«Ich kann nur alle zwei Wochen duschen»
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Er braucht ein Behinderten-WC:«Kann nur alle zwei Wochen duschen»

IV würde Kosten übernehmen, doch Vermieter stellen sich quer
Kein Behinderten-WC für Mieter Pascal Heggendorn (49)

Pascal Heggendorn (49) aus Rickenbach LU ist auf den Rollstuhl angewiesen. Ein Behinderten-Badezimmer in seiner Wohnung würde sein Leben vereinfachen. Doch die Vermieter stellen sich quer. Pikant: Einer der beiden Vermieter ist Kantonsrat der Grünliberalen.
Publiziert: 07.11.2023 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2023 um 13:02 Uhr

Lorenz Ilg (54) ist Schwyzer Kantonsrat und Vorstandsmitglied der Grünliberalen Schweiz. Zusammen mit seinem Bruder besitzt er ein Mehrfamilienhaus in Rickenbach LU.

Doch jetzt muss sich der Politiker, der auch Mitglied des Verbandes Casafair ist und von diesem zur Wahl in den Nationalrat empfohlen wurde, heftige Vorwürfe gefallen lassen. Casafair setzt sich nach eigenen Angaben für klimafreundliches Bauen, gesundes Wohnen, haushälterische Bodennutzung und faire Miet- und Nachbarschaftsverhältnisse ein.

Aber Ilgs Mieter Pascal Heggendorn (49) wirft dem Politiker nichts weniger als Herzlosigkeit im Umgang mit ihm vor. Heggendorn wohnt mit seiner Frau Eveline (35) und seinem Sohn Ryan (8) im Haus, das die Ilgs vermieten – und sitzt im Rollstuhl. Seit Jahren kämpft er dafür, dass er in seine Wohnung endlich ein behindertengerechtes Badezimmer einbauen darf. Doch die Vermieter – Lorenz Ilg und dessen Bruder – stellen sich quer.

Pascal Heggendorn (49) aus Rickenbach LU ist verzweifelt: Er bräuchte dringend ein behindertengerechtes Badezimmer.
Foto: Linda Käsbohrer
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Toilettengang eine Qual

Mit der Folge, dass Mieter Heggendorn nur noch dann duscht, wenn es die Kraft zulässt. Der IV-Rentner erzählt Blick: «Meine Frau hilft mir, mich in die Dusche zu zwängen.» Auch der Toilettengang sei eine Qual. Seine Ehefrau unterstütze ihn dabei. «Mit Mühe und Not wuchtet sie mich auf die Schüssel», so der Gehbehinderte. Nach diesen Kraftakten seien sie beide jeweils völlig am Ende, sagen die Heggendorns.

Die einfachste Lösung wäre, das Badezimmer behindertengerecht umzubauen. Bodenebene Dusche, längere Toilettenschüssel und Haltegriff beim WC. «So könnte ich endlich selber das Badezimmer benutzen», sagt Heggendorn.

Die IV würde den Umbau bezahlen. Doch jetzt kommen wieder die Ilgs ins Spiel: Die Vermieter stellen sich quer – obwohl für sie keine Kosten entstehen würden. Heggendorn: «Es würde mein Leben vereinfachen – doch sie bleiben herzlos.» Mehr noch: «Die IV würde auch einen allfälligen Rückbau des Badezimmers bezahlen», sagt Heggendorn. Auch hier: keinerlei finanzieller Aufwand für die Gebrüder Ilg.

«Das geht ihn nichts an»

Den Eigentümern ist das offenbar egal. Sie bleiben stur. Heggendorn erklärt: «Der Bruder von Lorenz Ilg, der unser Ansprechpartner ist, sagt, er wolle zuerst einen ausführlichen ärztlichen Bericht mit meiner medizinischen Diagnose.» Der Gehbehinderte sagt aber vehement: «Das geht ihn nichts an.» Das ärztliche Zeugnis vom Hausarzt habe Ilg, macht Heggendorn klar. «Das muss genügen.»

Damit aber nicht genug: «Der Vermieter will auch noch die ganze Wohnung anschauen, um sich ein Bild machen zu können», sagt Heggendorn verärgert. «Dabei reicht ein Augenschein im Bad.» Denn: «Was geht es Herr Ilg an, wie es in unserem Schlafzimmer aussieht, wenn es doch um den Umbau des Badezimmers geht?» Kurz: «Ich will nicht, dass mein Vermieter in meiner Wohnung herumstöbert.»

Warum sich seine Vermieter derart quer stellen, weiss Heggendorn nicht mit Sicherheit. Er vermutet aber: «Sie wollen uns raus aus der Wohnung haben.»

Vermieter nehmen Stellung

Von Blick konfrontiert, widersprechen die Gebrüder Ilg vehement: «Es liegt uns fern, Heggendorns aus der Wohnung zu vertreiben.» Sie seien - im Gegenteil - daran interessiert, «eine faire und tragfähige Lösung für beide Parteien zu finden», so die Vermieter.

Und sie betonen, dass sie auch nicht herzlos seien. In den «schwierigen letzten Zeiten» hätten sie weder Nebenkosten noch den Mietzins erhöht. Dies trotz «massiven Kostenanstiegs im Energiesektor» und gestiegenem Referenzzinssatz. Kurz: «Von herzlos kann hier überhaupt nicht die Rede sein, sondern, wenn schon, von sozial verantwortungsbewusst handelnden Vermietenden.»

Zum Badezimmer-Umbau meinen sie: «Bis heute warten wir auf konkrete Unterlagen, wie genaue Umbaupläne oder eine Erklärung durch den entsprechend von der IV beauftragten Handwerker zum Verständnis der konkreten Situation vor Ort. Erst anhand dieser können wir das eingeforderte Einverständnis unterzeichnen, aber nicht im Voraus mit einer Blanko-Einverständniserklärung ohne vorgängige Klärung der Art und Weise des allfälligen Rückbaus.» Blick liegt allerdings ein Dokument vor, in dem ein Handwerker diverse Umbauarbeiten in Heggendorns Badezimmer konkret auflistet – und Fotos der aktuellen Situation sowie eine Grundrissskizze angehängt hat. Das Schreiben ist an Lorenz Ilgs Bruder adressiert.

Die Ilgs finden, dass die Umbauwünsche von Heggendorn auch bei einer Begehung vor Ort hätten besprochen werden können. Der Mieter habe aber mit «Verweis auf seine Privatsphäre blockiert. Es liegt uns fern, in einer privaten Wohnung herumzustöbern, und wir haben dies auch noch nie getan.»

Überdies sagen die Gebrüder, dass sie einen ausführlichen ärztlichen Bericht benötigen, um sicherzustellen, dass der Umbau medizinisch notwendig sei. Im «lediglich ganz kurzen Attest» des Hausarztes von Heggendorn sei nur geschrieben, dass eine «bauliche Anpassung des Dusch- und Badebereichs aus medizinischer Sicht angezeigt sei.» Von «festgehaltener Notwendigkeit» sei nichts zu lesen. «Und offensichtlich funktioniert die Körperpflege von Herrn Heggendorn auch bis heute in der aktuellen Situation.»

Mieter: «Ich kann nicht mehr»

Grundsätzlich sagen die Eigentümer aber zum Badezimmer-Umbau: «Wir waren – und sind immer noch – offen für ein derartig gut begründetes Anliegen.»

Trotzdem: Heggendorn hat ein ärztliches Attest, die IV würde den Umbau finanzieren – so, wie sie auch schon die Kosten gestemmt hat, um Heggendorns Auto behindertengerecht anzupassen. Das reicht den Ilgs als Beweis nicht, dass der Umbau medizinisch notwendig ist.

Für Mieter Pascal Heggendorn bleibt nur die Verzweiflung: «Ich kann einfach nicht mehr.»

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