Wegen schleppender Initiative «Stop F-35» drohen Mehrkosten und Lieferprobleme
Spielen Kampfjet-Gegner auf Zeit?

Bürgerliche schlagen Alarm. Der Ukraine-Krieg zeige: Die Schweiz braucht dringend neue Kampfjets. Doch die Initiative «Stop F-35» droht, die Beschaffung zu verzögern. Auch Verteidigungsministerin Viola Amherd macht Druck. Die Initianten aber zeigen sich unbeeindruckt.
Publiziert: 24.03.2022 um 10:06 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2022 um 22:10 Uhr
Daniel Ballmer

Der Krieg in der Ukraine hat die Schweizer Politik aufgeschreckt. Bürgerliche blasen zur Aufrüstungsschlacht. Das Armeebudget soll aufgestockt, die Beschaffung der umstrittenen US-Tarnkappenjets F-35 dringend beschleunigt werden.

Das ist Wasser auf die Mühlen von Verteidigungsministerin Viola Amherd (59). Sie forderte die Kampfjet-Gegner um die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), SP und Grüne sogar dazu auf, die Unterschriftensammlung für ihre Initiative «Stop F-35» abzubrechen.

Weil diese davon nichts wissen wollen, drängt Amherd nun zumindest zur Eile. Werde die Initiative nicht bis Ende März eingereicht, gebe es «null Chancen, vor 2024 darüber abzustimmen», betonte sie im Parlament. Die Kaufofferte der USA sei aber nur bis März 2023 gültig.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Welt erschüttert – auch die Schweizer Politik.
Foto: DUKAS
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«Die Zeit spielt eher für uns»

Bereits haben die Initianten rund 90'000 der 100'000 nötigen Unterschriften zusammen. Sie sind also im Endspurt und könnten das Volksbegehren bald einreichen – und das, obwohl die Sammelfrist erst Ende Februar 2023 ausläuft.

Grund zur Eile sehen die Kampfjet-Gegner aber nicht. «Wir sind gut dran, die Initiative wird definitiv zustande kommen, aber wir müssen doch noch einige Unterschriften zusammenkriegen», stellt GSoA-Sekretär Jonas Kampus klar. Wann aber die Initiative eingereicht werden soll, bleibt unklar: «Wir werden die Unterschriften einreichen, wenn wir genügend haben.»

Von einer bewussten Verzögerung wollen die Initianten nichts wissen. Ziel bleibe es, die Initiative im Parlament gemeinsam mit der Armeebotschaft im Herbst zu beraten, sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (53).

Den Initianten ist klar, ihre Chancen vor dem Volk derzeit gering sind. «Wegen des Ukraine-Kriegs ist das Momentum sicher nicht auf unserer Seite», räumt Seiler-Graf ein. Die Unterschriftensammlung laufe dennoch in gewohntem Tempo weiter, sagt Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (41). Bis zu einem Abstimmungstermin habe sich die Ausgangslage dann vielleicht wieder geändert. «Die Zeit spielt eher für uns», meint auch Seiler Graf.

Es drohen Mehrkosten und Verzögerungen

Kampfjet-Befürworter sehen damit ihre Befürchtungen bestätigt. «Die Initianten werden alles unternehmen, um ihre Initiative so spät wie möglich einzureichen», glaubt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43). Den Gegnern sei klar, dass ihre Initiative derzeit chancenlos sei.

Er spielt damit auch auf eine neue Umfrage an, wonach vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für den Kampfjet-Kauf stimmen würden. Sogar bei der SP sollen derzeit nur 50 Prozent für die Initiative sein.

Die derzeitige Stimmung im Land ist für die Initianten ein Problem. Je später sie ihre Initiative einreichen, desto mehr werden sich die Gemüter bis zur Abstimmung wieder etwas beruhigt haben. Doch das hätte auch Folgen für die Beschaffung: Läuft im März 2023 die Frist ungenutzt aus, hat die Schweiz keine verbindliche Offerte mehr. Nachverhandlungen würden nötig. Damit drohten nicht nur Verzögerungen, sondern auch höhere Kosten, warnte Amherd.

Immerhin haben mit Finnland und Deutschland bereits weitere europäische Staaten beschlossen, ebenfalls F-35-Kampfjets zu beschaffen. Die Schweiz droht, plötzlich hinten anstehen zu müssen.

«Versuch, uns den Schwarzen Peter zuzuschieben»

Das wird von der Herstellerfirma Lockheed Martin bestätigt. Die US-Garantie für die Lieferung der 36 F-35 an die Schweiz laufe im Frühling 2023 aus. «Das heisst: Die entsprechende Garantie für eine rechtzeitige Lieferung bis 2030 besteht nicht mehr», stellt Sprecher Andreas Bantel klar. Und alleine aufgrund der Teuerung müsste die Schweiz mit höheren Kosten rechnen.

Um solche Szenarien zu verhindern, sind im Ständerat bereits Stimmen laut geworden, die Jet-Beschaffung trotz laufender Unterschriftensammlung bereits zu beschliessen. Das, obwohl der Bundesrat in seiner Armeebotschaft versichert hatte, dass er erst die Initiative abwarten wolle. Zwingend nötig scheint das nicht zu sein. Staatsrechtler sind zum Schluss gekommen, dass die angekündigte Initiative grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat.

Die Initianten lassen sich davon nicht beirren. «Das panikartige Verhalten von Bundesrätin Amherd hat uns eher darin bestärkt, an unserem Vorhaben festzuhalten», sagt Grünen-Nationalrätin Schlatter. Drohende Mehrkosten und Lieferprobleme sieht sie mehr als Druckmittel.

Das Verteidigungsdepartement habe die Initiative ja eigens in seinen Zeitplan einberechnet, ergänzt SP-Sicherheitspolitikerin Seiler Graf. «Läuft die Offerte tatsächlich aus, hat es einfach schlecht verhandelt. Nun versucht Amherd, uns den Schwarzen Peter zuzuschieben.»

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