«Meine Implantate sind in Frankreich sogar verboten»
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Krank nach Brust-OP:«Meine Implantate sind in Frankreich sogar verboten»

Mysteriöse Krankheit befällt Frauen mit Brustimplantaten – Dutzende Fälle in der Schweiz
«Ich dachte, ich würde sterben»

Eine mysteriöse Krankheit sucht Frauen nach dem Einsetzen von Brustimplantaten heim. Trotzdem ist die sogenannte Breast Implant Illness nicht als Krankheit anerkannt, wie betroffene Frauen erzählen. Eine Studie des Kantonsspitals Aarau könnte das ändern.
Publiziert: 12.12.2022 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2022 um 12:31 Uhr
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Michael SahliReporter News

Der Traum von einer grösseren Oberweite wird für manche Frauen zum Albtraum. Sie werden nach dem Einsetzen von Silikonimplantaten von einer mysteriösen Krankheit heimgesucht, die offiziell gar nicht existiert. Aber die Beschwerden sind real, wie zwei Betroffene gegenüber Blick erzählen. «Wir möchten Frauen warnen, dass eine Brustvergrösserung kein lockerer Eingriff ist», sagt Melanie* (22) aus dem Kanton Aargau. Und ihre Zürcher Kollegin Sandra** (26) ergänzt: «Dass unsere Krankheit von der Weltgesundheitsorganisation nicht anerkannt ist, macht es für Betroffene sehr schwer.» Der Name des Leidens: Breast Implant Illness (BII), auf Deutsch etwa Brust-Implantat-Krankheit.

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Die beiden Frauen haben unterschiedliche Geschichten, haben sich erst durch die Krankheit kennengelernt. Melanie liess sich in einer bekannten Schweizer Klinik operieren, für 13'000 Franken. Sandra ging nach Prag, liess den Eingriff dort für 3000 Franken durchführen. Bei beiden gab es während des Eingriffs keine Komplikationen. Trotzdem war danach nichts mehr wie vorher.

30 Ärzte konnten nicht helfen

«Nach der Operation 2018 wurde ich von Monat zu Monat schubweise immer kränker», sagt Sandra. «Ich hatte Kreislaufzusammenbrüche, Fieber, Schmerzen, Infekte, Herzprobleme und anderes.» Und: «Ich dachte, ich würde sterben, konnte gar nicht mehr aus dem Bett.»

Haben nach dem Einsetzen von Brustimplantaten mysteriöse Symptome entwickelt: Melanie (22, stehend) aus dem Kanton Aargau. Und ihre Zürcher Kollegin Sandra (26).
Foto: Nathalie Taiana
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Melanie erging es ähnlich. Die alleinerziehende Mutter arbeitet in der Nacht in der Pflege, damit sie tagsüber Zeit für ihren Sohn hat. «Ich war immer sehr aktiv», sagt sie. Doch nach der Brust-OP im März 2021 ging plötzlich nichts mehr. «Die Symptome gingen von Gehirnnebel bis zu Haarausfall.»

Was die beiden Frauen gemeinsam haben: Der Weg zur Diagnose war quälend lang. «Die Ärzte konnten mir nicht weiterhelfen. Ich hatte seit meiner Operation 2018 sicher 30 verschiedene Untersuchungen bei Dutzenden Medizinern. Nichts half», so Sandra. Schliesslich wurden die Leidensgenossinnen im Netz fündig, bei einer Selbsthilfegruppe betroffener Frauen. Erst da machte für sie zum ersten Mal alles Sinn. Und den beiden wurde klar: Die Implantate könnten schuld an ihrem Zustand sein.

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Schönheitsklinik bringt Patientin zum Schweigen

Melanie wandte sich schliesslich ans Kantonsspital Aarau, das mit der Krankheit schon Erfahrung hat. «Dort wurden mir die Implantate im Oktober 2022 wieder entfernt. Danach verschwanden die Symptome so schnell, wie sie gekommen waren.» Enttäuscht ist Melanie von der Schweizer Klinik, die ihr die Implantate einsetzte. «Man hat mich einfach hängen lassen und nicht ernst genommen. Als handle es sich nur um Einbildung.»

Schlimmer noch: Die Klinik erklärte sich bereit, einen Teil der Kosten, die durch die Implantatentfernung im Kantonsspital Aarau fällig wurden, zu übernehmen. Allerdings unter einer Bedingung: «Ich musste einen Vertrag unterzeichnen, dass ich über die Klinik nicht öffentlich spreche. Ansonsten muss ich eine Strafe von 18'000 Franken bezahlen.» Immerhin sind die Beschwerden weg.

Leidensgenossin Sandra hatte weniger Glück. Ihre Beschwerden klangen nach der Entfernung der Implantate bei einem Schweizer Schönheitschirurgen nicht ab. «Ich habe noch immer sehr hohe Entzündungswerte», sagt sie. Ob sie je wieder symptomfrei sein wird, steht in den Sternen.

Beim Kantonsspital Aarau melden sich regelmässig Frauen, die nach dem Einsetzen von Brustimplantaten unter Beschwerden leiden, erklärt Jan Plock, Chefarzt für plastische Chirurgie: «In den letzten zwei Jahren haben wir etwa 30 bis 40 solcher Patientinnen behandelt. Vielen konnten wir helfen, indem wir die Implantate entfernt haben.» Und: «Ich bin überzeugt, dass es die Erkrankung Breast Implant Illness tatschächlich gibt, obwohl wir noch zu wenig darüber wissen, um sie klar zu definieren.»

Kantonsspital Aarau führt Studie durch

Wenn die Patientinnen bei Plock ankommen, haben sie oft schon einen langen Leidensweg hinter sich, so der Chirurg weiter: «Es ist ein grosses Problem, dass diese Patientinnen teilweise über Jahre keine Hilfe finden, nicht richtig ernst genommen werden.»

Ein Problem bei der Diagnostik sei die Breite der möglichen Symptome, die durch die Krankheit ausgelöst werden – von Haarausfall bis zu Magen-Darm-Störungen. Darum sei die einzige Möglichkeit zur Diagnose bisher: ein Ausschlussverfahren, bei dem alle anderen Krankheiten ausgeschlossen werden. Bis nur noch das Implantat als Auslöser übrig bleibt.

Damit die Diagnose in Zukunft vereinfacht wird, führt Plock darum momentan eine Studie durch: «Wir machen Blutentnahmen vor und nach der Entfernung der Implantate. Und schauen, ob Veränderungen nachweisbar sind, mit denen man die Krankheit genauer erklären kann.» Gelingt das, könnte die Existenz von Breast Implant Illness vielleicht endlich belegt werden. Und betroffenen Frauen könnte viel Leid erspart werden.

*Name bekannt

**Name geändert

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