Für Peter Roth (56) machen die Behörden immer noch viel zu wenig
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«Das ist eine Schweinerei!»:Für Peter Roth (56) machen die Behörden noch zu wenig

Ein Jahr nach dem Skandal im Berner Oberland
Jetzt müssen die illegalen Alp-Hütten weg

An vielen Orten im Berner Oberland wurden Alphütten illegal umgebaut und als Ferienwohnungen vermietet. Oft schauten die Gemeinden weg oder vertuschten gar die Existenz solcher Hütten. Jetzt tut sich endlich was – wenn auch nur zögerlich.
Publiziert: 01.04.2022 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2022 um 08:30 Uhr
Tobias Ochsenbein

Der Wirbel um illegal genutzte Alphütten war gross. Blick deckte vergangenes Jahr auf, dass im Berner Oberland zahlreiche Alphütten ausgebaut wurden und ganzjährig an Touristen vermietet werden. Das aber widerspricht dem Raumplanungsgesetz, weil die Hütten in Landwirtschaftszonen nur landwirtschaftlich genutzt werden dürfen.

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Den meisten dieser Ferienwohnungen fehlt die nötige Ausnahmebewilligung. Kommt hinzu: Teilweise meldeten Gemeinden dem Bund Alphütten als Scheune oder Stall anstatt als Ferienwohnungen – und verfälschen so die Zweitwohnungsquote, die von den Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern festgelegt wurde.

Langsam wird aufgeräumt

Jetzt, ein Jahr später, beginnen die betroffenen Gemeinden langsam Ordnung zu schaffen. Dies nicht zuletzt auch, weil das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) im September 2021 eine neue Weisung erlassen hatte: Die Baupolizeien der Gemeinden müssen seither dem AGR jährlich eine Bilanz bezüglich Baupolizeiverfahren ausserhalb der Bauzonen liefern. Das AGR wiederum rapportiert an das Bundesamt für Raumentwicklung.

Der Alphütten-Bschiss im Berner Oberland sorgte vergangenes Jahr für Aufsehen. Nun beginnen die Gemeinden langsam mit dem Aufräumen. So wurde für die ausgebaute Alphütte Blatti in Grindelwald eine Wiederherstellung verfügt.
Foto: Philippe Rossier
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Zwar wollen sich die meisten Gemeinden und das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli auf Anfrage von Blick zu konkreten, laufenden Verfahren nicht äussern. Der Regierungsstatthalter des Verwaltungskreises Interlaken-Oberhasli, Martin Künzi, sagt lediglich, er habe nach den Blick-Artikeln im letzten Frühjahr vorsorglich ein baupolizeiliches Aufsichtsverfahren eröffnet und den baupolizeilichen Handlungsbedarf in insgesamt 30 Fällen geklärt. Und: «Parallel dazu wurden einzelne Gemeinden bereits von sich aus tätig, eröffneten Baupolizeiverfahren und forderten nachträgliche Baugesuche ein.»

Künzi versicherte zudem, wo nicht bereits etwas unternommen worden sei, soll spätestens im Frühjahr 2022 bei einem Augenschein vor Ort abgeklärt werden, ob der aktuelle bauliche Zustand der Weidhäuser und deren Umgebung den erteilten Baubewilligungen entspricht. Konkreter wird er nicht.

In mindestens fünf Fällen bereits Massnahmen ergriffen

Blick weiss aber von mindestens fünf Fällen, in denen die Behörden entweder eine Wiederherstellung verfügt oder zumindest nachträgliche Baugesuche eingefordert haben.

Zum Beispiel bei der Alphütte Blatti in Grindelwald BE. Dort wies Regierungsstatthalter Künzi gemäss einem E-Mail der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL) die Gemeinde an, eine Wiederherstellung zu verfügen. Im Klartext heisst das: Die Hütte muss in ihren Originalzustand versetzt werden. Ein Augenschein vor Ort zeigt aber: Bisher wurde in diesem Fall noch nichts unternommen. Und: Auf der Buchungswebseite ist es noch immer möglich, für die Alphütte Blatti Reservationsanfragen zu deponieren.

Auch in der Gemeinde Gündlischwand BE gibt es eine illegal ausgebaute und zweckentfremdet genutzte Alphütte ausserhalb der Bauzone. Gemeindeverwalterin Fränzi Herrmann sagt Blick auf Anfrage: «Bei dieser Hütte haben wir ein nachträgliches Baugesuch eingefordert. Zu dieser Baueingabe sind zwei Einsprachen eingegangen.»

Warten, bis der Schnee weg ist

Laut Herrmann werden die Einspracheverhandlungen in etwa zwei Monaten vor Ort stattfinden. Dies sei nicht früher möglich, weil der Weg dorthin derzeit noch schneebedeckt sei. Auch sie ging nicht konkret auf das Objekt ein. Blick weiss: Dabei handelt es sich um die Hütte Alp Schneit.

In Frutigen BE im Gebiet Meise wurde ebenfalls ohne Erlaubnis gebaut. Nachgereichte Gesuche blieben aber fruchtlos. Die Bauherrschaften wurden angewiesen, den rechtmässigen Zustand der Hütten wiederherzustellen. Fünf Baugesuche wurden im Nachhinein eingereicht, drei wurden abgelehnt, zwei bereits vorher zurückgezogen.

Bei der Walig-Hütte in Gstaad BE, die zum Fünfsternehotel Palace gehört, wurde zwar nachträglich ein Baugesuch bewilligt. Aber: mit der Einschränkung, dass keine Umgebungsarbeiten und Terrainveränderungen erfolgen dürfen. Zudem darf die Hütte nicht ganzjährig als Ferienwohnung genutzt werden, sondern nur in den schneefreien Monaten Mai bis Oktober.

Und: In der Gemeinde Hasliberg BE soll bei der Skihütte Hinter-Tschuggi ein Rückbau verfügt worden sein. Die Gemeinde reagierte auf Blick-Anfrage nicht.

«Erste Erfolge, aber das geht noch zu wenig weit»

Peter Roth (56), der die Missstände vergangenes Jahr zusammen mit Blick aufgedeckt hat, sagt: «Es gibt erste Erfolge. Das zeigt, dass Behörden für das Thema und die Problematik sensibilisiert wurden.» Bloss: Für ihn gehen die eingeleiteten Massnahmen der Behörden noch zu wenig weit.

«Es ist noch lange nicht alles aufgedeckt. Man muss darum weiter dranbleiben.» An zu vielen Orten sei noch gar nichts passiert, die illegalen Objekte würden weiterhin vermietet werden. Wie etwa die Luxusalphütte Alp Grindelwald in Grindelwald. Auch diese ist laut Buchungswebseite bis Ende Dezember 2022 praktisch ausgebucht. Obwohl sie nur landwirtschaftlich genutzt werden dürfte. «Das ist eine Schweinerei, und ich kann das nicht akzeptieren», sagt Roth.

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