«Wir reichen die höheren Preise an die Kunden weiter»
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Auch Aluminiumpreis explodiert:«Wir reichen die höheren Preise an die Kunden weiter»

Der Benzinpreis ist nur der Anfang
Was wegen Putins Krieg alles teurer wird

Die Rohstoffpreise gehen wegen der Ukraine-Krise durch die Decke. Transporteure und Industriefirmen geben die höheren Kosten an ihre Kunden weiter – am Ende bezahlen die Konsumentinnen und Konsumenten.
Publiziert: 13.03.2022 um 10:59 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2022 um 11:13 Uhr
Thomas Schlittler

Autofahrer, die diese Woche tanken mussten, trauten ihren Augen kaum: Über Nacht war der Liter Benzin 25 Rappen teurer geworden. An der Autobahnraststätte in Würenlos AG, auch bekannt als «Fressbalken», kostete der Liter Bleifrei 95 zeitweise mehr als 2.30 Franken. Für Diesel wurden mancherorts gar über 2.60 Franken fällig.

Rolf Galliker (56), Chef der Galliker Transport AG, muss die Tanks von 1165 LKW mit Brennstoff füllen – und das mehrmals pro Woche. Schlaflose Nächte bereiten ihm die explodierenden Spritpreise trotzdem nicht: «Wir können die höheren Diesel-Preise an die Kunden weitergeben. Selbst bei Fixverträgen haben wir – wie die meisten anderen Transportunternehmen auch – einen variablen Treibstoffzuschlag, der wöchentlich aktualisiert und monatlich angepasst wird.»

Firmen, die beliefert werden, verrechneten die höheren Transportkosten wiederum ihren Kunden. Das sei je nach Produkt mehr oder weniger dramatisch. Galliker: «Bei einem Flachbildfernseher oder einem Laptop sind die Transportkosten nicht so ausschlaggebend für den Ladenpreis. Bei Lebensmitteln, insbesondere bei Frischwaren, fallen stark steigende Spritpreise dagegen durchaus ins Gewicht.»

Bei der Autobahnraststätte Würenlos kostete der Liter Bleifrei 95 diese Woche mehr als 2.30 Franken.
Foto: Philippe Rossier
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Rohstoffpreise schnellen in ungeahnte Höhen

Schuld ist Wladimir Putin (69). Dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine bringt nicht nur unfassbares Leid über die ukrainische Zivilbevölkerung, er treibt auch die Rohstoffpreise in ungeahnte Höhen – was sich längst nicht nur auf Öl und Gas beschränkt. Es gibt kaum eine natürliche Ressource, die in den vergangenen Tagen nicht deutlich teurer geworden ist.

Das trifft auch Patrick Villiger (52), Geschäftsführer der Aluminium Laufen in Liesberg BL. «Es ist unglaublich, was wir aktuell erleben. Der Aluminiumpreis ist explodiert, die Märkte spielen verrückt», sagt er bei einem Fabrikrundgang. Vor wenigen Wochen kostete eine Tonne des Leichtmetalls noch rund 2600 Dollar. Diese Woche waren es teilweise mehr als 3800 Dollar. Kurzfristig profitiert die Alu Laufen von diesem Preisanstieg. Sie hat 4000 Tonnen Aluminium an Lager, die nun deutlich mehr wert sind als vor Kriegsbeginn. Und nicht einmal auf längere Sicht macht sich Villiger Sorgen um das Unternehmen und seine 280 Mitarbeiter. Der Grund: «Wir können die höheren Metallpreise an unsere Kunden weiterreichen.»

Zu denen gehören rund 1200 Unternehmen jeder Grössenordnung, die meisten sind in der Schweiz oder im grenznahen Ausland zu Hause. Für diese giesst und presst die Alu Laufen Aluminiumteile in jede erdenkliche Form.

Ob seine Abnehmer die höheren Kosten dann an ihre jeweilige Kundschaft weitergeben, sei sehr unterschiedlich, so Villiger. «Bei einigen Produkten müssen die Konsumenten aber mit zehn bis 20 Prozent höheren Preisen rechnen, so zum Beispiel bei Fenstern und anderen Baukomponenten.»

Zu spüren bekommen es vor allem die Ärmsten der Armen

Weitreichende Konsequenzen hat der Ukraine-Krieg auch im Lebensmittelbereich. Getreide wie Weizen und Mais waren schon in den vergangenen Monaten vergleichsweise teuer. Seit dem russischen Angriff aber schiessen die Preise durch die Decke. Russland und die Ukraine gelten als Kornkammern Europas. 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte kommen aus diesen Ländern. Bei Gerste, Mais und Sonnenblumenöl haben sie ebenfalls hohe Weltmarktanteile.

Die Verantwortlichen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen warnten deshalb bereits bei Kriegsausbruch: «Die Auswirkungen des Konflikts auf die Ernährungssicherheit werden wahrscheinlich über die Grenzen der Ukraine hinaus spürbar sein, insbesondere für die Ärmsten der Armen.»

Für die Konsumenten in der reichen Schweiz hingegen dürften die Konsequenzen des Krieges verkraftbar bleiben. Urs Riedener (56), CEO des Milchverarbeiters Emmi, warnte vergangene Woche allerdings vor einem Dominoeffekt. «Wenn es zu Ernteausfällen etwa bei Weizen kommt, wird sich dies kostentreibend auf die Preise verschiedener Nahrungsmittel auswirken», sagte er an der Jahresmedienkonferenz. Denn wenn Weizen fehle, müssten die Menschen ihren Kalorienbedarf statt mit Brot und Pasta anderweitig decken, etwa mit Milchprodukten. Dies könnte dann auch dort die Preise hochtreiben.

Ein erster Schritt in diese Richtung wird bereits Mitte April erfolgen. Ab dann erhöht sich der Richtpreis für Milch in der Schweiz um fünf Rappen auf 78 Rappen pro Kilogramm. Die Milchbauern begründen den Schritt mit höheren Kosten für Maschinen, Futter, Treibstoffe, Medikamente, Verbrauchsmaterialien, Energie sowie den baulichen Unterhalt.

Jahresteuerung wieder über der Zwei-Prozent-Marke

Zudem ist die Inflation in der Schweiz bereits in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Im Februar kletterte die Jahresteuerung zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder über die Zwei-Prozent-Marke. Neben höheren Energiepreisen haben dazu auch Sondereffekte rund um Corona beigetragen.

Insbesondere Gebrauchtwagen und Möbel wurden während der Pandemie stärker nachgefragt. Gleichzeitig sind sie von den globalen Lieferengpässen betroffen. Die Preise für Flugreisen und Hotelübernachtungen stiegen zuletzt ebenfalls stark an. Diese Tourismusdienstleistungen sind wieder deutlich beliebter geworden, seit sich die pandemische Lage verbessert hat.

Dass der Druck aufs Portemonnaie bald wieder schwächer wird, ist nicht zu erwarten. Der Bund geht davon aus, dass die Inflation auch in den nächsten Monaten erhöht bleiben oder vorübergehend sogar noch weiter zunehmen wird.

Allerdings: Im internationalen Vergleich haben die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten noch Glück. In der Eurozone war das Preisniveau im Februar 2022 gar 5,8 Prozent höher als zwölf Monate zuvor.
Der Schweiz helfen insbesondere der starke Franken und eine vergleichsweise geringe Abhängigkeit von Öl und Gas.

Gewerkschaften fordern höhere Löhne

Höhere Preise haben zur Folge, dass man sich mit seinem Lohn weniger leisten kann. Für Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, ist deshalb klar: «In der kommenden Lohnrunde werden generelle Lohnerhöhungen von zentraler Bedeutung sein, da sonst viele Leute Kaufkrafteinbussen haben.» Roland A. Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands, hält dagegen: «In erster Linie richten sich die Arbeitgeber bei der Festlegung von Nominallöhnen am finanziellen Spielraum in den Unternehmen aus.» Die Arbeitgeber hätten jedoch ein Interesse daran, die Teuerung wo möglich auszugleichen. Ein Kaufkraftverlust wirke sich nämlich negativ auf die Konsumentenstimmung und somit auf die Absätze der Unternehmen aus. Entscheidenden Einfluss auf die Nominallohnerhöhungen werde deshalb die weitere wirtschaftliche Entwicklung haben. Müller: «Sofern die momentan gute wirtschaftliche Situation anhält und der negative Einfluss des Ukraine-Konflikts auf die Wirtschaft überschaubar bleibt, kann der Spielraum für Lohnerhöhungen vieler Arbeitgeber grösser werden.»

Höhere Preise haben zur Folge, dass man sich mit seinem Lohn weniger leisten kann. Für Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, ist deshalb klar: «In der kommenden Lohnrunde werden generelle Lohnerhöhungen von zentraler Bedeutung sein, da sonst viele Leute Kaufkrafteinbussen haben.» Roland A. Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands, hält dagegen: «In erster Linie richten sich die Arbeitgeber bei der Festlegung von Nominallöhnen am finanziellen Spielraum in den Unternehmen aus.» Die Arbeitgeber hätten jedoch ein Interesse daran, die Teuerung wo möglich auszugleichen. Ein Kaufkraftverlust wirke sich nämlich negativ auf die Konsumentenstimmung und somit auf die Absätze der Unternehmen aus. Entscheidenden Einfluss auf die Nominallohnerhöhungen werde deshalb die weitere wirtschaftliche Entwicklung haben. Müller: «Sofern die momentan gute wirtschaftliche Situation anhält und der negative Einfluss des Ukraine-Konflikts auf die Wirtschaft überschaubar bleibt, kann der Spielraum für Lohnerhöhungen vieler Arbeitgeber grösser werden.»

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