Schwyz wird vom Corona-Hotspot zum Vorzeige-Kanton
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Superspreader-Event in Schwyz:Schwyz wird vom Corona-Hotspot zum Vorzeige-Kanton

Wenige Wochen nach Superspreader-Event
Schwyz wird vom Corona-Hotspot zum Vorzeige-Kanton

Schwyz galt im Oktober als Corona-Hotspot. Nun könnte der Zentralschweizer Kanton zum Studienobjekt für Epidemiologen werden. Der Grund: Die Ansteckungen sind plötzlich massiv gesunken.
Publiziert: 19.11.2020 um 11:07 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2020 um 20:41 Uhr

Mitte Oktober schlug das Spital Schwyz Alarm: Schwerkranke Corona-Patienten, volle Betten – und immer mehr müssten beatmet werden. In einem emotionalen Video wandte sich das Spital-Personal mit einem Hilferuf an die Bevölkerung. «Wir können das als Spital nicht mehr stemmen, wenn die Fallzahlen weiter steigen», sagte damals Franziska Föllmi, Direktorin des Spitals Schwyz. Der Chefarzt der Inneren Medizin, Reto Nüesch, sprach sogar von einem der europaweit schwersten Coronavirus-Ausbrüche.

«Die Entwicklung ist dramatisch»
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Spital Schwyz schlägt Alarm:«Die Entwicklung ist dramatisch»

Schuld an der Misere soll unter anderem ein Jodel-Musical Ende September gewesen sein, das zum Superspreader-Event wurde und weltweit für Aufsehen sorgte. Sogar die «New York Times» und die «Frankfurter Allgemeine» berichteten darüber. Der kleine Kanton war plötzlich ein Corona-Hotspot.

Einen Monat später ist alles anders: Die Ansteckungszahlen sind plötzlich massiv gesunken. Der Kanton Schwyz liegt mit 441 Fällen pro 100'000 Einwohner in den letzten zwei Wochen landesweit am Schluss der Rangliste. Damit ist das Risiko sich hierzulande mit dem Virus anzustecken, nirgendwo so gering wie in Schwyz.

Im Oktober platzte das Spital Schwyz aus allen Nähten.
Foto: keystone-sda.ch
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Zum Vergleich: Der Kanton Genf, der sich gerade in einem Teil-Lockdown befindet, wies in den letzten zwei Wochen rund 1700 Fälle pro 100'000 Einwohner auf. Wie ist das Wunder von Schwyz zu erklären? Aus der Sicht des Epidemiologen Marcel Tanner ist der Fall Schwyz sehr interessant: «Es handelt sich um ein Schulbeispiel dafür, dass die Strategie Überwachung und Intervention wirkt», wie er gegenüber der «NZZ» sagt.

Infizierte hatten Kontakte selber informiert

Laut Tanner sei der Kanton Schwyz zuerst vom Virus überrascht worden, weil es zuvor nur wenige Infektionen gab. «Doch dann konnten die Behörden genau lokalisieren, wo die Ansteckungen stattgefunden hatten. In der Folge ist es gelungen, gezielt einzugreifen und die Übertragung zu stoppen», sagt er. Auch die Bevölkerung packte mit an: Weil das Contact Tracing nicht vollständig funktionierte, informierten die Infizierten ihre Kontaktpersonen teilweise einfach selber.

Roland Wespi, der Vorsteher des Amts für Gesundheit und Soziales, sieht zudem auch eine Entspannung bei den Hospitalisierungen. Die Massnahmen der Regierung mit dem Fokus auf die Veranstaltungen hätten sicher zur Beruhigung der Situation beigetragen, sagt Wespi zur «NZZ» – von einer zu frühen Entwarnung rät er aber ab.

Contact Tracing funktioniert wieder

Die rückläufigen Infektionszahlen und Hospitalisierungen sind nicht die einzigen guten Nachrichten aus dem Zentralschweizer Kanton: Seit der ersten Novemberwoche funktioniert das Contact Tracing wieder. Dieses war seit Mitte Oktober nur noch beschränkt möglich.

Schwyz schneidet auch im Vergleich mit Gebieten mit ähnlicher Bevölkerungszahl und Struktur gut ab. In Glarus, aber auch in Ob- und Nidwalden sind die Ansteckungszahlen höher – obwohl aus diesen Kantonen keine vergleichbaren Superspreader-Events bekannt sind. (bra)

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