Eigenkapitalquote 20 Prozent
Pfisters Forderung verteuert Hypotheken um die Hälfte

Nach der CS-Pleite schlägt die Stunde der Regulierer. Mitte-Chef Gerhard Pfister will Banken zu deutlich mehr Eigenkapital zwingen – für die Kunden kann das teuer werden.
Publiziert: 09.04.2023 um 10:52 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2023 um 08:37 Uhr
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Der Fall Credit Suisse zeigt, dass die Bankenregulierung in der Schweiz versagt hat. Das «Too big to fail»-Gesetz war zwar in Kraft: Man hätte die Grossbank in den Konkurs schicken und den systemrelevanten Inlandteil retten können. Doch angesichts drohender Verwerfungen auf den Finanzmärkten verzichtete der Bundesrat auf das für den Notfall vorgesehene Regime – und verordnete die Fusion mit der UBS. Damit eine solche Lösung in Zukunft nicht mehr möglich ist, wollen Politiker die Regulierung verschärfen.

Einen der ersten Vorschläge brachte Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) ein, als er vor zwei Wochen im SonntagsBlick eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent vorschlug. Dies sei in der heutigen Zeit eine solide Basis, eine geringere Quote schaffe den Anreiz für höhere Risiken. Pfister wörtlich: «Damit wiederum rechtfertigen die Chefetagen die hohen Boni. Geht das Ganze schief, müssen die Steuerzahlenden einspringen. Deshalb, so bin ich überzeugt, ist der Kern des Problems die mangelnde Ausstattung mit Eigenkapital.»

30 Milliarden zusätzliches Eigenkapital bei Raiffeisen

20 Prozent Eigenkapital – was würde das konkret bedeuten? Raiffeisen, die zweitgrösste Bankengruppe der Schweiz, verfügt heute über ein «hartes» Eigenkapital von 20,5 Milliarden. Rechnet man zusätzliche Kapitalinstrumente dazu, benötigt die Bank effektiv 50 Milliarden Franken.

Die Hypothekarzinsen könnten um 50 Prozent steigen.
Foto: Zamir Loshi
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Raiffeisen fehlen also genau 29,5 Milliarden. Eigenkapital kann eine Bank aufbauen, indem sie Gewinne einbehält oder Kapitalerhöhungen vornimmt. Beides ist teuer – die Kapitalkosten betragen rund 10 Prozent. Im Fall von Raiffeisen heisst das: Zusätzliche 30 Milliarden Eigenkapital würden jährlich mit 3 Milliarden Franken zu Buche schlagen.

Um dieses Geld zu beschaffen, müsste die Bank ihre Margen erhöhen. Raiffeisen ist mit 200 Milliarden Hypothekarkrediten einer der grössten Eigenheimfinanzierer der Schweiz. Um aus diesem Portfolio 3 Milliarden zusätzlich zu ziehen, müsste die Bank jede einzelne Hypothek um 1,5 Prozentpunkte verteuern.

Eine fünfjährige Hypothek kostet aktuell 3 Prozent Jahreszins. Kommt der Mitte-Präsident mit seiner Forderung durch, würde der Zinssatz auf 4,5 Prozent steigen – und die Hypothek um 50 Prozent teurer. Bei einer Hypothek von 500’000 Franken beträgt der Jahreszins dann nicht mehr 15’000, sondern 22’500 Franken. Das ergibt eine Zusatzbelastung von 625 Franken pro Monat.

Bei einer Saron-Hypothek, die einen tieferen Zinssatz hat, würde der Pfister-Aufschlag deutlich grösser ausfallen. Die Marge der Bank beträgt dann je nach Bonität des Schuldners nicht mehr 0,7 bis 1,1 Prozentpunkte, sondern mehr als das Doppelte.

Raiffeisen befürchtet «starke Restriktionen bei der Kreditvergabe»

Raiffeisen bestätigt diese Berechnungen prinzipiell. Die Bank in ihrer Stellungnahme: «Eine höhere Leverage Ratio (Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme; Red.) könnte entweder durch Kapitalaufbau, eine Bilanzreduktion oder eine Kombination von beidem erreicht werden.»

Für den Fall, dass dieser Wert allein durch Kapitalaufbau erreicht werden soll, müsste die Raiffeisen-Gruppe nach eigenen Angaben «ihre Eigenmittel um über 30 Milliarden Franken erhöhen». Wie stark würde diese Massnahme die Kredite der Kunden verteuern? Dazu äussert sich die Bank vorsichtig: Diese Frage lasse sich nicht «pauschal» beantworten. «Generell kann aber gesagt werden, dass (...) die mit einer massiv höheren Kapitalhaltung verbundenen Kosten zumindest zu einem gewissen Grad auf Kundinnen und Kunden überwälzt werden müssten.»

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Raiffeisen ist überzeugt: «Eine Verminderung der Bilanz hätte starke Restriktionen bei der Kreditvergabe zur Folge – mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Folgen.» Man würde bestimmte Kredite prohibitiv verteuern, nicht mehr herausgeben oder gar kündigen.

Barend Fruithof (55), Chef der Industriegruppe Aebi-Schmidt und Vorstandsmitglied des Industrieverbands Swissmem, warnt vor einer solchen Entwicklung: «Die Forderung von Gerhard Pfister greift zu kurz und könnte grosse volkswirtschaftliche Schäden anrichten.» Fruithof, der früher das Firmenkundengeschäft der CS leitete, sagt weiter: «Eine Leverage Ratio in dieser Höhe hätte massive Folgen für den Werkplatz. Die Kreditkosten würden deutlich steigen. Und vielen KMU, die nicht auf ausländische Banken ausweichen könnten, würde der Kredithahn zugedreht.»

Gerhard Pfister will sich nicht zu den möglichen Folgen seines 20-Prozent-Vorschlags äussern. «Wir sollten diese Frage vorurteilslos diskutieren können, ohne vorgängig schon wieder nur das zur Kenntnis zu nehmen, was nach Ansicht der Banken und deren Lobbyisten dagegen spricht. Nach der Rettung der UBS haben wir genau das gemacht, was die Banken wollten.»

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