Genfer Anti-Atomwaffen-Kampagne Ican bekommt Friedensnobelpreis
Grosse Ehre für ein kleines Büro

Das Ican-Team ist über den Friedensnobelpreis verblüfft. Bis jetzt unterschrieben 53 Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag. Die Atomkräfte sowie die Nato fehlen jedoch.
Publiziert: 06.10.2017 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2018 um 21:24 Uhr
Fühlen sich geehrt: Ican-GeneralsekretärinBeatrice Fihn (l.) mitihren Mitarbeitern Daniel Hogsta und Grethe Ostern gestern in Genf vor den Medien.
Foto: DENIS BALIBOUSE
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Thomas Ley

Ein Büro in Genf, vier Mitarbeiter, alle Mitte dreissig. So jung waren Friedensnobelpreis-Träger noch selten. Die Internationale Kampagne zur Abrüstung atomarer Waffen, englisch abgekürzt Ican, ist ein überraschender Preisträger.

Am verblüfftesten war das Ican-Team selber: «Ich dachte zuerst, wir würden auf den Arm genommen», sagte Generalsekretärin Beatrice Fihn (34). Die Schwedin konnte es erst glauben, als sie den Anruf aus Oslo bekam. «Wir fühlen uns sehr geehrt. Und sind wahnsinnig aufgeregt.»

Atombomben-Verbot

Die Kampagne entstand vor zehn Jahren, inspiriert von anderen Friedensnobelpreis-Trägern: der internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen. Seither weibelte Ican, unter deren Dach sich inzwischen 460 kleine und grosse Gruppen sammeln, nicht für atomare Abrüstung, sondern gleich für ein Atombomben-Verbot überhaupt.

Ein Gedanke, der absurd klingt in einer Welt, in der noch immer gut 15'000 Atomsprengköpfe stehen, mehr oder minder einsatzfähig. Trotzdem gelang Ican im September der Durchbruch: 53 Staaten unterschrieben den Atomwaffenverbotsvertrag. Wenn 50 ihn ratifizieren, voraussichtlich nächstes Jahr, tritt er in Kraft.

Schweiz will Vertrag erst noch «evaluieren»

Nicht dabei sind die Atomkräfte sowie die ganze Nato. Auch die Schweiz zögert und will den Vertrag erst noch «evaluieren», wie es heisst. Entsprechend zurückhaltend waren gestern die Reaktionen. Die USA schwiegen. Nato-Staat Deutschland gratulierte, bekräftigte aber erneut seine Ablehnung des Vertrags. Und Russland meldete sich mit der etwas seltsamen Feststellung, es sei «ein verantwortungsvolles Mitglied des Atom-Klubs».

Moralischer Druck

Offenbar wirkt der Preis auf viele Staaten wie ein Vorwurf. Einmal mehr, dürfte man sich in Oslo zufrieden sagen. In einer Zeit, da sich Atom-Supermacht USA und Atombomben-Neuling Nordkorea mit Drohungen triezen, konnten die Skandinavier wieder einmal moralischen Druck aufsetzen. Unterdessen kann das kleine Genfer Büro, das sich mit Spenden über die Runden bringt, die gut 900'000 Franken Preisgeld gut gebrauchen. Es entspricht etwa einem Jahresbudget.

Gestern wird man sich einen Vorschuss gegönnt haben – in Form einer Flasche Champus.

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