Umstrittene IV-Gutachter
Bund zieht Firma aus dem Verkehr, doch nicht deren Ärzte

Die PMEDA AG darf für die Invalidenversicherung keine medizinischen Abklärungen mehr machen – wegen «gravierender Mängel». Die Gutachter, die für dieses wenig schmeichelhafte Fazit verantwortlich sind, arbeiten aber unbehelligt weiter.
Publiziert: 19.11.2023 um 10:35 Uhr
Die PMEDA AG des Arztes Henning Mast (70) erklärte in der Vergangenheit auffällig viele Menschen für gesund – und verschonte Versicherungen damit vor Zahlungen in Millionenhöhe.
Foto: ZVG
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Das Urteil der Eidgenössischen Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB) über die Arbeit der PMEDA AG des umstrittenen Neurologen Henning Mast (70) ist vernichtend: «Die Evaluation hat gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit der untersuchten Gutachten gravierende formale und inhaltliche Mängel aufweist.»

Aufgrund dieses Fazits beschloss das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) im Oktober, dass die kantonalen IV-Stellen in Zukunft nicht mehr mit PMEDA zusammenarbeiten dürfen.

Jedoch: Die Ärztinnen und Ärzte, die als «fallführende Gutachter» für die «gravierenden Mängel» verantwortlich sind, dürfen weiterhin für die IV tätig sein.

Auf der aktuellen Liste der Sachverständigen-Zweierteams, die nach Zufallsprinzip für IV-Gutachten eingesetzt werden, stehen mehrere Mediziner, die jahrelang für PMEDA gearbeitet haben. Unter ihnen ist mit Dr. D.* gar ein Arzt, der bis vor wenigen Wochen im Verwaltungsrat von PMEDA sass. Er führt eine Praxis in der Stadt Zürich, die bei sämtlichen Zweierteams mit ehemaligen PMEDA-Ärzten als Korrespondenzadresse angegeben ist.

Der Bund sieht darin kein Problem. Ein Sprecher hält gegenüber SonntagsBlick fest: «Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass Ärztinnen und Ärzte, welche die qualitativen und formellen Anforderungen erfüllen, und die für die PMEDA AG als Sachverständige tätig waren beziehungsweise noch sind, auch im Rahmen von Sachverständigen-Zweierteams oder in anderen Gutachterstellen Gutachten für die IV erstellen können.»

Die EKQMB habe weder in der Empfehlung noch im dazugehörenden Bericht konkrete Angaben zu einzelnen Sachverständigen gemacht, so der Sprecher weiter: «Der Bericht der EKQMB lässt keinen Rückschluss auf die dem Gesamtgutachten zugrunde liegenden Gutachten der einzelnen Fachärzte oder Fachärztinnen zu, ebenso wenig auf diese Sachverständigen selbst.» Aufgrund der vorliegenden Unterlagen könne deshalb kein Gutachtensstopp für einzelne Sachverständige abgeleitet werden. «Das wäre sachlich unhaltbar», so das BSV.

Das letzte Wort scheint jedoch noch nicht gesprochen. Die Verantwortlichen der EKQMB sagen gegenüber SonntagsBlick: «Die Tatsache, dass die ehemaligen PMEDA-Gutachter jetzt als Zweierteams zugelassen sind, ist uns in den letzten Tagen bekannt geworden.» Man werde dieses Thema an der nächsten Sitzung im Februar 2024 traktandieren. 

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