Räuber-Fussballer Marco Müller stirbt nach 36 Jahren Flucht – jetzt redet ein Opfer
«Komm hinter der Kasse hervor – oder du gehst in die Luft»

Einst bezeichnete Blick Marco Müller als «gefährlichsten Bankräuber der Schweiz». Jetzt ist er tot. Nach Jahrzehnten der Flucht. Er starb trostlos in der jurassischen Provinz. Blick begab sich auf Spurensuche. Und traf eines seiner Opfer sowie einen Komplizen.
Publiziert: 21.03.2024 um 20:28 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2024 um 22:18 Uhr
Léo Michoud, Nicolas Lurati

36 Jahre war der Bankräuber und ehemalige YB-Spieler Marco Müller auf der Flucht. Die Polizei erwischte ihn in dieser Zeit nicht. Erst als er am 26. Februar in seinem jurassischen Heimatort Bassecourt tot auf den Bahngeleisen gefunden wurde, war die Flucht offiziell vorbei. Schaffte es Müller tatsächlich, 36 Jahre unentdeckt mitten im Jura zu leben? Blick hat sich auf Spurensuche gemacht. Und sprach sowohl mit dem Bankbeamten, den Müller damals überfiel, als auch mit einem alten Komplizen.

Rückblick: 1979 überfällt Müller eine Bank. Nicht irgendwo. Nein, in Bassecourt. «Ein bewaffneter Gangster tauchte um 8 Uhr 25 am Schalter auf», heisst es in einer damaligen Meldung, die die «NZZ» abdruckte. «Unter Drohung mit einer Pistole liess er sich vom Kassier den Inhalt der Kasse, 33'800 Franken, aushändigen.» Müller habe den Bankmitarbeiter mit Klebeband gefesselt und sei mit einem geklauten Auto abgehauen.

Diesen Bankmitarbeiter trifft Blick am Donnerstag in Bassecourt. Er erinnert sich gut an den Vorfall. Sein Name ist Yves Girard (71). «Er betrat mit einer roten Perücke und einem Mantel die Bank. Er zückte Dynamitstangen und sagte zu mir: ‹Komm hinter der Kasse hervor – oder du gehst in die Luft›. Doch dann habe der Bandit auch gesagt, dass sich Girard keine Sorge machen müsse, da er nur am Geld interessiert sei. Und: «Er hat zwar die Kasse geleert, übersah aber eine grössere Summe, die in einem offen gelassenen Schliessfach lag.»

Bankräuber Marco Müller starb nun nach Jahrzehnten der Flucht.
Foto: Zvg
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«Er war im Dorf bekannt»

Beim Überfall selbst habe Girard Marco Müller nicht erkannt. Aber: «Ich weiss, dass er der Täter war, denn später hat er damit geprahlt. Hätte ich schon während der Tat gewusst, wer hinter der Verkleidung steckt, hätte ich mehr Angst gehabt. Denn er war im Dorf bekannt.»

Müller wollte mehr. Und delinquierte weiter. Bei einem Banküberfall mit Geiselnahme in Le Locle NE hatte er seine Finger im Spiel. Dabei war da André Jäggi. Er hat seine Gefängnisstrafe abgesessen. Und kennt Müller seit dem Kindesalter. «Nach der Sache in Le Locle überfielen wir ein Waffengeschäft in Biel», sagt er zu Blick. Jäggi erinnert sich: «Nach den Raubzügen war er derjenige, der den grössten Teil des Geldes kassierte. Ich bekam nur Provisionen. Manchmal lieh er sich Geld von mir und sagte mir, dass er es mir beim nächsten Überfall zurückgeben würde.»

Müllers Raubgier war nicht gestillt: Einem Geldboten knüpfte er in Delémont unter Waffendrohung über 800'000 Stutz ab. Dann düste er mit einem Töffli weg. Die Flucht war nur von kurzer Dauer – 30 Minuten später klickten die Handschellen. Ab in den Knast. Gross Bock darauf hatte der Bandit jedoch nicht. Er türmte aus dem Gefängnis.

Das Katz-und-Maus-Spiel geht weiter. Müller flüchtet nach Frankreich. Dreist macht er den jurassischen Polizisten ein Geschenk zu Weihnachten und schickt eine Kiste Cognac. Jahre vergehen. Dann schnappt ihn die französische Polizei am Flughafen Paris-Orly. Zurück in die Schweiz. Zurück in den Knast.

«Seine Straftaten waren mittlerweile verjährt»

Und wieder das gleiche Muster: Müller zieht das Leben in Freiheit jenem im Gefängnis vor. Eines Tages seilt er sich aus dem Fenster in den Hof hinab. «Wieselflink schwingt sich der ehemalige Spitzensportler dann auf die Gefängnismauer», schreibt Blick im August 1988. Dort verletzt er sich am Stacheldraht. Egal. Nur weg von hier. Wieder befestigt er ein Seil. «Und lässt sich wie Tarzan im Dschungel rund zehn Meter in die Tiefe gleiten.» Müller taucht unter.

Jahrzehnte bleibt er verschwunden. «Ich glaube nicht, dass er während seiner Flucht ins Dorf zurückgekehrt ist», sagt Komplize und Freund André Jäggi. «Er war nicht dumm. Selbst wenn er verkleidet gewesen wäre, hätte ich seinen Gang erkannt, die Art, wie er seine Hände an den Schenkeln rieb. Niemand kennt Marco besser als ich.»

Dann der Vorfall auf dem Bahngleis im Februar. «Die Polizei kam und sagte mir, dass er tot sei», so der Freund. «Da wurde mir ganz komisch.» Erst jetzt, mehr als drei Wochen nach dem Unfalltod, wird auch der Öffentlichkeit klar: Es ist der Bandit Marco Müller. Von der Schweizer Justiz sei er nicht mehr gesucht worden, sagt die jurassische Staatsanwältin Charlotte Wernli auf Blick-Anfrage. «Seine Straftaten waren mittlerweile verjährt.»

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