Mehrere Frauen starben nach Behandlungen durch Alternativmediziner Thomas Rau (73)
Ermittlungen gegen «Mozart der Medizin» im Appenzell

Thomas Rau (73) gilt als einer der renommiertesten Alternativmediziner. Trotzdem kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren Todesfällen in seiner Klinik. Ihm werden nun diesbezüglich schwere Vorwürfe gemacht.
Publiziert: 19.11.2023 um 15:43 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2023 um 16:22 Uhr

Er gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet: Thomas Rau (73). Viele sehen ihn als Star der Schweizer Alternativmedizin. Während 30 Jahren leitete er die international bekannte Paracelsus-Klinik Lustmühle in Niederteufen AR und genoss nebenbei mit Seminaren in der ganzen Welt und mehreren publizierten Büchern das Leben im Scheinwerferlicht. Doch nun bekommt das Bild des «Mozarts der Medizin», wie sich Rau in einer seiner Schriften bezeichnen lässt, erhebliche Risse.

Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden Ermittlungen gegen den Arzt aufgenommen – wegen fahrlässiger Tötung. Der Grund: Mehrere Frauen starben nach Behandlungen in seiner Klinik.

Er gilt als Star der Schweizer Alternativmedizin: Thomas Rau. Seit bald drei Jahren leitet der Arzt das Biomed Center Sonnenberg in Schwellbrunn.
Foto: Screenshot Youtube / QS24.tv
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Gesunde Patientin stirbt nach Infusion

Anfang 2021 trat Rau die Leitung des Biomed Center Sonnenberg in Schwellbrunn AR an. Die Klinik sollte ein Ort der Erholung sein, an dem sich Patientinnen und Patienten einer Entgiftungskur unterziehen können. Doch im April 2021 überschattete ein Todesfall die Klinik. Eine eigentlich gesunde Patientin, die wegen Verdauungsproblemen und Kopfschmerzen eine Kur machen wollte, starb an einer «letal verlaufenden Arzneimittelnebenwirkung», heisst es im rechtsmedizinischen Gutachten.

Der Patientin wurden mehrere Infusionen in die Blutbahn gespritzt, wovon die Letzte eine Lösung mit Alpha-Liponsäure war. Das Mittel wird in Deutschland bei langjährigen Diabeteskranken mit Nervenschäden eingesetzt. Hierzulande ist die Infusion nicht als Arzneimittel zugelassen. Die Patientin klagte schon kurz nach der Infusion über starke Bauchkrämpfe. Später über Schmerzen am ganzen Körper.

Im Kantonsspital St. Gallen stellten die Ärzte dann eine massive Blutgerinnungsstörung fest. Weder die Nieren noch die Leber war funktionsfähig. In ihrem Bericht kamen die Rechtsmediziner zum Schluss, dass es die Alpha-Liponsäure gewesen sein muss, die «letztlich kausal mit dem Todeseintritt in Zusammenhang» stand. Denn: Die Substanz kann Störungen der Blutgerinnung verursachen.

Arzt schiebt Todesursache auf Corona-Impfung

In der Klinik klang die Erzählung über den Tod der Frau ganz anders. Auf die Frage einer besorgten Patientin soll Rau auf abstruse Art und Weise versucht haben, vom Zusammenhang mit den Infusionen abzulenken. «Ich glaube, es waren die Covid-Impfungen.» Woher er das wusste: Seine Intuition.

Die Staatsanwaltschaft nahm schliesslich die Ermittlungen zu dem Todesfall auf. Für Rau könnten sie schwere Konsequenzen haben. Denn nur drei Wochen vor dem erwähnten Todesfall war eine weitere Patientin in der Klinik verstorben. Die Vorwürfe der Rechtsmediziner sind happig: Rau soll bei der Behandlung Fehler gemacht haben, die nicht einmal ein Medizinstudent hätte machen dürfen.

Auch eine ehemalige Klinik-Angestellte, die sich selbständig bei der Polizei meldete, erhebt schwere Vorwürfe gegen Rau. Gegenüber der Staatsanwaltschaft berichtete sie von einem Ereignis, bei dem sie gesehen habe, wie eine junge Frau nach einer Infusion äusserst schwach aus der Klinik getragen worden sei. Ein paar Tage darauf habe sie dann einen Anruf zwischen Rau und dem Mann der Patientin belauscht, aus dem hervorging, dass die Frau gestorben war.

Amt für Gesundheit unter Kritik

Beim kantonalen Amt für Gesundheit habe man Kenntnis von den Vorfällen, wie die Departementssekretärin gegenüber der «NZZ am Sonntag» bestätigt. Konkrete Massnahmen gegen Rau oder die Klinik wurden bis jetzt aber nicht ergriffen. Es ist nicht das erste Mal, dass den kantonalen Behörden ein zimperlicher Umgang mit dem Arzt vorgeworfen wird.

Mitte der Nuller-Jahre wurde Rau beschuldigt, den Tod von Prinz Saddrudin Aga Khan (†70), einem ehemaligen Uno-Hochkommissar und Sohn des verstorbenen Oberhaupts der Ismaeliten, verursacht zu haben. Die Anwälte der Angehörigen warfen den Behörden vor, sie würden das Verwaltungsverfahren verzögern. Der Fall verjährte schliesslich ohne Urteil.

Beim Amt für Gesundheit heisst es, dass ein Verwaltungsverfahren «grundsätzlich» nur dann eröffnet werde, wenn ein Arzt «in einem einschlägigen Strafverfahren rechtskräftig verurteilt» worden sei, was Stand heute nicht der Fall sei. (ced)

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