Umstrittenes Chemie-Mandat
Als Hans-Ueli Vogt ausgebuht wurde

Der SVP-Anwärter für einen Bundesratsposten war in ein unschönes Kapitel der Schweizer Wirtschaftsgeschichte involviert. Mit durchzogener Bilanz. Er verteidigt sich.
Publiziert: 27.11.2022 um 00:54 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2022 um 09:40 Uhr

Aus dem Halbdunkel einer abgebrochenen Politkarriere ist Hans-Ueli Vogt (52) ins Rampenlicht einer Bundesratskandidatur galoppiert. Der Zürcher steht auf dem Ticket der SVP – und das Publikum fragt sich: Hat der Rechtsprofessor das Zeug, ein Departement mit mehreren Tausend Leuten zu führen? Wird der Ex-Nationalrat aus dem Industriequartier Albert Rösti (55) gefährlich, dem politisch hochvernetzten Favoriten mit Bundesberner Stallgeruch?

In den anstehenden Hearings mit den Fraktionen wird es wohl auch darum gehen, wie es um die fachlichen und rhetorischen Fähigkeiten Vogts steht: Könnte er als Magistrat den Massen eine schmerzliche, aber notwendige Vorlage verkaufen?

Nicht unbedingt hilfreich dürfte dabei seine Rolle im Fall Sika sein, die derzeit wieder herumgereicht wird. Man erinnert sich: Um den Schweizer Chemiekonzern ist vor ein paar Jahren eine hässliche Übernahmeschlacht entbrannt.

Als Gutachter der Familie Burkard trat Vogt mehrmals an einer Sika-GV auf – und stiess nicht immer auf Begeisterung.
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Mitten im Getöse

Anlass des Streits: Die Gründerfamilie Burkard wollte ihre Aktienanteile von rund 17 Prozent und die damit garantierte Stimmrechtsmehrheit an den französischen Industrieriesen Saint-Gobain verkaufen – gegen den Willen des Sika-Managements. Es folgte eine zähe Auseinandersetzung, in die – über seine Stiftung – sogar Microsoft-Gründer Bill Gates (67) involviert war.
Die Öffentlichkeit rümpfte über das millionenschwere Juristenfutter die Nase: Sind da Erben am Werk, die für den schnöden Mammon das 1910 gegründete Schweizer Traditionshaus ins Ausland verscherbeln wollen?

Mitten im Getöse stand Hans-Ueli Vogt, und zwar aufseiten der Burkards, denen er als Gutachter diente. Er habe «gewisse Rechtsfragen für die Familie abgeklärt», sagte Vogt bei einem Auftritt. Dass Uni-Dozenten nebenbei als Berater wirken, ist nichts Aussergewöhnliches. Vogt erwähnt auf seiner Webseite 19 solcher Engagements.

Zu reden geben allerdings zwei seiner Auftritte an Sika-Generalversammlungen 2016 und 2017, deren Mitschnitte Vogt auf seiner Website aufgeschaltet hat. Der Professor wirkt darin auffällig emotional; in einer Passage seines Referats 2016 richtet er sich direkt an die Sika-Spitze und attestiert dieser, «auf dünnem Eis» zu wandeln. «Ich frage mich, wie gut sie noch schlafen», sagt er, worauf ein unüberhörbares Raunen durch den Saal geht.

Hans-Ueli Vogt soll Bundesrat werden
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Er selbst ist überrascht:Hans-Ueli Vogt soll Bundesrat werden

Vergleich mit einer Waffe

Im Folgejahr redet sich Vogt an der GV in Eifer, als er dem Management vorwirft, die Einschränkung der Aktienverkäufe gegen die Familie Burkard anzuwenden. Denn die Möglichkeit dieser Einschränkung habe man einst nur dank Burkards erhalten. Dabei versteigt sich der SVP-Politiker zu einer heiklen Aussage: «Es ist, als ob der, der eine Waffe geschenkt bekommen hat, sie gegen den richtet, der sie ihm geschenkt hat.» Der Vergleich mit der Waffendrohung ist zu viel. Buhrufe ertönen, aber auch Applaus.

Dazu sagt Vogt heute: «Es ging darum, eine komplexe juristische Frage anschaulich darzustellen. Mit dem Vergleich habe ich aufgezeigt, dass die Vinkulierung gegen den Hauptaktionär angewendet wird, obwohl er sie zum Schutz seiner Position eingeführt hat. Eine solche Auslegung schien mir mit Blick auf die gesamten Umstände fragwürdig. Ich fand den Vergleich damals passend.»

Die Burkards jedenfalls verfehlten ihr ursprüngliches Ziel über die Gerichtsinstanzen hinweg. Erst 2018 kam es zu einer Einigung: Saint-Gobain durfte zwar bei Sika einsteigen, jedoch zu einem viel kleineren Anteil und ohne Stimmenmehrheit.

Hat Vogt also falsch beraten? Er sagt: «Ich habe als Gutachter zu einzelnen Rechtsfragen zuhanden der Familie Burkard bzw. ihrer Anwälte Stellung genommen. Ich habe die Familie nicht rechtlich beraten; das ist immer die Aufgabe der Anwälte. Zudem betraf mein Gutachten Rechtsfragen, die beim Entscheid des Kantonsgerichts Zug keine Rolle spielten.»

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