Neuer Untersuchungsbericht legt Details offen
Operationsbericht im Fall Maisano wurde heimlich «nachfabriziert»

Die Herzoperation am Unispital Zürich wurde als Weltpremiere gefeiert – dann wurde sie zum Fiasko. Nun zeigt sich: Ein nachträglich bearbeiteter Bericht sollte den Misserfolg vertuschen.
Publiziert: 11.11.2023 um 20:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2023 um 09:57 Uhr

Es war eine absolute Sensation: Francesco Maisano (56), Klinikchef der Herzchirurgie am Universitätsspital Zürich (USZ), war es im Juni 2016 gelungen, einer Seniorin ein Cardioband für die rechte Herzklappe einzusetzen. Für Klinikchef Maisano und das Spital ein riskanter Schritt, denn das Implantat war offiziell noch nicht zugelassen. Da die Operation gelang, wurde Maisano gefeiert.

Doch die Operation entpuppte sich im Nachhinein als Fehlschlag. Zum einen riss der Draht. Dann zeigte sich bei einer Nachuntersuchung zwei Tage später, dass die Herzklappe der Seniorin trotz OP gar nicht dicht war. Die Öffentlichkeit sollte davon allerdings vorerst nichts mitbekommen. 

Bericht über Verlauf der Operation fehlte

Ein Blick auf das Patientendossier macht stutzig. Normalerweise beobachten Ärzte während Eingriffen mittels einer sogenannten transösophagealen Echokardiographie (TEE) das Herz. Daraus entstehen dann Bilder, die für die Erstellung des anschliessenden Berichts verwendet werden. Doch im Patientendossier der Seniorin fehlte ein Beleg für den Verlauf und den Erfolg oder Misserfolg der Operation.

Verkaufte eine missglückte Operation als Welterfolg: Der ehemalige Klinikchef der Herzchirurgie am Universitätsspital Zürich Francesco Maisano.
Foto: Valeriano Di Domenico
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Erst drei Jahre später, im Dezember 2019, erhob erstmals ein Whistleblower schwere Vorwürfe gegen Klinikchef Maisano. Der Arzt soll wissenschaftliche Publikationen zu mitentwickelten Implantaten beschönigt und Komplikationen bei Operationen verschleiert haben. Die anonyme Quelle belegte dies mit diversen Fällen. Darunter auch der Herz-Operation der Seniorin. Das USZ eröffnete kurz darauf eine interne Untersuchung.

Dokumente vollständig «nachfabriziert»

Ein Untersuchungsbericht, den das USZ bisher unter Verschluss gehalten hat, zeigt was schief gelaufen ist. Auf eine Aufforderung nach Akteneinsicht durch die Redaktionen des «Beobachter» und «Tages-Anzeiger» hatte sich das USZ bis ans Bundesgericht gewehrt. Den Rechtsstreit verlor es, die Journalisten bekamen Einsicht.

Im Bericht wird auf bis dahin unbekannte Komplikationen mit einem Implantat aufmerksam gemacht. Es gebe zudem Anhaltspunkte, dass «gewisse Dokumente» in der Herzchirurgie im Hinblick auf die interne Untersuchung vollständig «nachfabriziert» worden seien.

So auch der Bericht über die Herz-OP der Seniorin. Dieser wurde offenbar am 16. April 2020 neu erstellt und auf das Jahr 2016 zurückdatiert. Kurz nach dieser «Korrektur» übergab Maisano den Prüfern der internen Untersuchung einen USB-Stick mit dem Bericht. Wenig überraschend attestierte dieser der Operation ein positives Resultat.

Verfasser des Berichts war offenbar ein Arzt, der bei der Weltpremiere im Jahr 2016 dabei gewesen war. Dieser bestätigte, das Dokument erst im April 2020 erstellt zu haben. Ihm zufolge sei die Erstellung des Berichts seinerzeit einfach vergessen gegangen. Auch Francesco Maisano beteuert bis heute, dass er den Bericht «in keiner Weise verändert oder beeinflusst» habe.

Staatsanwaltschaft stellt Verfahren ein

Die Staatsanwaltschaft Zürich, die ebenfalls in der Sache ermittelte, hat nun das Verfahren eingestellt. Es stehe fest, dass der Bericht zurückdatiert worden sei. Es könne jedoch sein, dass eine andere Person mittels der Log-in-Daten des Beschuldigten eine solche Rückdatierung vorgenommen habe.

Das USZ wollte keine Auskunft zum Untersuchungsbericht geben. Man habe nach den Vorfällen umfangreiche organisatorische und personelle Anpassungsmassnahmen eingeleitet und sehr intensiv an der Unternehmenskultur gearbeitet, heisst es vonseiten des Spitals. (ced)

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