Alpen-Aktivist fordert Verbot von Heliskiing
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«Lieber zu Fuss in die Berge»:Alpen-Aktivist fordert Verbot von Heliskiing

Zahlen zeigen erstmals Heli-Skiing-Boom
Tausende lassen sich in die Berge fliegen – sogar auf die Piste

Jeder Schneesportler träumt vom unberührten Tiefschnee und einer stundenlangen Abfahrt mitten in den Alpen. Ein Helikopter macht das ohne Anstrengung möglich. Zahlen zeigen erstmals, wie beliebt das Wallis dafür ist.
Publiziert: 03.03.2024 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2024 um 17:56 Uhr
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Pascal ScheiberReporter

Heliport Interlaken-Gsteigwiler im Berner Oberland: Sieben Gäste aus der Schweiz wollen heute mit dem Helikopter hoch auf 4000 Meter über Meer. Ihr Ziel: eine stundenlange Abfahrt mit den Ski durch den unberührten Tiefschnee. Bergführer Martin Burgener (50) empfängt die Gruppe neben dem Helikopter. Er kontrolliert die Ausrüstung, instruiert die Gäste. Burgener verteilt Klettergurten für den Fall einer Rettung aus einer Gletscherspalte, Lawinensuchgeräte, Sonden und Schaufeln. Im Notfall soll das Material helfen, einen Verschütteten zu bergen.

Alle Gäste haben den Heliskiing-Tag bei der Firma Swiss Helicopter AG gebucht. Das heisst: mit dem Helikopter hoch auf den Berg, mit den Ski hinunter und das Ganze nochmals. Kostenpunkt: 430 Franken für zwei Flüge. 

8.50 Uhr: Der Helikopter ist im Anflug auf den Gebirgslandeplatz Ebnefluh zwischen Bern und dem Wallis, mit einer Gruppe Heliski-Gästen.
Foto: Scheiber Pascal
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Es geht los: Die Ski werden in ein Gitter ausserhalb des Helikopters geladen. Die Gästegruppe teilt sich auf. Der Helikopter fliegt zweimal hoch, da die Platzanzahl beschränkt ist. Wir heben ab – vorbei an Eiger, Mönch und Jungfrau. Innert zehn Minuten gewinnen wir über 3000 Höhenmeter und landen auf dem Gebirgslandeplatz Ebnefluh auf 3961 Meter über Meer. Dort startet die Tiefschneeabfahrt. Während einer Saison mehrere Hundert Mal.

Tausende Skifahrer lassen sich pro Jahr auf den Berg fliegen

Zwischen 2010 und 2022 landeten im Schnitt 250 Helikopter pro Jahr auf der Ebnefluh. Sie transportierten jährlich rund 900 Tourengänger. Das zeigen exklusive Zahlen des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl), die dem Blick vorliegen.

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In der Schweiz gibt es 40 Gebirgslandeplätze. Das sind Landeplätze für Helikopter und Flugzeuge auf über 1100 Meter über Meer, die nur für Ausbildungszwecke oder im touristischen Rahmen angesteuert werden dürfen. Jede Bewegung auf einem solchen Landeplatz und die Anzahl transportierter Personen müssen die Flugunternehmen dem Bazl melden.

Die Zahlen zeigen erstmals, wo wie viele Helikopter mit wie vielen Gästen für Heliskiing landeten. Eine Landung entspricht jeweils zwei Bewegungen – einer Landung und einem Start. Während der Winter zwischen 2010 und 2022 landeten im Schnitt 4700 Helikopter pro Jahr allein für Heliskiing auf den 40 Gebirgslandeplätzen. Der Höchststand war 2019: Das Bazl zählte über 6040 Landungen und 22’174 transportierte Heliskiing-Passagiere. Tiefststand war im Corona-Jahr 2020 mit 3711 Landungen und 12’916 Passagieren.

«Dekadent, aber andere gönnen sich auch etwas»
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Heliskiing auf der Ebnefluh:«Dekadent, aber andere gönnen sich auch etwas»

Heliskiing-Spitzenreiter Wallis

Von allen Gebirgslandeplätzen befindet sich die Hälfte im Kanton Wallis. Sie werden von den Heliunternehmen rege genutzt. 73 Prozent aller Heliskiing-Flüge zwischen 2010 und 2022 endeten im Kanton Wallis. Unter den 20 beliebtesten Landeplätzen für Heliskiing befinden sich deren 14 ebenfalls dort. Neun davon liegen in einer vom Bund geschützten Landschaft, aufgeführt im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN). Das Ziel des Bundes wäre, diese Landschaften «zu schonen, zu schützen sowie ihre Erhaltung und Pflege zu fördern». 

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Spitzenreiter unter den Gebirgslandeplätzen ist der Theodulgletscher, besser bekannt als Testa Grigia. Hier landeten in den Jahren 2010 bis 2022 jährlich zwischen 342 und 721 Helikopter mit durchschnittlich über 2000 Gästen einzig für Heliskiing. Brisant: Dieser Landeplatz liegt direkt im Skigebiet und ist per Bergbahn erreichbar. Wenn die Seilbahn in Betrieb ist, sind die Skisportler in einer Stunde dort. Die Air Zermatt bietet ab Zermatt einen «Heli-Skilift» für 140 Franken oder mehr pro Person an. 

Nur wenige Kilometer entfernt liegt der Landeplatz Unterrothorn. Er liegt ebenfalls mitten im Skigebiet von Zermatt – per Bergbahn in einer guten halben Stunde erreichbar. Auf dem Unterrothorn landeten pro Jahr im Schnitt 250 Helikopter mit 1000 Personen an Bord. Innert Minuten können Schneesportler mit der Air Zermatt für 80 Franken so vom Dorf ins Skigebiet fliegen. 

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Doch die Heli-Skilifte bringen Menschen nicht nur direkt ins Skigebiet. In der Regel fliegt der Helikopter die Schneesportler auch mitten in die Alpen, für eine Abfahrt im unberührten Tiefschnee – ohne anstrengenden Aufstieg. Wer den Petersgrat auf der Kantonsgrenze zwischen Bern und Wallis als Startpunkt für die Abfahrt wählt, müsste die Bergbahnen der Lauchernalp nutzen und anschliessend mehrere Stunden laufen. Zwischen 2010 und 2022 war das pro Jahr im Schnitt 1000 Personen zu viel. Mit 257 Landungen auf dem Petersgrat steht dieser Gebirgslandeplatz auf Platz zwei der beliebtesten Gebirgslandeplätze. 

Heliskiing-Verbot in der Schweiz oder Bergrettung?

Aaron Heinzmann (29) sind die Heliskiing-Zahlen ein Dorn im Auge. Der Walliser von der Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness Schweiz sagt: «Das ist tragisch.» In Zeiten des Klimawandels sei Heliskiing ein Symbol für den respektlosen und fahrlässigen Umgang mit der Natur.

Heinzmann fordert ein generelles Heliskiing-Verbot in der Schweiz. Er findet: Wer Ski fahren will, sollte den öffentlichen Verkehr nutzen und abgelegene Regionen mit eigener Muskelkraft erreichen – nicht mit dem Helikopter. «Wir haben wenige Gebiete in der Schweiz, die nicht erschlossen sind. Auf sie sollten wir Rücksicht nehmen und sie nicht mit Helikopter, Abgas und Lärm stören», sagt Heinzmann.

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Eines der bekanntesten Helikopterunternehmen in der Schweiz ist die Air Zermatt. Sie dürfte anhand der geografischen Verteilung der registrierten Heliskiing-Landungen einen gewichtigen Teil der Flüge absolvieren. Mediensprecher Bruno Kalbermatten sagt: «Unser Kerngeschäft ist die Bergrettung, doch die ist defizitär.» Deshalb müsse die Air Zermatt es mit der Transport- und touristischen Fliegerei quersubventionieren. Solange die Nachfrage nach Heliskiing oder Rundflügen vorhanden sei, werde die Air Zermatt diese abdecken, sagt Kalbermatten. Eine Rettung sei nur möglich, wenn Piloten in der Gebirgsfliegerei so Erfahrungen sammeln können.

Der Walliser Aktivist Heinzmann widerspricht: «Relevante Flüge zu Ausbildungszwecken in den Bergen sind wichtig und richtig, die touristische Spassfliegerei hingegen nicht.»

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Nach einer Stunde Abfahrt erreicht die Heliskiing-Gruppe um Bergführer Martin Burgener den Langgletscher im Walliser Lötschental. Hier wartet bereits der Helikopter. «Das Skifahren war traumhaft und das ohne müde Beine wegen einem Aufstieg», schwärmt Helene Weckemann (55). Die Gäste sind sich einig: Es sei ein Luxus, ohne Anstrengung für den Aufstieg die nächste Abfahrt in Angriff zu nehmen. «Klar ist das ein dekadentes Bergerlebnis», meint Christian Zurfluh (56). Doch: «Während andere in die Ferien fliegen, gönnen wir uns diesen Heliskiing-Tag.» Der Pilot startet die Rotoren und fliegt die Gruppe ein zweites Mal hoch – jetzt auf den Petersgrat.

Dieser Artikel wurde bereits am 3. März 2024 erstmals publiziert und aus aktuellem Anlass erneut veröffentlicht.

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