Zu wenig Personal
Zürcher Kantonspolizei verweigert Bewachung von Gefangenen im Spital

Weil die Kräfte in seinem Korps nicht ausreichen, schob der Kommandant die Aufgabe an den Justizvollzug ab. Nun haben Deltas und Securitas übernommen.
Publiziert: 13.08.2023 um 01:15 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2023 um 14:45 Uhr
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Der Schweiz fehlt es an Polizistinnen und Polizisten. Die Kantone jagen einander bereits gegenseitig Ordnungshüter ab, wie Blick Ende April berichtete.

Zürichs Sicherheitsdirektor Mario Fehr (64) betonte daraufhin im Interview mit der «NZZ», in seinem Korps – dem grössten des Landes – gebe es keine Engpässe. «Die Kantonspolizei bekommt genügend Bewerbungen», so der verantwortliche Regierungsrat.

Doch nun zeigen Recherchen von SonntagsBlick, dass sich Marius Weyermann (46), Kommandant der Zürcher Kantonspolizei, wenige Monate zuvor schriftlich über die dünne Personaldecke seines Korps und dessen Überbelastung beklagte – und Entlastungsmassnahmen veranlasste.

Der Schweiz fehlt es an Polizistinnen und Polizisten.
Foto: Keystone
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Längere Wartezeiten, längere Wege

Der höchste Polizist des Kantons informierte im Dezember 2022 die Leiterin des Zürcher Justizvollzugs, Mirjam Schlup, über eine «Straffung der Dienstleistungen im Gefangenen-Handling».

In dem Schreiben, das SonntagsBlick gestützt auf das Zürcher Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte, beklagt Weyermann die Auftragslast der Abteilung Sicherheitsdienstleistungen, die in den vergangenen Jahren «massiv zugenommen» habe.

Schuld seien längere Fahrzeiten beim Gefangenentransport, längere Wartezeiten am Schalter von Gefängnissen, längere Wege im Neubau des Polizei- und Justizzentrums Zürich (PJZ) – und deutlich mehr Bewachungen von Gefangenen in Spitälern.

Diese Aufgabe habe 2017 noch «unter 5000 Arbeitsstunden» in Anspruch genommen, 2022 bereits «knapp 30 000».
Um seine Leute entlasten zu können, teilte Weyermann Beamtenkollegin Schlup mit, dass die Kantonspolizei ihre Dienstleistungen in diesen Bereichen künftig einschränken werde.

Transfer von Fehr zu Fehr

Gefangene würden beim Transport ins Gefängnis «künftig nur noch bis zur Schleuse» begleitet – und nicht mehr «bis zur Zelle», wie es bislang in vielen Fällen vorgekommen sei. Für diese letzten Meter müssen nun die Mitarbeitenden des Justizvollzugs übernehmen.

Ganz gestrichen hat Kommandant Weyermann die 30 000 Bewachungsstunden seiner Polizei für Gefangene in Spitälern und Kliniken. Weil dafür «keine gesetzliche Grundlage» bestehe, müsse dies in Zukunft der Justizvollzug selbst übernehmen: «Aufgrund der angespannten Personalsituation ist es uns leider nicht mehr möglich, solche Bewachungsaufträge von Gefangenen, welche sich in Obhut der Justiz befinden, auszuführen.»

Seit rund vier Monaten muss deshalb das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) – für das nicht Sicherheitsdirektor Mario Fehr zuständig ist, sondern Justizdirektorin Jacqueline Fehr (60) – die Bewachung von Gefangenen in Spitälern und Kliniken selbst organisieren.

Vom Staat zu Privaten

Da es der Behörde für diese Aufgabe ebenfalls an Personal fehlt, wurden im freihändigen Schnellverfahren die Securitas AG und die Delta Security AG engagiert. Im April bewilligte der Zürcher Regierungsrat die geschätzten Ausgaben von 10,8 Millionen Franken für fünf Jahre. Damit wanderte eine weitere Aufgabe, die bisher hauptsächlich von vereidigten Polizisten ausgeführt wurde, in die Hände privater Sicherheitskräfte. Kantonspolizisten sollen nur noch in einzelnen Fällen hinzugezogen werden, etwa zur Bewachung gefährlicher Gewalt- und Sexualstraftäter.

Das Amt für Justizvollzug und die Kantonspolizei Zürich wollten sich gegenüber SonntagsBlick nicht weiter zu diesem Sachverhalt äussern. Beim Schreiben von Ende 2022 handle es sich um ein «internes Dokument», so die Begründung eines Polizeisprechers.

Das sagt die Kantonspolizei Zürich

Die Zürcher Kantonspolizei legt in einer am Sonntag publizierten Stellungnahme Wert darauf, dass es keinen Personalengpass gebe. «Wir erhalten genügend gute Bewerbungen für Polizeikorpsstellen, um den Sollbestand zu erreichen», teilt die Kantonspolizei mit. Ausserdem betont die Polizeibehörde, dass die Praxis der Überwachung von Gefangenen im Spital – wie bereits im Artikel erwähnt wird – auf einer rechtlichen Grundlage basiere: «Das Überwachen Gefangener im Spital ist gemäss Gesetz Aufgabe des Justizvollzugs, nicht der Polizei.»

Die Zürcher Kantonspolizei legt in einer am Sonntag publizierten Stellungnahme Wert darauf, dass es keinen Personalengpass gebe. «Wir erhalten genügend gute Bewerbungen für Polizeikorpsstellen, um den Sollbestand zu erreichen», teilt die Kantonspolizei mit. Ausserdem betont die Polizeibehörde, dass die Praxis der Überwachung von Gefangenen im Spital – wie bereits im Artikel erwähnt wird – auf einer rechtlichen Grundlage basiere: «Das Überwachen Gefangener im Spital ist gemäss Gesetz Aufgabe des Justizvollzugs, nicht der Polizei.»

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