«Unmenschlicher Druck»
Digitalisierungschef des BAG erlitt während Pandemie Burn-out

Kim Sang-Il war anderthalb Jahre lang der Digitalisierungschef im Bundesamt für Gesundheit (BAG), bis er ein Burn-out erlitt. Nun übt er Kritik.
Publiziert: 17.09.2022 um 15:36 Uhr
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Aktualisiert: 17.09.2022 um 15:38 Uhr

Seit 2019 war Kim Sang-Il Digitalisierungschef im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Er startete mit grossen Hoffnungen, die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen voranzutreiben. Nach anderthalb Jahren gab es die Stelle wieder ab, er erlitt ein Burn-out.

«Eigentlich wusste ich, wie tief das Niveau der Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens ist – auch im Vergleich mit anderen Ländern. Das war der Grund, weshalb die Schweiz in der Pandemie, was den digitalen Informationsaustausch betrifft, ganz schlecht aufgestellt war und es bis heute ist», sagt Sang-Il gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Antworten auf Anfragen abgelehnt

Insbesondere auf die zweite Welle der Corona-Pandemie sei der Bund zu wenig vorbereitet gewesen. Einfachste Daten mussten von Hand eingetippt werden, die Impfkampagne startete plötzlich früher als geplant. «Das System zum Erfassen der Impfungen war nicht bereit, und wir kamen in einem Ausmass unter Druck, wie ich es noch nie erlebt habe, das war unmenschlich», beschreibt der ehemalige Digitalchef die Lage dem «Tages-Anzeiger». Der Druck auf ihn habe immer weiter zugenommen, bis alles zu viel wurde. Sang-Il nahm sich eine Auszeit, stieg im Mai 2021 wieder schrittweise ein. Ihm wurde allerdings schnell klar, dass die Stelle beim BAG nicht für ihn passte und kündigte auf Ende 2021. Wie er selbst sagt, wäre er auch ohne Pandemie nicht geblieben.

Seit 2019 war Kim Sang-Il Digitalisierungschef im Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Foto: keystone-sda.ch
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Sang-Il beschreibt, häufig Anfragen, beispielsweise wegen Vorstössen im Parlament, beantwortet zu haben, «ehrlich, transparent, fachlich korrekt. Meistens wurde die Antwort abgelehnt, nicht vom Gesamtbundesrat, sondern bereits auf Stufe des Generalsekretariats des Innendepartements. Aus Sorge davor, dass ihr Chef Alain Berset (50) sich mit so einer Antwort nicht durchsetzen kann», so Sang-Il, der inzwischen Professor an der Berner Fachhochschule ist.

Berset und die Digitalisierung

Sein Appell: Die Schweiz müsse die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. So könnten Fehler verhindert werden. Ob dies Bundesrat Alain Berset genügend umsetzt, meint er nur: «Die Herausforderungen der Altersvorsorge liegen ihm da näher.» (lui)

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