«Es ist nichts anderes als eine Ausrede»
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«Nur eine Ausrede»:Priestermangel als Grund für fehlende Aufklärung

Verdrängen, Verheimlichen, Versetzen
Diese Orden spielen eine Hauptrolle beim Missbrauchsskandal

Die neue Studie über sexuelle Missbräuche in der katholischen Kirche hat die Schweiz erschüttert. Darin werden unter anderem die Ordensgemeinschaften scharf kritisiert. Sie sollen die Aufarbeitung teils blockiert haben. Blick stellt drei von ihnen vor.
Publiziert: 13.09.2023 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2023 um 09:36 Uhr
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Carla De-VizziRedaktorin News

Die Ergebnisse einer neuen Studie über die katholische Kirche haben die ganze Schweiz erschüttert. Darin deckte die Universität Zürich auf, dass zwischen 1950 und heute mindestens 1002 Fälle sexuellen Missbrauchs gegeben hat.

Statt die Vorfälle zu melden, wurden sie vertuscht – allen voran von den höchsten geistlichen Würdenträgern. Systematisches Wegschauen lautete die Devise.

Insbesondere bei den verschiedenen katholischen Orden gestaltete es sich schwierig, an die Akten zu kommen. In der Studie ist von einer «fehlenden Kooperationsbereitschaft der Orden» und einem «schwierigen Zugang zu den privaten Institutionsarchiven» die Rede. Blick ist in die Welt der katholischen Orden eingetaucht und stellt drei von ihnen samt Abgründen vor.

In der katholischen Kirche soll es in den letzten 70 Jahren zu über 1000 sexuellen Missbräuchen gekommen sein. Im Bild: Die Kathedrale von Chur.
Foto: Keystone
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Ordensgemeinschaft der Augustiner Chorherren

Die Augustiner Chorherren wurden 1215 in Rom gegründet. Ihre Mitglieder sind Priester, die in Klöstern leben und sich ihrem seelsorglichen Engagement widmen. Sie verpflichten sich zu einem Leben ohne Eigenbesitz, zu Gehorsam und gottgeweihter Keuschheit.

Seit der Veröffentlichung der Studie lässt besonders der letzte Punkt aufhorchen. Angesichts der zahlreichen sexuellen Missbräuche sind die Zweifel nicht unbegründet. Das neuste Beispiel: Jean Scarcella (71), der Abt des Walliser Klosters Saint-Maurice, das den Augustiner Chorherren angehört. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass er sein Amt ruhen lässt. Ihm wird vorgeworfen, einen Jugendlichen sexuell belästigt zu haben. Weitere Opfer seien nicht ausgeschlossen. Bei der Kantonspolizei ist bereits eine Anzeige gegen den Abt eingegangen.

Die Abtei Saint-Maurice lässt Meldungen von sexuellem Missbrauch inzwischen durch das Fachgremium des Bistums Sitten bearbeiten. Eine Blick-Anfrage an die Augustiner Chorherren blieb bisher unbeantwortet.

Ordensgemeinschaft der Salesianer

Die Salesianer bilden eine der grössten Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom italienischen Priester Don Bosco ins Leben gerufen und machte es sich zum Ziel, Jugendliche von der Strasse zu holen und ihnen eine schulische und berufliche Ausbildung zu ermöglichen.

Der Studie zufolge ist es in Einrichtungen in der Westschweiz und im Tessin zu zahlreichen Fällen sexuellen Missbrauchs gekommen. Die Salesianer selbst sollen dabei die Nachforschungen behindert haben.

Auf Anfrage von Blick sagt Pater Toni Rogger (75), Präsident der Salesianer Stiftung Don Bosco, dass man mit Bestürzung von der Studie Kenntnis genommen habe. Was in den erwähnten Institutionen in der Westschweiz und im Tessin geschehen sei, tue ihm sehr leid. Er hält aber fest, dass die betreffenden Niederlassungen inzwischen geschlossen seien. Nichtsdestotrotz müsse man mögliche Missbrauchsvorwürfe ernst nehmen und aufarbeiten.

Ordensgemeinschaft der Kapuziner

Der Kapuzinerorden wurde 1528 gegründet und gilt als weltweit jüngste weltweite Reform innerhalb des Franziskanerordens. Der Tagesablauf der Kapuziner, die in brüderlicher und religiöser Gemeinschaft leben, ist von Beten und Feiern von Gottesdiensten geprägt.

In Sachen Missbrauchsfälle sind die Kapuziner kein unbeschriebenes Blatt: Besonders hohe Wellen schlug der Fall von Pater Joël, der über Jahrzehnte Dutzende Kinder missbrauchte. Statt hinzuschauen, vertuschten die Vorgesetzten den Fall und versetzten den Sexualstraftäter immer wieder. Publik wurde der Fall durch den Freiburger Daniel Pittet (62), der als Betroffener in seinem Buch von den sexuellen Übergriffen des Priesters erzählte.

Immerhin: 2017 setzte die Schweizer Kapuzinerprovinz eine unabhängige Kommission ein, um den schweren Fall zu untersuchen. Zudem hat die Schweizer Kapuzinerprovinz Anlaufstellen für Meldungen sexuellen Missbrauchs geschaffen.

Dennoch seien in der Vergangenheit die Betroffenen zu kurz gekommen, wie es beim Provinzialat der Schweizer Kapuziner auf Anfrage von Blick heisst. Man arbeite nun daran, dies zu ändern. Die Organisation betont aber, dass die Kapuziner dem Forschungsteam sämtliche Unterlagen ausgehändigt hätten.

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