Blamage für Zürcher Unispital
Strafverfahren gegen Herzchirurg Maisano eingestellt

Das Zürcher Unispital hatte den Herzchirurgen Francesco Maisano wegen Urkundenfälschung angezeigt – doch die Vorwürfe haben sich in Luft aufgelöst. Strafrechtlich bleibt nichts übrig.
Publiziert: 28.02.2021 um 09:29 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2021 um 19:46 Uhr
Reza Rafi

Gewinner gibt es in dieser ­Geschichte keine. Begonnen hatte sie im letzten Frühjahr. Ein Whistleblower am Zürcher Universitätsspital (USZ) erhob via Tamedia-Zeitungen heftige Vorwürfe gegen Francesco Maisano (54), den Leiter der Herzklinik: ­Beschönigung wissenschaftlicher Artikel, Verschweigen von Inte­ressenkonflikten, falsche Angaben ­gegenüber Behörden und – vor allem – Gefährdung von Patienten.

Maisano soll bei der Einpflanzung von Implantaten seine monetären Interessen über die Gesundheit der Patienten gestellt haben; das ist die hippokratische Tod­sünde, eine Guillotine für die Reputation jedes Mediziners.

Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte von der bürgerlichen Kommunikationsagentur Farner beraten liess. Die David-gegen-­Goliath-Story war perfekt.

Herzchirurg Francesco Maisano: Die Staatsanwaltschaft entlastet ihn.
Foto: Valeriano Di Domenico
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Dabei trat ein wüster Arbeitskonflikt innerhalb des USZ zu­tage. Maisano und der Hinweis­geber – einst sein Mitarbeiter – wurden schliesslich beide geschasst. Im Anschluss kündigten der zuweilen überfordert wirkende Spitalratspräsident Martin Waser (66) und sein Vize ihren Rücktritt an.

Nun liegen erste Ermittlungsresultate vor, die zumindest strafrechtlich den ernüchternden Schluss nahelegen: Der Berg hat eine Maus geboren.

Anzeige vom Unispital

Ein zentraler Akt des Dramas war eine Strafanzeige, die das Universitätsspital am 4. August 2020 gegen Maisano einreichte. Der Vorwurf: Urkundenfälschung und Datenbeschädigung. Der Klinikleiter soll während der unabhängigen Untersuchung des Falls durch die Kanzlei Walder Wyss trotz damaliger Beurlaubung auf das interne Krankenhausinformationssystem zugegriffen und ­Akten manipuliert haben, um seine Beschönigung von OP-Berichten gegenüber den externen Prüfern zu kaschieren.

Naturgemäss wurden die «verdächtigen Zugriffe» medial breitgetreten – und dem Italiener nun auch noch der Ruf der Wirtschaftskriminalität angehängt.

Die Staatsanwaltschaft ­allerdings ist zu einem weit banaleren Schluss gekommen: Maisano habe schlicht auf die Akten zugreifen müssen, um seine Stellungnahme gegenüber Walder Wyss vorzubereiten. Es habe sich um ein von der Kanzlei «exp­lizit angefordertes» Dokument gehandelt.

Dabei habe jemand aus Maisanos Team das Fehlen des OP-Berichts ­eines anderen Chirurgen in der ­Dokumentation bemerkt. Worauf diese Person den Bericht pflichtbewusst hochgeladen und den Zeitpunkt des Eingriffs korrekt rückdatiert habe, «um die Auffindbarkeit des Dokumentes zu vereinfachen», wie die Strafverfolger festhalten.

Peinlich für Spitalleitung

Das Verfahren ist folgerichtig eingestellt worden. Die Verfügung der Zürcher Staatsanwaltschaft vom 1. Februar liegt SonntagsBlick vor. Sie ist rechtskräftig. Für die Spital­leitung ist diese Wendung im besten Fall peinlich: Ein Gespräch mit Maisano hätte wohl Klärung gebracht und allen viel Theater erspart.

Beim USZ heisst es dazu auf ­Anfrage, man sei gesetzlich verpflichtet, «strafbare Handlungen anzuzeigen, wenn ein hinreichender Anfangsverdacht besteht». Dessen Untersuchung und die Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz «sind Sache der zuständigen Strafverfolgungsbehörden».

Nicht viel glanzvoller fällt die ­erwähnte externe Überprüfung durch die Kanzlei Walder Wyss aus, die das USZ in Auftrag gegeben hatte. Für ihren 122-seitigen Schlussbericht vom 8. Februar gingen die Autoren 17 schwerwiegenden Vorwürfen von Maisanos Widersacher nach – wie sich bereits im Vor­bericht abzeichnete, lösen sich 15 davon in Luft auf.

Unter anderem habe sich «nicht bestätigt», dass Maisano Implantate «aus Eigeninteresse und/oder gegen die Interessen der Patienten» eingesetzt habe.

Eine erhöhte Sterblichkeit in der Herzchirurgie unter Maisanos Leitung konnten die Überprüfer ebenfalls nicht feststellen: «Tatsächlich zeigte sich bei der Entwicklung der Mortalitätsrate (...) in den ersten Jahren seit der Ernennung von Prof. Maisano ein leichter Rückgang bzw. eine Stabilisierung.»

Gegen Covid-Verordnung verstossen?

Und was ist mit der Behauptung, Maisano habe eine nicht notfallmässige OP durchgeführt und damit gegen die Covid-Verordnung verstossen? Fehlalarm. Ebenso wie bei der «kompetenzüberschreitenden Grossbestellung» von medizinischem Material oder bei der unrechtmässigen Verwendung von USZ-Ressourcen.

Die zwei Punkte, in denen die Gutachter Verfehlungen bestätigt sehen, spielen sich ausserhalb des Operationssaals ab: Die Patientendokumentation sei «häufig unvollständig und teilweise unrichtig»; einzelne Gesuche an die Arzneimittelbehörde Swissmedic enthielten «irreführende Angaben» (was Maisano und sein Anwalt dem Vernehmen nach bestreiten).

Bestätigt habe sich zudem, dass «Publikationen teilweise inhaltlich unvollständig bzw. unrichtig und bestehende Interessenkonflikte (...) in diversen Publikationen nicht ersichtlich waren». Zudem seien einzelne Behandlungsfälle «zu positiv dargestellt» worden. Der Bericht enthält Empfehlungen, um so etwas künftig zu vermeiden.

Allerdings fanden die Walder-Wyss-Leute keinerlei Hinweise, dass Francesco Maisano durch sein Verhalten Patienten gefährdet hätte. Ebenso wenig, dass der Kardiologe dem Unispital Schaden zugefügt hätte: «Im Ergebnis konnten keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der involvierten Personen entdeckt werden», lautet das Fazit.

Das ändert nichts daran, dass Maisano, der mit seiner Familie in der Schweiz lebt, beruflich und gesellschaftlich lädiert ist.

Noch hängig sind unter anderem eine Abklärung über die wissenschaftliche Lauterkeit Maisanos und die politische Aufarbeitung des Falls durch das Zürcher Kantonsparlament. Er war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Obwohl sich seine Vorwürfe zu einem grossen Teil als haltlos erweisen, gibt sich Maisanos Gegenspieler unbeirrt. Am 14. Januar sagte er gegenüber «10 vor 10»: «Ich würde es wieder tun.»

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