Zusammen mit Ursula von der Leyen plant er ebenfalls eine Ukraine-Konferenz
Stiehlt Scholz Cassis die Show?

Gemein! Nur sechs Tage bevor Bundespräsident Ignazio Cassis die Lugano-Konferenz eröffnet, kommt ihm der deutsche Kanzler Olaf Scholz in die Quere: Zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plant er plötzlich auch eine Ukraine-Wiederaufbaukonferenz.
Publiziert: 28.06.2022 um 17:55 Uhr
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Aktualisiert: 28.06.2022 um 21:57 Uhr
Daniel Ballmer und Sermîn Faki

Ein Donnerschlag aus heiterem Himmel: Nur sechs Tage vor der grossen Ukraine-Konferenz von Bundespräsident Ignazio Cassis (61) in Lugano TI geben der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (64) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63) plötzlich bekannt, selber eine Ukraine-Wiederaufbaukonferenz zu planen!

Zum Abschluss des G7-Gipfels auf Schloss Elmau in Bayern sagte Scholz vor der versammelten Weltpresse, gemeinsam mit von der Leyen wolle er eine solche Konferenz vorbereiten: Dort wolle man mit vielen anderen darüber sprechen, wie es gelingen könne, die Ukraine wieder aufzubauen.

Scholz droht Cassis aus dem Scheinwerferlicht zu drängen

Im Aussendepartement (EDA) von Cassis wird da einigen die Kinnlade heruntergefallen sein. Denn ab dem kommenden Montag treffen sich in Lugano 40 Staaten und 20 internationale Organisationen auf Einladung des FDP-Bundespräsidenten, um über genau das gleiche zu beraten: den Wiederaufbau der zerstörten Ukraine.

Lugano soll zum Schauplatz werden, an dem mit der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz Geschichte geschrieben wird.
Foto: keystone-sda.ch
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Cassis erhofft sich die Teilnahme mehrerer Staatschefs und Aussenminister. Namen aber will das EDA bis heute nicht rausrücken. Im Parlament wird bereits ein «B-Event» befürchtet. Der nun mit der Ankündigung von Scholz und den G7-Staaten in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen droht?

Kritische Stimmen aus dem Parlament

Bei Aussenpolitikern mehren sich kritische Stimmen. «Das zeigt mir, dass unsere Wiederaufbaukonferenz offensichtlich nicht wahrgenommen wird», kommentiert SVP-Nationalrat Franz Grüter (58). Für den Präsidenten der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats stellt dies den Sinn der Lugano-Konferenz infrage. «Hier scheinen sich Leute mit Konferenzen zu überbieten!»

«Es ist sehr bedauerlich, dass sich Ignazio Cassis mit den europäischen Partnern nicht auf ein koordiniertes Vorgehen zum Wiederaufbau der Ukraine einigen konnte», findet SP-Nationalrat Fabian Molina (31). Diese riesige Aufgabe brauche jede Unterstützung, die sie kriegen könne. «Aber mir scheint, dass bei der Konzeption da aufseiten des EDA Fehler gemacht wurden.»

Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter (58) dagegen erachtet die Lugano-Konferenz weiter als «ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung». Zudem demonstriere die Schweiz, «dass sie bereit ist, ihren Beitrag zu leisten».

Aussendepartement gibt Entwarnung

Von einem Affront will auch Cassis' Aussendepartement nichts wissen. Angesichts der Bedeutung der Aufgabe würden sich die internationalen Bemühungen um den Wiederaufbau der Ukraine ergänzen, sagt Sprecher Pierre-Alain Eltschinger. Der Weg führe über einen politisch-diplomatischen Prozess, der breite Unterstützung finde.

«Diesen integrativen Prozess wollen die Schweiz und die Ukraine in Lugano lancieren», sagt Eltschinger. «Aus dieser Sicht markiert die Lugano-Konferenz den Beginn des Wiederaufbauprozesses in der Ukraine.»

Von der Leyen kommt trotzdem nach Lugano

Aus dem Ausland heisst es ebenfalls, dass die Bemühungen der Schweiz in keinster Weise geschmälert werden sollen. Der Wiederaufbau der Ukraine sei eine so grosse Herausforderung, dass es nicht genug Planung und Absprachen geben könne. Eitelkeiten spielten da auf keiner Seite eine Rolle – es gehe nur darum, für die Ukraine die beste Lösung zu finden. Dafür seien mehrere Konferenzen und Gipfel nötig, die aufeinander folgen werden und nicht in Konkurrenz zueinander stünden.

Für diese Lesart spricht, dass von der Leyen weiterhin beabsichtigt, an der Lugano-Konferenz teilzunehmen. Dies bestätigt die EU-Botschaft in Bern. Ihre Teilnahme sei nie in Frage gestellt gewesen.

Die deutsche Konferenz soll «in keinerlei Konkurrenz» zur Lugano-Konferenz stehen, versichert auch ein Sprecher der deutschen Bundesregierung. Diese werde im Tessin durch die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze (53), vertreten sein.

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