Nach Negativschlagzeilen bei der Stadtpolizei – Behörden-Puff geht weiter
Massen-Abgang und Mobbing beim Winterthurer Steueramt

Nachdem SonntagsBlick von einer Krise bei der Stadtpolizei Winterthur berichtete, landet bereits die nächste Behörde in den Schlagzeilen. So soll es beim Steueramt seit geraumer Zeit kriseln. Ex-Mitarbeiter berichten von einer toxischen Arbeitsatmosphäre.
Publiziert: 19.07.2023 um 14:09 Uhr

Erst kürzlich enthüllte SonntagsBlick eine grosse Krise bei der Stadtpolizei Winterthur. Der autoritäre Führungsstil des neuen Kommandanten ist vielen Polizeioffizieren ein Dorn im Auge. Die Folge: Eine Angstkultur und eine Geschäftsleitung, von der die Hälfte krankgeschrieben ist.

Wenige Tage später landet bereits die nächste Winterthurer Behörde in den Schlagzeilen. Dieses Mal gerät das Steueramt ins Visier der Öffentlichkeit. Das berichtet der «Landbote». Die Rede ist von einer «toxischen Arbeitsatmosphäre».

Zwei Drittel des Teams hat gekündigt

Im Bericht erheben zwei Ex-Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen das Amt. Die Rede ist von Mobbing, Kontrollwahn und Aufhetzung der Mitarbeiter. «Ich bin einfach nur froh, da raus zu sein», sagt Sachbearbeiter Thomas S.* zur Zeitung. S., der in der Einschätzungsabteilung des Steueramts tätig war, habe zunehmend unter der Abteilungsleitung gelitten.

Letzte Woche kam aus, dass bei der Stadtpolizei Winterthur die Hälfte der Polizeichefs krankgeschrieben ist.
Foto: Landbote
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Alleine sei er damit nicht gewesen – ein zweiter ehemaliger Mitarbeiter bestätigt seine Schilderungen. Einer nach dem anderen habe das Weite gesucht, wie S. berichtet. «In zweieinhalb Jahren haben elf Mitarbeiter gekündigt.» Von den 16 Mitarbeitenden, die in der Abteilung tätig sind, macht das gut zwei Drittel des Teams aus. Gegenüber dem «Landboten» bestätigt die Stadt die elf Abgänge zwischen Juli 2020 und Ende 2022. Auch den Informanten zufolge soll Finanzstadtrat Kaspar Bopp (44, SP) seit drei Jahren von den Problemen gewusst haben – unternommen worden sei aber nichts.

Stattdessen spitzte sich der massive Personalmangel zu – mit enormen Folgen für die einzelnen Mitarbeiter. So hätten statt 23 Fälle pro Tag plötzlich deren 30 bearbeitet werden müssen. Doch damit nicht genug: Auch mit dem Arbeitsklima ging es von da an bergab. Die Chefetage hätte nicht nur die Kontrolle, sondern auch den Druck erhöht: «Es gab ständig Einzelgespräche, und wir wurden andauernd angerufen und gefragt, wie weit wir seien», so S. Der zweite Informant schlägt in die gleiche Kerbe und spricht von einem «Klima der Angst».

Stadt Winterthur streitet die Vorwürfe ab

Dass sich die Mitarbeitenden über die Probleme hätten austauschen können, sei jedoch geschickt von der Führung unterbunden worden. «Wir mussten alle zusammen die Pausen mit der Chefin verbringen.» Statt den Zusammenhalt und Austausch im Team zu fördern, hätte man die Leute zudem gegeneinander aufgehetzt: «Wenn jemand einen kleinen Fehler gemacht hat – etwa ein Häkli nicht gesetzt –, wurde der Kollege gezwungen, den anderen darauf hinzuweisen.»

Gegenüber der Zeitung will sich das Steueramt «aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes» nicht zu den Vorwürfen äussern. Benjamin Engeli, stellvertretender Vorsteher des Steueramts, dementiert hingegen, dass die Mitarbeitenden zu Zwangspausen mit den Chefs gezwungen worden seien. Dass sich der Arbeitsaufwand auf 30 Fälle pro Tag erhöht hätte, bestätigt die Stadt aber.

Auf Anfrage der Zeitung will auch Stadtrat Bopp nichts von den Vorwürfen wissen. Ihnen sei bewusst, dass die Abteilung mit den elf Austritten innert drei Jahren eine «bewegte und herausfordernde Zeit» hinter sich habe. Dennoch: «Eine ‹toxische Arbeitsatmosphäre› haben wir nicht festgestellt», so Bopp zur Zeitung. Entsprechend sehe man auch keinen Handlungsbedarf, was die Führung in der betroffenen Abteilung angeht.

S. hofft trotz allem, dass sich beim Finanzdepartement etwas ändert. Was er bei der Behörde nämlich erlebt hat, präge ihn noch heute: «Ich wünschte, jemand hätte mich vorher vor diesen Zuständen gewarnt.» (dzc)

* Name geändert

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