Unterschriften für Anti-Zuwanderung-Initiative beisammen
«Alle unsere grossen Probleme haben mit der Zuwanderung zu tun»

In Rekordzeit hat die SVP die nötigen Unterschriften für ihre Initiative gegen eine 10-Millionen-Schweiz gesammelt. Nun prüft die Partei sogar, rechtlich gegen Beamten im Aussendepartement vorzugehen, wie SVP-Nationalrat Thomas Matter im Interview mit Blick verrät.
Publiziert: 10.02.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2024 um 10:22 Uhr

Thomas Matter (57) empfängt Blick in der Helvetischen Bank in Zürich. Seiner Bank. Der Name passt. Der SVP-Nationalrat hält als Parteileitungsmitglied die Schweizer Werte bei jeder Gelegenheit hoch. Genauso wie seine Partei. Und sie will diese Werte verteidigen.

Ein Dorn im Auge ist der SVP dabei ganz besonders die Zuwanderung. Denn die Schweizer Bevölkerung wächst rasant. Dem will die SVP einmal mehr einen Riegel schieben – und auf jeden Fall eine 10-Millionen-Schweiz verhindern. Das ist das erklärte Ziel der sogenannten Nachhaltigkeits-Initiative. Gleichzeitig bekämpft sie den neusten EU-Vertragsentwurf. Ihr Vorwurf an die Beamten von Aussenminister Ignazio Cassis (62): Landesverrat!

Blick: Herr Matter, letzten Juli haben Sie die Nachhaltigkeits-Initiative gegen eine 10-Millionen-Schweiz lanciert. Wie weit sind Sie mit der Initiative?
Thomas Matter: Die Initiative steht. Wir haben rund 110'000 beglaubigte Unterschriften beisammen und fordern nun die Sektionen auf, restliche Unterschriftenbögen rasch zurückzuschicken. Wir werden die Initiative Ende März oder Anfang April einreichen.

Die SVP um Nationalrat Thomas Matter hat für die «Nachhaltigkeits-Initiative» gesammelt.
Foto: Siggi Bucher
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Persönlich

Er zählt zu den Millionären in den Reihen der SVP, was zur grossen Schlagkraft der Partei beiträgt. Aufgewachsen im Baselbiet arbeitete Thomas Matter nach der Ausbildung zum Bankkaufmann für verschiedene Geldinstitute im In- und Ausland. Zusammen mit Weggefährten gründete er 2011 die Neue Helvetische Bank, die er präsidiert. Nach dem Rücktritt von Christoph Blocher rückte Matter 2014 in den Nationalrat nach. Der 57-Jährige ist verheiratet, Vater von vier Töchtern und lebt in Meilen ZH.

Er zählt zu den Millionären in den Reihen der SVP, was zur grossen Schlagkraft der Partei beiträgt. Aufgewachsen im Baselbiet arbeitete Thomas Matter nach der Ausbildung zum Bankkaufmann für verschiedene Geldinstitute im In- und Ausland. Zusammen mit Weggefährten gründete er 2011 die Neue Helvetische Bank, die er präsidiert. Nach dem Rücktritt von Christoph Blocher rückte Matter 2014 in den Nationalrat nach. Der 57-Jährige ist verheiratet, Vater von vier Töchtern und lebt in Meilen ZH.

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Das ist rekordverdächtig schnell.
Die Migrationsproblematik brennt den Menschen unter den Nägeln. Seit 2002 ist die Bevölkerung um 1,5 Millionen gewachsen. Alleine 2022 sind inklusive Ukraine-Flüchtlingen und Asylbewerbern über 180'000 Menschen hinzugekommen. Ein solches Wachstum können wir nicht aufrechterhalten, wenn wir unsere schöne Schweiz bewahren wollen. Alle grossen Probleme, die unser Land hat, haben direkt oder indirekt mit der Zuwanderung zu tun.

Sie machen die Ausländer zum Sündenbock für alles. Das ist purer Populismus.
Es ist schlicht eine Tatsache, dass die enorme Zuwanderung für die Bevölkerungsexplosion verantwortlich ist. Und für die damit verbundenen Probleme: Wohnungsnot, steigende Mieten, steigende Gesundheits- und Sozialkosten, Staus auf den Strassen und überfüllte Züge, das Risiko eines Strommangels, Integrationsprobleme an den Schulen, ein vor dem Kollaps stehendes Gesundheitswesen, mehr Schwerkriminalität. Wir kommen in fast allen Bereichen an den Anschlag.

2014 wurde die Masseneinwanderungs-Initiative angenommen. Warum reicht Ihnen diese nicht aus?
Weil sie schlicht nicht umgesetzt wurde! Kurz danach hatte das Bundesgericht entschieden, dass das Völkerrecht über unserer Verfassung steht. Das nahm die Mitte-links-Mehrheit im Parlament zum Anlass, nichts zu tun und an der Personenfreizügigkeit kein Komma zu ändern. In der Debatte wurde uns vorgeworfen, wir hätten halt eine Kündigung der Personenfreizügigkeit fordern müssen.

Das korrigieren Sie nun mit einer Art Guillotine-Klausel: Wird die 10-Millionen-Grenze während zwei Jahren überschritten, muss der Bundesrat das Freizügigkeitsabkommen kündigen.
Wir geben Bundesrat und Parlament die Chance, dieses Szenario zu verhindern. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Zuwanderung, wir müssen sie aber selber steuern und kontrollieren können. Wird die 9,5-Millionen-Grenze überschritten, braucht es Massnahmen. Die Initiative stärkt die Verhandlungsposition des Bundesrats gegenüber der EU, um die Personenfreizügigkeit mit Schutzklauseln auszustatten. Also das Gegenteil davon, was mit dem jetzigen zur Diskussion stehenden EU-Rahmenabkommen 2.0 geschieht, wo die Personenfreizügigkeit noch ausgebaut wird.

Wo sehen Sie da einen Ausbau?
Beispielsweise durch die weitgehende Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie. Damit würden EU-Bürger schon nach 5 statt 10 Jahren eine Niederlassungsbewilligung erhalten und dürften auch hierbleiben, wenn sie arbeitslos oder sozialhilfeabhängig werden. Das ist ein krasser Verstoss gegen unsere Verfassung. Daher prüfen wir, ob wir strafrechtlich gegen die Verantwortlichen im Aussendepartement vorgehen werden.

Wie bitte? Aus welchem Grund?
Weil dieses Rahmenabkommen gegen mehrere Artikel unserer Bundesverfassung verstossen und die Interessen der Schweiz nicht wahren würde. Auch die direkte Demokratie und der Föderalismus würden massiv beeinträchtigt. Wer ein solches Abkommen aushandelt, der begeht Landesverrat!

Aussenminister Ignazio Cassis ist für Sie ein Landesverräter?
Jeder Beamte im Aussendepartement, der für die Verhandlungen zuständig ist und diesen Kolonialvertrag unterstützt und gar noch fördert, trägt die volle Verantwortung. Das EDA ist zum Satelliten aus Brüssel mutiert, der EU-Interessen statt Schweizer Interessen vertritt.

Das ist doch bloss politisches Säbelrasseln.
Warten Sie ab. Wir prüfen derzeit ernsthaft die rechtliche Ausgangslage.

Zurück zu Ihrer Initiative: Der Bundesrat prüft derzeit das Szenario, wie eine lebenswerte 10-Millionen-Schweiz möglich würde.
Die Lebensqualität in der Schweiz leidet jetzt schon mit 9 Millionen. Ich sehe mittelfristig kein Szenario, wie sich dies mit 10 Millionen verbessern soll.

Unsere Lebensqualität steigt doch nicht, wenn uns zunehmend Fachkräfte fehlen. Etwa Pflegefachleute im Gesundheitswesen. Oder Ingenieure in der Industrie.
Dafür brauchen wir keine unbegrenzte Zuwanderung. Im Gegenteil: Sie verschärft den Fachkräftemangel. Stattdessen müssen wir die Zuwanderung steuern und jene Leute holen, die wir auch wirklich brauchen. Mit der aktuellen von Mitte-links verantworteten Zuwanderungspolitik kommen nicht nur zu viele, sondern auch die Falschen in unser Land. Seit Jahren stagniert der Wohlstand pro Kopf.

Demografieforscher rechnen damit, dass die Bevölkerung auf noch gut 9,5 Millionen wächst und danach – etwa wegen der tiefen Geburtsrate – wieder abnimmt. Ihre Initiative ist unnötig.
Ich habe schon viele Märchen gehört, da kann ich nur lachen. Im Abstimmungskampf um die Personenfreizügigkeit hat der Bundesrat von einer Netto-Zuwanderung von 8000 bis 10'000 EU-Angehörigen gesprochen. Die Realität sind jedoch jährlich etwa 40'000 bis 60'00 EU-Zuwanderer. Inklusive Drittstaaten sogar 80'000. Und dies noch ohne den ganzen Asylbereich. Insgesamt kommen derzeit jedes Jahr 100'000 Zuwanderer hinzu. So kann es nicht weitergehen.

Nur: Wenn wir die Bevölkerungszahl deckeln, fehlen dann nicht irgendwann die Jungen?
Das ist so. Wir werden deswegen auch Probleme haben bei den Sozialwerken wie der AHV oder den Pensionskassen. Aber da müssen wir durch und bessere Lösungen finden! Wenn wir einfach immer mehr Menschen in die Schweiz holen, um die steigenden AHV-Beiträge zahlen zu können, geraten wir in ein Schneeballsystem und fahren unser ganzes Land an die Wand.

Vielleicht sollte es die SVP besser mit einer Geburtenprämien-Initiative versuchen, um das Problem im Inland zu lösen.
Die Bevölkerung kann schrumpfen und der Wohlstand dennoch wachsen – wenn nämlich das Wachstum pro Kopf steigt. Man wird mit weniger Leuten – pro Kopf gerechnet – meist auch viel produktiver. Doch nochmals: Die SVP ist nicht gegen Zuwanderung. Aber wir wollen sie wieder selber steuern.

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