Weil er kein Englisch spricht
Thurgauer Arzt muss Praxis schliessen – Patienten geschockt

Obgleich ein Hausarzt aus Amriswil TG fünf Sprachen spricht, wurde seine Praxis geschlossen. Ausgerechnet am Englisch haperte es. Rund 2000 Patienten wehrten sich mit einer Petition gegen die Schliessung – ohne Erfolg.
Publiziert: 19.01.2024 um 16:42 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2024 um 07:28 Uhr
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Melissa MüllerRedaktorin News

Ukrainisch, Russisch, Polnisch, Portugiesisch und Deutsch: All diese Sprachen beherrscht ein Allgemeinmediziner aus Amriswil TG fliessend. Doch trotz der Sprachbegabung musste Olexandr K.* (55) seine Praxis schliessen. Der Grund: Seine Englischkenntnisse waren nicht ausreichend.

Wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet, kam der Ukrainer vor rund zehn Jahren in die Schweiz, nachdem er in Portugal eine eigene Praxis geführt hatte. Hierzulande arbeitete er zunächst bei Medbase, bis er 2015 die Berufsausübungsbewilligung als selbständiger Arzt erhielt. Rund zwei Jahre später übernahm er seine Praxis in Amriswil.

Arzt muss Prüfungen in Englisch absolvieren

Doch nun fordert der Kanton nebst regelmässigen Weiterbildungen einen eidgenössisch anerkannten Weiterbildungstitel vom Ukrainer. Ohne diesen kann er seinen Beruf nicht länger ausführen. Ein grosses Problem. Denn: Die Prüfungen lassen sich nicht auf Deutsch absolvieren, sondern nur auf Englisch. Für den fünfsprachigen Arzt eine zu grosse Hürde.

Muss seine Praxis schliessen: ein Hausarzt aus Amriswil.
Foto: Zvg
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Der Kanton gewährte aufgrund der schwierigen Hausarztsituaton zwar einen Aufschub bis 2023. Doch K. nahm die Prüfungen nicht wahr. Im Herbst wurde ihm vom Kantonsärztlichen Dienst die Berufsausübungsbewilligung entzogen. Auf der Praxis-Website steht seither: «Trotz aller Bemühungen, die Praxisarbeit aufrechtzuerhalten, war kein Erfolg zu verzeichnen. Ein Nachfolger oder Vertreter konnte sich leider nicht finden.»

«Mündliche Prüfungen werden in der Landessprache gemacht»

Aber wieso muss die Prüfung ausgerechnet auf Englisch stattfinden? Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) kennt den konkreten Fall nicht, erklärt aber auf Anfrage von Blick, dass sich die Fachstellen an europäischen Standards orientieren. Und diese seien eben auf Englisch.

Eigene Prüfungen für die Schweiz zu entwickeln, sei aufwendig. Das SIWF stellt aber auch klar: «Mündliche Prüfungen werden immer in der Landessprache gemacht.» K. hat sich auf Anfrage von Blick nicht geäussert. 

Patienten sammeln 2000 Unterschriften

Die Praxis wurde im Herbst vorerst geschlossen – zum grossen Leid der rund 3000 Patienten. Entsetzt sagt eine Patientin zur Zeitung, der Kanton Thurgau habe der Praxis «noch im Sommer mehrere Patienten zugewiesen». Wie auch viele andere Patienten von K. steht sie nun ohne Hausarzt dar. Da die Amriswiler Allgemeinmediziner bereits am Limit sind, findet sie keinen neuen Hausarzt.

Deshalb startete sie eine Petition, in der sie das Kantonale Amt für Gesundheit bat, K. aufgrund der schwierigen Situation eine befristete Berufsausübungsbewilligung zu erteilen. Innerhalb von drei Wochen unterschrieben rund 2000 Personen. 

Petition abgelehnt

Doch die Petition nützte nichts. Kantonsärztin Agnes Burkhalter bedankte sich für die «zahlreichen Unterschriftsbögen», gab aber an, dass das Anliegen bereits erfüllt sei. «Vor diesem Hintergrund betrachten wir die Petition selbstredend als hinfällig.»

Bei der Suche nach einem neuen Hausarzt könne das Amt für Gesundheit nicht weiterhelfen. Als Aufsichtsinstanz habe es keinen Einfluss auf die medizinische Versorgung und die freie Marktwirtschaft. Da Hausärzte ihre Praxen als freie Unternehmer betreiben, herrscht keine Aufnahmepflicht. 

* Name geändert 

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