Die neue UBS spaltet die Schweiz
Der Kampf zwischen Bern und der 5-Billionen-Bank

Die Parteien überbieten sich mit Ideen, wie die neue Megabank gezähmt werden könnte – und fordern unter anderem die Abspaltung der Credit Suisse Schweiz. Doch die UBS-Spitze verspürt wenig Lust, das gerade gewonnene Prunkstück wieder herauszurücken.
Publiziert: 26.03.2023 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2023 um 07:48 Uhr

Am prunkvollen Hauptsitz der Grossbank UBS ist die Euphorie mit Händen zu greifen. Die Augen der Mitarbeiter, das Glitzern der Kronleuchter – alles strahlt irgendwie heller. Es ist Tag fünf nach der Jahrhundertfusion, allmählich beginnt sich abzuzeichnen, was da gerade entsteht – eine neue Schweizer Megabank.

An der Bahnhofstrasse 46 in Zürich, wenige Meter vom Paradeplatz entfernt, laufen alle Fäden zusammen. Hier residieren CEO Ralph Hamers (56) und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher (65) in ihren gediegenen Büros. Es ist das neue, unumstrittene Machtzentrum des Schweizer Finanzplatzes.

Die UBS war schon länger eine der grössten Banken des Planeten. Nun wächst sie erneut: Sie wird über fünf Billionen Dollar Kundengelder verwalten.

Die Parteien überbieten sich mit Ideen, wie die neue XXL-UBS gezähmt werden könnte – und fordern unter anderem die Abspaltung der Credit Suisse Schweiz. Doch Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Die UBS-Spitze will sich von der Politik nichts vorschreiben lassen.
Foto: Igor Kravarik
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Ein Schnäppchen namens Credit Suisse

Mit der Einverleibung der Credit Suisse setzen sich Kelleher, Hamers und Co. an die Spitze der internationalen Finanzelite. Für den Superbooster, der sie dorthin brachte, muss die Bank fast nichts bezahlen – die CS-Aktionäre erhalten drei Milliarden Franken in Aktien.

Wer mit hohen UBS-Kadern spricht, bekommt den Eindruck, die Bank habe das Schnäppchen des Jahrhunderts gemacht. Zwar zeigen sich die Verantwortlichen betroffen, dass die prestigeträchtige CS gerettet werden musste – machen aber auch keinen Hehl daraus, dass sie sich von dem Deal einiges erhoffen.

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«Vieles ist Wahlkampfgetöse von Politikern, die von Banken keine Ahnung haben»
Hoher Kaderman der UBS
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«Endlich können wir die Amerikaner angreifen – und das aus der Schweiz heraus», sagt ein hoher Kadermann im Gespräch mit SonntagsBlick. Bisher sei auf den europäischen Finanzplätzen stets gejammert worden, man habe gegen die Amerikaner keine echte Chance, weil deren Banken schlicht zu gross waren. Nun sei es anders, so der Insider: «Das ist eine einmalige Chance!»

Die Verantwortlichen beteuern, die UBS wolle die konservative Risikokultur der vergangenen Jahre beibehalten. So scheint die Redimensionierung des CS-Investmentbankings bereits beschlossene Sache. Und doch dürfte die Wachstumseuphorie, die bei der UBS zu spüren ist, in Bern für Argwohn sorgen.

Schon diese Woche überboten die Parteien einander mit Ideen, wie die neue Megabank gezähmt werden könnte. Die SP verlangt einen Lohndeckel bei systemrelevanten Banken, die Abgeltung der De-facto-Staatsgarantie sowie 20 Prozent hartes Eigenkapital.

So etwas galt bis vor kurzem als linke Radikalforderung. Nun hört man sie von Bürgerlichen. «Es braucht eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent», sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister im Interview mit SonntagsBlick.

Auch die Idee vom Trennbankensystem, einer Aufspaltung von Geschäftsbank und Investmentbereich, ist erneut in aller Munde. Nicht nur SP und Grüne rufen danach, die SVP tut es ebenfalls. Und die FDP sorgte mit der Forderung für Furore, den CS-Inlandsbereich als eigenständige Bank weiterzuführen.

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Trotz Staatshilfe in Milliardenhöhe: UBS will sich nichts vorschreiben lassen

Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59), die den UBS-Coup eingefädelt hat, beobachtet dies mit Sorge. «Die ausgehandelte Übernahme mit neuen Bedingungen zu gefährden und in diesem Stadium zu stören, wäre hochriskant», warnte sie gestern in einem Interview mit der «NZZ».

Bei der UBS selbst stossen die Regulierungsideen erst recht nicht auf Gegenliebe. Aus Gesprächen mit Topkadern wird klar, dass man in der Bank keine Lust verspürt, sich von der Politik vorschreiben zu lassen, was mit der übernommenen CS geschehen soll – indirekte Staatshilfe in Milliardenhöhe hin oder her.

«Vieles davon ist Wahlkampfgetöse von Politikern, die vom Bankgeschäft keine Ahnung haben», sagt einer. Die Bank spekuliert darauf, dass die Übernahme längst über die Bühne ist, bis die Politik irgendetwas beschlossen hat.

Die UBS möchte die Fusion im Rekordtempo durchziehen. Die Finalisierung der Übernahme soll in wenigen Wochen erfolgen. Die Marke Credit Suisse dürfte zwar noch drei, vier Jahre bestehen bleiben, dann aber verschwinden. Zwar werden auch Szenarien geprüft, die eine spätere Abspaltung vorsehen, dem Vernehmen nach erachtet die UBS dies jedoch als deutlich schlechtere Option.

Im Umfeld der Grossbank wird auch bestritten, dass durch die Einverleibung der CS der Wettbewerb auf dem Finanzplatz Schweiz zum Erliegen kommen könnte. Ein Dokument, das diese Woche die Runde machte, rechnet vor: «Kantonalbanken verzeichnen im Bereich der Hypotheken einen Marktanteil von 38 Prozent, Raiffeisenbanken einen von 18 Prozent gegenüber 27 Prozent für die kombinierte UBS/CS.»

Bei den Kundeneinlagen indessen besässen die Kantonalbanken einen Marktanteil von 33 Prozent, Raiffeisen 20 Prozent und die neue Megabank 26 Prozent – dies noch vor möglichen Geldabflüssen infolge der Fusion.

Der Vergleich mit den 24 Kantonalbanken hinkt zwar, weil diese eigenständig sind und von den jeweiligen Eignerkantonen grossmehrheitlich eine unbeschränkte Staatsgarantie geniessen.

Ob die Marktmacht der neuen UBS in der Schweiz ein Problem wäre, ist aber tatsächlich umstritten. Wie Gespräche mit Branchenvertretern zeigen, sehen die Inlandbanken keine Gefahr, im Gegenteil: Sie hoffen, in Folge der Grossfusion neue Privat- und Firmenkunden gewinnen zu können.

Aber auch aus der Industrie sind erstaunliche Signale zu vernehmen. Martin Hirzel (53) Präsident des Verbands Swissmem, dessen Mitgliedsfirmen mehr als 325'000 Angestellte zählen, sagt im Interview mit SonntagsBlick, man könne den Ausfall der CS problemlos verkraften: «Es besteht keine Gefahr für den Werkplatz Schweiz.»

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Allerdings gibt es auch Geschäfte mit Firmenkunden, in denen die neue UBS eine erdrückende Marktdominanz hat. Finanzplatzkenner schätzen den Marktanteil bei ungedeckten Firmenkrediten auf 70 Prozent. Ebenso hoch dürfte der Marktanteil im Bereich der Handelsfinanzierungen und den Bankgarantien für Firmen sein.

Klarheit bringen soll eine Analyse der Wettbewerbskommission (Weko). Die spielt bei der CS-Übernahme zwar nur eine Nebenrolle, weil gemäss Kartellgesetz bei notfallmässigen Zusammenschlüssen von Banken die Finanzmarktaufsicht (Finma) den Lead hat.

Dennoch wird die Weko analysieren, ob und in welchen Geschäftsbereichen die neue UBS eine marktbeherrschende Stellung einnehmen könnte. «Danach muss die Finma entscheiden, welche Schlüsse daraus gezogen werden», sagt Weko-Direktor Patrik Ducrey (59).

Neue XXL-Bank der Schweiz

Entscheidende Widerstände gegen die neue UBS dürfte es aber nicht aus wettbewerbsrechtlichen Gründen geben, sondern eher wegen ihrer Grösse: Die XXL-Bank hat eine Bilanzsumme, die doppelt so gross ist wie das jährliche Bruttoinlandprodukt der Schweiz.

Für den Berner Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti (60) ist deshalb klar: «Die «Too big to fail»-Problematik hat sich mit der neuen UBS nochmals verschärft – zumal wir das jetzt gewählte Verfahren nicht wiederholen können, da es keine Schweizer Grossbank mehr gibt, welche die UBS im Notfall übernehmen könnte.»

Brunetti fordert, dass im Detail analysiert wird, weshalb die «Too big to fail»-Mechanismen bei der CS nicht angewandt wurden – und ob überhaupt eine realistische Möglichkeit dafür besteht, dass die Schweizer Behörden der Abwicklung einer systemrelevanten Bank in unterschiedlichen Krisenszenarien zustimmen.

«Kommt man zum Schluss, dass dies sowieso kaum je passieren wird, dann müssen wir völlig neu denken», so Brunetti, der nach der Finanzkrise 2008 die Expertengruppe zur Ausarbeitung des «Too big to fail»-Regelwerks leitete.

Bei der UBS betrachtet man diese Problematik als Nebensache. Verwaltungsratspräsident Kelleher sagte bereits vergangenen Sonntag, dass das Geschäftsmodell der UBS die Vermögensverwaltung sei und die Grösse einer Bank nichts über deren Stabilität aussage. Wertvolle Unterstützung erhält er von Nationalbankpräsident Thomas Jordan (60), der die Risiken für die Stabilität des Schweizer Finanzsystems ebenfalls relativiert. «Eine Bank kann gross sein, aber die Risiken können limitiert sein», sagte Jordan am Donnerstag vor den Medien.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick zurück: 2007, vor Ausbruch der Finanzkrise, hatten die beiden Grossbanken zusammen eine Bilanzsumme von rund 3600 Milliarden Franken. Bei der UBS alleine waren es 2300 Milliarden. Ende 2022 hingegen lag die summierte Bilanzsumme von UBS und CS «nur» bei etwa 1500 Milliarden Franken. Mit anderen Worten: Die neue UBS mag gross sein, in den Nullerjahren war die «Too big to fail»-Gefahr aber noch deutlich grösser, zumal das Schweizerische BIP seither um 30 Prozent gewachsen ist.

Vorderhand hat die UBS ohnehin andere Prioritäten: Sie muss Stärke ausstrahlen, Stabilität vermitteln – und verhindern, dass ihr die internationale Konkurrenz die besten Mitarbeiter und Kunden abjagt.

UBS-Vermögensverwaltungschef Iqbal Khan (47), bis 2019 bei der CS, soll diese Woche bereits rund um den Globus gejettet sein, um die Leute bei der Stange zu halten. Gemäss einem Bericht von Bloomberg habe Khan versucht, CS-Banker in Dubai, Doha und Hongkong davon zu überzeugen, zumindest so lange an Bord zu bleiben, bis die Übernahme vollzogen sei. Die UBS sei bereit, entsprechende Anreize zu schaffen.

Das Unterfangen, die beiden Banken mit ihren unterschiedlichen Kulturen zusammenzuführen, könnte schwieriger werden, als es manchem UBS-Manager heute bewusst ist. Es wird wahrscheinlich Momente geben, in denen nicht mehr alles so schön glänzt wie die Kronleuchter am Hauptsitz.

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