Zankapfel Neutralität
Schweizer Rüstungsindustrie unter Druck

Die Schweizer Rüstungsindustrie ist nervös. Das Ausland rechnet nicht mehr mit der Schweiz.
Publiziert: 08.07.2023 um 20:01 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2023 um 08:09 Uhr
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Raphael RauchBundeshausredaktor

In der Schweizer Rüstungsindustrie herrscht höchste Nervosität. Die Neutralität macht die Eidgenossenschaft für das Ausland zu einer komplizierten Geschäftspartnerin. Erst vergangene Woche kündigten die Niederlande an, keine Rüstungsgüter mehr aus der Schweiz zu beschaffen.

Und der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall setzt inzwischen lieber auf Niedersachsen als auf Altdorf UR. «Rheinmetall respektiert die Neutralität der Schweiz. Allerdings lässt uns die gesetzliche Auslegung in Bezug auf den Export eingeschränkte Handlungsspielräume», erklärt der Konzern gegenüber SonntagsBlick. «Bestehende Arbeitsplätze sehen wir aktuell nicht in Gefahr, aber Ausbaupläne für unsere Schweizer Standorte mussten wir zunächst hintanstellen.»

Konkret bedeutet das: «Der Aufbau neuer Kapazitäten erfolgte für die Fertigung von Mittelkalibermunition nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland. Im Juli 2023 wird am Standort Unterlüss (D) als Reaktion auf den gestiegenen Bedarf die Produktion von Munition für Kaliber von 20 bis 35 Millimeter aufgenommen.»

Nach aussen hin ist zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich alles in Butter.
Foto: keystone-sda.ch
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Für Nervosität sorgt in der Schweiz auch ein Vorhaben in Brüssel. 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt sollen in die Rüstungsindustrie fliessen, um Munitionsbestände aufzufüllen. Am Donnerstag gab die spanische Ratspräsidentschaft ihre Zustimmung, formal müssen noch alle Mitgliedstaaten und das europäische Parlament zustimmen. Die Vereinbarung nimmt EU-Länder und das Nato-Land Norwegen in den Blick. Auf Anfrage von SonntagsBlick bestätigte Brüssel, dass die Schweiz von diesen Geldern nicht profitieren könne.

«Als potenzielle Lieferantin ist die Schweiz faktisch ausgeschlossen», kritisiert die Schweizer Rüstungslobby. «Damit verliert die Schweizer Sicherheits- und Wehrtechnikindustrie zunehmend ihren mit Abstand wichtigsten Markt und ihre Existenzgrundlage», sagt Stefan Brupbacher (55). Der Swissmem-Direktor sieht dadurch auch die Sicherheit der Schweiz in Gefahr: «Ohne eigene, relevante Industriebasis können die Systeme der Schweizer Armee nicht einsatzbereit gehalten werden. Und ohne solidarische Kooperation mit befreundeten Staaten kann die Schweiz im Ernstfall nicht mit deren Unterstützung rechnen.»

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