In unserem Wasser hat es Dünger und Pestizide
Von wegen Trinkwasser-Vorbild Schweiz

Mindestens ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung bezieht ihr Wasser aus Fassungen, die nicht gesetzeskonform geschützt sind. Entsprechend häufig ist das Trinkwasser mit Rückständen von Düngern und Pestiziden verschmutzt.
Publiziert: 28.08.2024 um 01:23 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2024 um 16:17 Uhr
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Helena SchmidReporterin

Eigentlich hätte die Schweiz die besten Voraussetzungen für hochwertiges Trinkwasser. «Wir haben die Berge, das Wasserschloss, stehen am Anfang des Wasserkreislaufs», sagt Salome Steiner, Geschäftsleiterin der Gewässerschutzorganisation Aqua Viva. «Leider werden wir diesen Privilegien nicht gerecht.»

Rund 80 Prozent der Schweizer Haushalte beziehen ihr Wasser aus Grundwasser. Die Nationale Grundwasserbeobachtung (Naqua) überprüft regelmässig dessen Qualität und stellt fest: Fast 15 Prozent der Messstellen weisen zu hohe Nitrat-Werte auf. Einfach gesagt: An diesen Stellen ist zu viel Düngemittel ins Grundwasser gesickert.

Verunreinigungen besonders im Mittelland

Salome Steiner von Aqua Viva spricht von «unzumutbaren Werten» und erklärt: «Die Belastung kommt von uns Menschen: Strassen, Industrie, Landwirtschaft. Je intensiver wir eine Fläche nutzen, desto problematischer wird es.»

Salome Steiner, Geschäftsführerin von Aqua Viva, warnt: Die Schadstoff-Messwerte im Grundwasser seien teils «unzumutbar».
Foto: zVg
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In Gebieten, in denen viel Acker- und Gemüseanbau betrieben wird, überschreitet gar jede zweite Messstelle die Nitrat-Grenzwerte. Am schlimmsten trifft es die Haushalte im Mittelland.

Nitrat ist vor allem für Säuglinge gefährlich. Erwachsene haben üblicherweise keine Symptome, selbst wenn Grenzwerte überschritten werden. Aber: Neben Nitrat gelangen auch Bakterien aus Düngemitteln oder Schadstoffe aus Pestiziden ins Grundwasser.

Sorge wegen Pestizid-Abbaustoffen

Nitrat ist aber nicht das einzige Problem. Juliane Hollender ist Wissenschaftlerin im Bereich Umweltchemie am Schweizer Wasserforschungsinstitut (Eawag). Gegenüber Blick erklärt sie: «Gerade die Abbauprodukte von Pestiziden, genannt Metaboliten, können problematisch sein. Denn sie gelangen ins Grundwasser – und wurden lange Zeit unterschätzt.»

Laut Naqua überschreitet die Konzentration dieser Abbauprodukte im Grundwasser den Grenzwert an jeder dritten Messstelle. Für Fachfrau Hollender ist klar: «Es muss etwas passieren!»

Denn sowohl Nitrat, als auch Pestizid-Metaboliten bleiben noch lange Zeit im Wasser. «Selbst wenn wir jetzt die Situation verbessern, merken wir das erst in 5, 10 oder gar 20 Jahren», so Hollender.

Doch wo anfangen? Die Schweizer Gewässerschutzverordnung von 1996 sollte eigentlich verhindern, dass Schadstoffe in die Grundwasserfassungen und somit ins Trinkwasser gelangen. Die Kantone müssen laut Gesetz Schutzzonen ausscheiden, in denen für Industrie und Landwirtschaft klare Verbote gelten.

Doch noch immer gibt es Schutzzonen, die zu klein bemessen sind. Oder wo die Bestimmungen nicht gelten, weil die rechtlichen Formalitäten über Jahre hinweg verschleppt wurden. Zehn Prozent der Schweizer Haushalte beziehen ihr Wasser aus solchen Quellen.

Keine Sanktionen bei Verstoss

Salome Steiner von Aqua Viva sagt: «Wir sind bei der Umsetzung der Verordnung weit im Verzug.» Das liege unter anderem daran, dass keine Sanktionen drohen, wenn die Schutzbestimmungen nicht umgesetzt würden.

Vor über drei Jahren hat die Schweizer Bevölkerung die Trinkwasser-Initiative abgelehnt. Diese forderte, den Bauern die Subventionen zu streichen, sollte sie das Trinkwasser verschmutzen. Der Bauernverband sah verheerende Folgen für die Schweizer Landwirtschaft und das inländische Nahrungsmittelangebot voraus.

Aqua-Viva-Geschäftsführerin Salome Steiner hofft auf ein grösseres Bewusstsein in der Bevölkerung. «Wir haben einen weiten Weg vor uns – und müssen jetzt dranbleiben. Wir schaden nämlich nicht nur der Natur, sondern letzten endlich auch uns selbst», sagt sie. 

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