Sofortiges Ende von «unmenschlicher» Isolationshaft für «Carlos» gefordert
Uno-Sondergesandter wirft Schweiz Verstoss gegen Anti-Folter-Konvention vor

Der Uno-Sonderberichterstatter über Folter wirft der Schweiz «unmenschliche» Behandlung von Problemhäftling Brian K. alias «Carlos» vor. Morgen Mittwoch entscheidet das Zürcher Obergericht, ob der junge Delinquent verwahrt oder sofort freigelassen werden muss.
Publiziert: 15.06.2021 um 04:12 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2021 um 08:31 Uhr

Brian K. (25), auch bekannt unter dem Pseudonym «Carlos», wurde wegen eines Sondersettings zum landesweit bekannten Straftäter. Die meisten Jahre seit seiner Jugend hat Brian hinter Gitter verbracht. Derzeit sitzt er in der Strafanstalt Pöschwies in Haft, wo er laut Experten, die sein Vater beigezogen hat, Folter erdulden muss.

Unterdessen ist auch Nils Melzer (51) auf Brian aufmerksam geworden. Der Schweizer Jurist und seit 2016 Uno-Sonderberichterstatter über Folter bezeichnet die lange Isolationshaft von Brian als «unmenschlich», wie die NZZ berichtet.

Melzer verlangt das sofortige Ende der Isolationshaft beim jungen Straftäter. Dazu intervenierte er auch beim Eidgenössischen Departement des Äusseren (EDA). Der Zeitpunkt ist nicht zufällig: Melzers Augenmerk ist auf morgen Mittwoch gerichtet. Dann wird das Zürcher Obergericht sein Urteil im Fall Brian verkünden, das über das Schicksal des 25-Jährigen entscheidet. Wird der junge Straftäter verwahrt, wie es die Staatsanwaltschaft fordert? Oder muss Brian sofort freigelassen werden, wie von der Verteidigung beantragt?

Problemhäftling Brian K. alias «Carlos».
Foto: Screenshot SRF Rundschau
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«Ich bin alleine»
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«Carlos»: Das Folter-Protokoll:«Ich bin alleine»

Uno-Melzer sieht «rote Linie überschritten»

Brians Tage im Knast sind kein Zuckerschlecken. Ein von Experten nach einem fünfstündigen Gespräch mit Brian im April erstelltes Gutachten spricht von Einsamkeit, Isolation und auch manchmal Schlägereien des Häftlings mit Wärtern. Die Experten sehen das als Folter.

Auch der hohe Uno-Experte Melzer sieht eine rote Linie überschritten – und intervenierte dazu am 9. Juni schriftlich beim EDA, wie Radio SRF berichtete. Melzer wolle das Zürcher Gericht auf die unzulässigen Haftbedingungen aufmerksam machen: «Natürlich geht es darum, Einfluss zu nehmen. Ich bin schliesslich beauftragt worden, Staaten darauf aufmerksam zu machen, wenn sie eine rote Linie überschreiten.»

«Unmenschliche Isolationshaft»

Die lange Isolationshaft bezeichnet der Uno-Sonderberichterstatter als «unmenschlich». Mit der Behandlung des Häftlings verstosse die Schweiz gegen die von ihr unterzeichnete Anti-Folter-Konvention. Dies schreibt Melzer in einer am Montag veröffentlichten Mitteilung.

Melzer verweist dabei auf die Nelson-Mandela-Regeln der Vereinten Nationen. Langzeit-Einzelhaft von mehr als 15 Tagen gelte als grausam, unmenschlich und entwürdigend. Neben dem Ende der Isolationshaft mit sofortiger Wirkung verlangt Melzer auch eine unabhängige Untersuchung. Das EDA hat 60 Tage Zeit, um zum Fall Brian K. Stellung zu nehmen.

Unverständnis der Zürcher Vollzugsbehörden

Das für Brians Unterbringung zuständige Zürcher Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung wolle sich zwar an einer «speditiven und gründlichen Stellungnahme» gegenüber dem Sonderberichterstatter beteiligen, wie es heisst. Doch der Vorstoss des Uno-Gesandten stösst auf wenig Verständnis. «Wir stellen fest, dass Herr Melzer Vorwürfe erhebt, ohne die Beschuldigten angehört zu haben. Das widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen und ist vorverurteilend», wird aus der schriftlichen Stellungnahme des Amts zitiert.

Melzer zeigt sich unbeeindruckt. Gemäss Protokoll seines Mandates sei er verpflichtet, Hinweise auf Verletzungen des Folter- und Misshandlungsverbotes an die Schweizer Bundesbehörden zu übermitteln. Das sei «keine Vorverurteilung» der Zürcher Vollzugsbehörden, so Melzer, sondern die «Standard-Arbeitsmethode aller Uno-Sonderberichterstatter». (kes)

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