiz auf. Dies aufgrund der umständlichen Papierbeschaffung im jeweiligen Herkunftsland. Das dürfte auch beim jüngsten Turbogang nicht anders sein.

Abschreckung doch nicht so wirksam?

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht das Turbo-Verfahren kritisch. Es bestehe die Gefahr, dass die Asylgründe nicht ausreichend abgeklärt würden. Zudem zeige die Forschung, dass bei der Wahl des Ziellandes nicht die Verfahren zentral seien, sondern Faktoren wie Familie, Community, Sprache und kulturelle Nähe.

Auch im Turbo-Verfahren würden rechtsstaatliche Prinzipien gelten, sagt das SEM gegenüber den Tamedia-Zeitung. Dazu gehören der Anspruch auf eine unentgeltliche Rechtsvertretung, sämtliche Verfahrensgarantien und somit auch Rekurse gegen einen negativen Asylentscheid. Nur die wenigsten werden die Schweiz nach einem Tag wieder verlassen.

Baume-Schneider erhofft sich mit ihrem Asylturbo dennoch eine Signalwirkung – auch innenpolitisch. Im Sinne von: Soll nur einer kommen und der Asylministerin sagen, sie mache nichts. (rba)

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