Gewaltentrennung missachtet?
Bezirksgericht Zürich bei Polizei eingemietet

Das Zürcher Bezirksgericht führt Anhörungen im Polizei- und Justizzentrum durch. Im Gebäude, in dem Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft beheimatet sind. Anwälte finden das problematisch, weil die Nähe die Unabhängigkeit des Gerichts gefährde.
Publiziert: 14.07.2024 um 10:49 Uhr
Anwalt Gregor Münch kritisiert die Nähe des Gerichts zu Polizei und Staatsanwaltschaft.
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Andreas SchmidInlandredaktor

Wie unabhängig ist ein Gericht, wenn es sich bei Polizei und Staatsanwaltschaft einmietet? Seit zwei Jahren nutzt das Zwangsmassnahmengericht, das zum Bezirksgericht Zürich gehört, Büro- und Verhandlungsräume im Polizei- und Justizzentrum (PJZ) mitten in der Stadt. 

Das Zwangsmassnahmengericht ordnet zum Beispiel Untersuchungs- und Sicherheitshaft für Beschuldigte an und behandelt Gesuche zur Haftentlassung. Durch die Nähe zum Gefängnis Zürich West, das Teil des PJZ ist, fielen so aufwendige Gefangenentransporte für die Haftverhandlungen weg, begründet Patrick Strub, Sprecher des Bezirksgerichts, die Praxis. 

Ein Umstand, der die Anwaltschaft von Anfang an gestört habe, sagt Strafverteidiger Gregor Münch. Er kritisiert, es entstehe der Anschein einer gewissen Nähe zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, sodass sich einer beschuldigten Person berechtigterweise die Frage stelle, «ob das Zwangsmassnahmengericht so unabhängig entscheiden kann».

Frage nach der Unabhängigkeit

Wer tatverdächtig sei und verhaftet werde, komme im PJZ in Polizeihaft und werde polizeilich befragt, hält Münch fest. Später erfolge im gleichen Gebäude die Hafteinvernahme durch die Staatsanwaltschaft. Daraufhin höre das Zwangsmassnahmengericht die beschuldigte Person an, ebenfalls in einem Raum am selben Ort.

«Diese verlässt das Gebäude also nie», bemängelt Münch. Dabei erfordere eine unabhängige Justiz eine klare Positionierung nach aussen, «die auch eine örtliche Trennung der verschiedenen Institutionen verlangt».

Es bestehe «eine strikte räumliche Trennung», hält Gerichtssprecher Strub der Kritik entgegen. Damit sei gewährt, dass die Richter des Zwangsmassnahmengerichts unabhängig entscheiden. 

Auch die IT-Infrastruktur sei nicht untereinander verbunden. Strub sagt: «Die Wahrung der Gewaltentrennung war während der Planung das zentrale Anliegen.» Polizei und Staatsanwaltschaft hätten keinen Zutritt zu den Räumen des Zwangsmassnahmengerichts – und umgekehrt. Zudem sei die Chance klein, unter den über 2000 im PJZ Beschäftigten gerade jemandem zu begegnen, der in einen laufenden Fall involviert sei, argumentiert Strub.

Gemeinsam in der Kantine

Die Beteuerungen des Gerichts zerstreuen die Bedenken von Strafrechts-Spezialist Münch nicht. Er erwähnt als problematisches Beispiel, dass Mitglieder das Zwangsmassnahmengericht, der Kantonspolizei sowie der Staatsanwaltschaft gemeinsam die Betriebskantine des PJZ nutzen könnten und sich deshalb oft begegneten. Der Anwaltschaft hingegen sei der Zugang zur Kantine verwehrt.

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